64
Die durch Statut vorgegebene Uniformität des öffentlichen Dienstes ändert freilich nichts daran, dass tatsächlich Unterschiede innerhalb des öffentlichen Dienstes bestehen, was zur Ineffektivität des Verwaltungshandelns führt.
bb) Uniformität und Effizienz
65
Hinter der scheinbaren Uniformität des öffentlichen Dienstes existiert ein Mosaik aus Statuten (Sonderstatute, Ausnahmestatute, Spezialstatute, autonome Statute), das darauf zielt, den jeweiligen Aufgaben besser gerecht zu werden. Diese Situation führt aber auch zu Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Verwaltungsführung (sowohl mit Blick auf die interministerielle Abstimmung als auch mit Blick auf Unterschiede bei Besoldung und Beförderung) und der Mobilität zwischen den (staatlichen und territorialen) öffentlichen Diensten, die durch die statutarische Uniformität erreicht werden soll. Ferner folgt aus der Zunahme abweichender Statute eine Schichtung des öffentlichen Dienstes, die der Anpassung und Modernisierung der Verwaltung schadet, zumal die Beamtenverbände für diese Schichtung eintreten und sich in gewerkschaftlichen Kämpfen aufreiben – sowohl um Privilegien zu verteidigen als auch um neue Forderungen vorzubringen. Auch besteht im höheren öffentlichen Dienst eine größere Abhängigkeit von der politischen Macht.[63] Und im niedrigeren öffentlichen Dienst wird zunehmend auf Bedienstete ohne besonderes Statusverhältnis zurückgegriffen (u.a. Aushilfskräfte, sonstige Hilfskräfte, Angestellte), was es erlaubt, weniger Sicherheit zu gewähren. Beide Aspekte vermitteln dem service public einen gewissen Beigeschmack. Unter diesen Abweichungen ist die Uniformität Gegenstand eines echten Wandlungsprozesses; sie steht in der Kritik, der Effizienz der Verwaltung abträglich zu sein.[64]
66
So werden die Praxis der allen Franzosen und allen Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union[65] offen stehenden Auswahlverfahren,[66] die auf Generalisten zielten und damit weder technischen Sachverstand noch Motivation oder Initiative gewährleisteten, sowie die Rigidität der Statute hinsichtlich Besoldung und Beförderung, die die Beamten kaum zu einer kontinuierlichen Weiterbildung ermunterten, in Frage gestellt. Ferner besteht ein Ungleichgewicht zwischen der wenig mobilen und nicht gut ausgebildeten unteren Verwaltung und dem höheren öffentlichen Dienst an der Spitze der Verwaltung, der überqualifiziert ist, hohes Ansehen genießt und dessen Angehörige während der Laufbahn über viele Möglichkeiten auch jenseits des öffentlichen Dienstes verfügen. Auch die Voraussetzungen für eine Beförderung werden bemängelt, weil sie zum einen an das Dienstalter anknüpfen und damit Verantwortungslosigkeit und Amtsmüdigkeit fördern, und zum anderen das Leistungsprinzip dadurch verfälscht wird, dass sich das Dienstalter gegenüber dem Verdienst durchsetzen kann. Im Übrigen ist eine Berücksichtigung des Leistungsprinzips dadurch weitgehend ausgeschlossen, dass die Besoldung nach der einheitlichen Staffelung von den erbrachten Leistungen unabhängig ist.
67
Das Erfordernis einer Staatsreform, die das Verwaltungsmanagement fördern soll, und die Anforderungen des Unionsrechts[67] führen dazu, dass eine stärkere Einbindung des Rechts des öffentlichen Dienstes in das Privatrecht ins Auge gefasst wird. Diese Entwicklung könnte zu einer tiefgreifenden Veränderung der Organisation, der Mechanismen und der Strukturen des französischen öffentlichen Dienstes führen. Sie birgt die Gefahr einer Abkehr von seinen Grundprinzipien.[68]
2. Der Fortbestand der administrativen Gewalt
68
Als Recht des Verwaltungshandelns, das auf die Verwirklichung des Gemeinwohls gerichtet ist, ist das Verwaltungsrecht insofern ein Recht der Ungleichheit, als es der öffentlichen Gewalt Vorrechte einräumt. Voraussetzung wirksamen Verwaltungshandelns ist ein verfahrensrechtlicher Rahmen, der zugleich Garantien zugunsten der administrés enthält.
a) Verwaltungsakte und Verträge als Ausdruck administrativer Gewalt
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Um ihre Ziele verwirklichen zu können, genießt die Verwaltung bestimmte Vorrechte. Diese sind Ausdruck einer gewissen Autonomie im Vergleich zu den Handlungen Privater. Die Vorrechte sollten freilich nicht überbewertet werden, da die moderne Verwaltung sich vielfach der Handlungsmodi Privater bedient; dies ändert aber nichts daran, dass sie Macht ausübt.[69] Die Verwaltung verfügt über rechtliche Instrumente, die es ihr ermöglichen, Widerstand zu überwinden und einen Verwaltungsakt trotz dessen gerichtlicher Anfechtung zu vollziehen.[70] Darüber hinaus genießt sie das Vorrecht einseitigen Handelns (l’action unilatérale). Spuren dieses Vorrechts finden sich auch im vertraglichen Handeln. Insgesamt vermitteln die Konzeption und die Durchsetzung der Verwaltungsakte und Verwaltungsverträge einen Eindruck davon, wie öffentliche Gewalt ausgeübt wird.
aa) Identifizierung
70
Die Befugnis zu einseitigem Handeln wird häufig als Eigenheit des Verwaltungsrechts dargestellt, als ein Vorrecht der Verwaltung, über das Private, deren Rechtsbeziehungen auf Willensübereinstimmungen beruhen, nicht verfügen. Damit wird nicht nur verkannt, dass auch das Privatrecht Befugnisse zu einseitigem Handeln kennt (u.a. die freiwillige Anerkennung eines unehelichen Kindes, die Änderung des rechtlichen Status eines Kindes durch Erklärung der Mündigkeit, Erlass einer Geschäftsordnung durch den Chef eines Unternehmens), sondern auch, dass die Verwaltung – mit Blick auf Maßnahmen zur Verbesserung der Beziehungen zwischen der Verwaltung und den administrés – in ihrem Wunsch nach Effektivität darauf abzielt, dass ihre Akte von den Betroffenen akzeptiert werden, und daher auf Anhörungen und Absprachen zurückgreift. Einseitige Akte[71] unterliegen also keinem öffentlich-rechtlichen Monopol, auch wenn sie das klassische Instrument administrativen Handelns sind. Sind sie nicht durch Gesetze oder Verordnungen besonders qualifiziert, drücken Akte und Verträge administrative Gewalt aus. Diese Gewalt beruht konzeptionell auf zwei Grundbegriffen des Verwaltungsrechts: der puissance publique und dem service public.
71
Auch wenn eine Vermutung dafür streitet, sind nicht alle Entscheidungen, die administrative Organe der juristischen Personen des öffentlichen Rechts treffen, Verwaltungsakte. Hingewiesen sei nur auf Legislativ- und Judikativakte. Ferner sind bestimmte Rechtsakte auch dann, wenn sie von einer Verwaltungsbehörde ausgehen, der Natur der jeweiligen Tätigkeit nach keine Verwaltungsakte: Regierungsakte, Akte, die sich auf die Tätigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit beziehen,[72] Entscheidungen ohne Regelungsgehalt, die sich auf das privatrechtliche Handeln der juristischen Personen des öffentlichen Rechts beziehen, Entscheidungen ohne Regelungsgehalt, die sich auf industrielle und gewerbliche services publics beziehen. Umgekehrt können unter bestimmten Voraussetzungen auch Entscheidungen von Privaten Verwaltungsakte sein, wenn diese mit der Erbringung eines service public betraut sind.[73] Soweit eine Verwaltungsbehörde tätig wird, haben solche Entscheidungen verwaltungsrechtlichen Charakter, die im Zusammenhang mit der ihr übertragenen Erbringung