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Mit der Hamburg-Entscheidung von 2010 hat das BVerfG eine Kurswende zu relativ restriktiven Vorgaben eingeleitet, die in der MHH-Entscheidung von 2014 fortgesetzt wurde und die verfassungsgerichtliche Spruchpraxis mittlerweile prägt. Vorläufiger Höhepunkt ist die Entscheidung des VerfGH BW von 2016. Im Mittelpunkt steht nun das Teilhaberecht des einzelnen Grundrechtsträgers, worunter allerdings nur noch Träger der Wissenschaftsfreiheit verstanden werden. Umso stärker die Leitungsstrukturen sind, desto stärker müssen die Abwehr- und Einflussmöglichkeiten der (Wissenschaftsfreiheits-)Grundrechtsträger sein.[43] Beim VerfGH BW hat dies dazu geführt, dass allein die Gruppe der Hochschullehrer – ungeachtet der Grundrechte anderer Hochschulmitglieder – für die Wahl und Abwahl der Hochschulleitung maßgeblich sein muss.[44] In der MHH-Entscheidung hat zudem der Begriff der „wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten“, auf die sich diese Teilhabe bezieht, jede terminologische Abgrenzungsfunktion verloren und erfasst über inhaltliche Fragen von Forschung und Lehre hinaus nun „alle den Wissenschaftsbetrieb prägenden Entscheidungen über die Organisationsstruktur und den Haushalt“.[45] Im Ergebnis wird durch diese Rechtsprechung nun ein klarer Vorrang der Kollegialorgane gegenüber den Leitungsorganen festgeschrieben und damit auch dem Hochschulgesetzgeber bei der Ausgestaltung des Hochschulorganisationsrechts vorgegeben.
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Diese Verschiebung der verfassungsgerichtlichen Anforderungen hat die gleichzeitige politische Kurskorrektur zugunsten einer maßvollen Re-Akademisierung des Hochschulorganisationsrechts zusätzlich befördert. So hat der Hochschulgesetzgeber die sehr weitgehende Entmachtung des Senats – zuletzt im 2. HRÄG von 2004 – im Rahmen des 3. HRÄG von 2014 in Teilen zurückgenommen. Das zentrale Kollegialorgan, der Senat, hat wichtige Beschluss- und Entscheidungskompetenzen zumindest teilweise behalten oder zurückgewonnen. Dies gilt zunächst für seine Zuständigkeit für das Satzungsrecht, die ihm eine – aufgrund der Deregulierung des LHG in ihrer Bedeutung gestiegene – erhöhte Funktion als Gesetzgeber in der Hochschule zuweist. Dieses Satzungsrecht umfasst neben der Grundordnung auch alle anderen Hochschulsatzungen wie z.B. die Studien- und Prüfungsordnungen. Außerdem stehen dem Senat (tlw. wieder) das Wahlrecht für alle Rektoratsmitglieder (tlw. gemeinsam mit dem Hochschulrat), die Beschlusskompetenzen über die Zustimmung zur Struktur- und Entwicklungsplanung, die Einrichtung, Änderung und Aufhebung von Studiengängen oder Hochschuleinrichtungen, die Beantragung der Festsetzung von Zulassungszahlen und eine Grundsatzzuständigkeit für Fragen von Forschung, Lehre und Studium zu. Ansonsten verfügt der Senat – v.a. in Finanzfragen – über Stellungnahmerechte, etwa zu Hochschulverträgen, zu Zielvereinbarungen und zu Funktionsbeschreibungen der Professuren (§ 19 I LHG). Einige Kompetenzverluste des Senats blieben aber auch erhalten. Dies gilt v.a. für die Auffang-Allzuständigkeit (§ 19 I 1 UG a.F.), die seit 2005 beim Rektorat liegt (s.o. Rn. 13), und die Beteiligung an Berufungsverfahren, die früher in einem Zustimmungserfordernis bestand (§ 19 I 2 Nr. 11 UG a.F.) und nun hinsichtlich des ob und wie der Grundordnung anheim gestellt ist (§ 48 III LHG). Auch auf Fakultätsebene ist die Machtverschiebung vom Fakultätsrat zum Dekanat (etwa bei der Auffang-Allzuständigkeit) weitgehend unverändert geblieben; allerdings sind die Fakultätsräte seit dem 3. HRÄG wieder für die Entscheidung über die Berufungsvorschläge (an das Rektorat) zuständig (§ 25 I LHG). Neben der Neuordnung von Kompetenzen wurden mit dem 3. HRÄG auch terminologische Übertreibungen des 2. HRÄG wie die unternehmerischen Begriffe für Hochschulgremien (Vorstand statt Rektorat, Aufsichtsrat statt Hochschulrat und Fakultätsvorstand statt Dekanat) wieder zurückgenommen.
Einführung › III. Feinjustierung und Ausdifferenzierung › 2. Ausdifferenzierung durch Stärkung von Sonderinteressen
2. Ausdifferenzierung durch Stärkung von Sonderinteressen
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Die letzten Jahre waren hochschulrechtlich außerdem durch die Stärkung partikularer Sonderinteressen innerhalb der Hochschulgovernance geprägt. Dies begann mit der Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft (VS) durch das Verfasste-Studierendenschafts-Gesetz (VerfStudG) im Jahr 2012,[46] durch das alle eingeschriebenen Studierenden einer Hochschule zu einer eigenständigen Zwangspersonenkörperschaft zusammengeschlossen wurden. Der VS wurden zum einen die bis dahin vom AStA wahrgenommenen Aufgaben (Förderung der sozialen, kulturellen und sportlichen Belange der Studierenden) übertragen, zum anderen wurde die Aufgabe der VS (hochschul-)politisch stärker akzentuiert durch einen Förderauftrag bezüglich der politischen Bildung und des staatsbürgerlichen Bewusstseins der Studierenden sowie des Meinungsaustausches innerhalb der Gruppe der Studierenden (§ 65 II, III LHG). Zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhielt die VS ein weitreichendes Selbstorganisationsrecht (§ 65a I, II LHG) sowie ein autonomes Beitragserhebungs- und Haushaltsrecht (§ 65a V LHG).[47]
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Des Weiteren wurden die Gruppeninteressen der Professoren durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts (HRWeitEG)[48] gestärkt. Zuvor hatte der VerfGH BW entschieden,[49] dass die Regelungen des LHG zur Wahl und Abwahl von Rektoratsmitgliedern nicht mit der Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer kompatibel seien, solange nicht entweder die starke Stellung des Rektorats bzw. des Dekanats zugunsten der akademischen Gremien deutlich zurückgenommen oder aber die Wahl und Abwahl der Leitungsorgane maßgeblich vom Willen der gewählten Vertreter der Professorenschaft in den Gremien abhängig gemacht würde (vgl. o., Rn. 34). Die weder verfassungs- noch hochschulrechtlich überzeugende Entscheidung ist zutreffend Gegenstand vielfältiger Kritik geworden[50] und hat ein begrenztes hochschulpolitisches Rollback notwendig gemacht. Dabei hat sich der Gesetzgeber jedoch gegen die vom VerfGH bevorzugte Lösung einer erheblichen Rückverlagerung von Entscheidungskompetenzen der Leitungsorgane auf die Gremien entschieden und sich auf das vorgegebene Mindestmaß an Stärkung der Gruppe der Hochschullehrer bei der Wahl und Abwahl der Leitungsorgane beschränkt. Daher ist nun die Wahl der Leitungsorgane nicht mehr gegen den (geschlossenen) Willen der gewählten Hochschullehrervertreter im Senat möglich, in dem diese die absolute Mehrheit haben müssen (§ 19 II Nr. 1 LHG); zudem können die Hochschullehrer durch ein basisinitiiertes Abwahlverfahren sowohl auf zentraler wie auf dezentraler Ebene Mitglieder von Leitungsorganen abwählen (§§ 18a, 24a LHG).[51] Eine weitere Gruppenstärkung erfolgte im HRWeitEG zugunsten der Doktoranden, die nun – neben den Studierenden – eine eigenständige Mitgliedergruppe i.S.v. § 10 I LHG mit entsprechenden Wahl- und Vertretungsrechten in Senat und Fakultätsrat darstellen.
Einführung › III. Feinjustierung und Ausdifferenzierung › 3. Institutionelle Weiterentwicklungen
3. Institutionelle Weiterentwicklungen
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In institutioneller Hinsicht hat das Hochschulrecht die weiter vorangeschrittene Stärkung der wissenschaftlichen Stellung der früheren Fachhochschulen und teilweise auch der DHBW nachgezeichnet. Bereits mit Einführung des LHG 2005 fiel in den einzelnen Hochschulnamen der „Fach“-Zusatz weg; mit dem 3. HRÄG von 2014 wurde nun die ganze Hochschulart in „Hochschulen für angewandte Wissenschaften“ umbenannt und konsequenterweise der Begriff „Fachhochschule“ im LHG durchgängig ersetzt.[52] Die frühere Berufsakademie firmiert seit dem ZHFRUG von 2009 als Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW).
Diese weitere „Gleichstellung mit den wissenschaftlichen Hochschulen“[53] zeigt