b) Die Nachhaftung
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Ein Gesellschafter, der aus der BGB-Gesellschaft ausscheidet, haftet den Gläubigern der Gesellschaft auch nach seinem Ausscheiden persönlich mit seinem Privatvermögen für alle Verbindlichkeiten, die bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens entstanden sind. Die Ansprüche gegen die Gesellschafter verjähren nach deren Ausscheiden grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 736 Abs. 2 BGB und § 160 HGB nach fünf Jahren, soweit sie nicht einer kürzeren Verjährungsfrist unterliegen.
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Durch § 736 Abs. 2 BGB wird für die BGB-Gesellschaft die sinngemäße Geltung der für die Personenhandelsgesellschaften bestehenden Regelungen über die Begrenzung der Nachhaftung angeordnet. Damit gilt auch für Ansprüche gegen einen ausscheidenden BGB-Gesellschafter grundsätzlich die fünfjährige Ausschlussfrist gem. § 160 Abs. 1 HGB (vgl. dazu Rn. 383 ff.). Wegen der fehlenden Registerpublizität der BGB-Gesellschaft ist Anknüpfungspunkt hinsichtlich des Fristbeginns für die Enthaftung des ausscheidenden Gesellschafters die Kenntnis jedes einzelnen Gläubigers vom Ausscheiden des BGB-Gesellschafters. Die daraus resultierenden unterschiedlichen Enthaftungszeitpunkte müssen je nach Gläubigerkenntnis als Konsequenz der fehlenden Registerpublizität hingenommen werden[20].
Beispiel:
Aus einer Anwaltssozietät in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts scheidet S mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter aus Altersgründen mit Wirkung zum 31.12.2009 aus. Im Oktober 2009 hatte M aufgrund eines Vertrages mit der Gesellschaft deren Praxisräume renoviert. Wegen der noch nicht bezahlten Vergütung kann M aus § 631 BGB i. V. m. § 128 HGB analog, sowie § 736 Abs. 2 BGB und § 160 HGB Anfang des Jahres 2010 auch den S in Anspruch nehmen.
a) Überblick
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Der ausgeschiedene Gesellschafter erwirbt gegen die Gesellschaft nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB einen Anspruch auf dasjenige, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Ausscheidens liquidiert worden wäre. Darüber hinaus hat der Ausgeschiedene einen Anspruch darauf, dass die Gesellschaft ihn von den gemeinschaftlichen Schulden befreit (§ 738 Abs. 1 S. 2 BGB). Ggf. hat der Ausgeschiedene auch einen Anspruch auf die Erstellung einer Abschichtungsbilanz.
b) Der Anspruch auf Schuldbefreiung gem. § 738 Abs. 1 S. 2 BGB
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Der aus dem alten Gesamthandsmodell stammende Begriff der „gemeinschaftlichen Schulden“ in § 738 Abs. 1 S. 2 BGB passt nicht zu dem modernen Verständnis der Personen-Außengesellschaft. Gemeint sind die Gesellschaftsschulden. Das bedeutet, zu befreien ist der Ausscheidende nicht eigentlich von den Gesellschaftsschulden, sondern von seiner Gesellschafterhaftung, die ihn für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft im Außenverhältnis weiter haften lässt[21]. Der Anspruch aus § 738 Abs. 1 S. 2 BGB auf Schuldbefreiung richtet sich wie der Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft. Die Schuldbefreiung kann entweder durch Tilgung der Gesamthandsverbindlichkeiten seitens der Gesellschaft oder durch Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und den Gläubigern über die Entlassung des Ausgeschiedenen aus der Mithaftung erfolgen.
c) Der Anspruch auf Erstellung einer Abschichtungsbilanz
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Grundsätzlich kann der Ausgeschiedene zur Berechnung des Abfindungsanspruchs die Aufstellung einer „Abfindungsbilanz“ (Abrechnung) auf den Stichtag seines Ausscheidens verlangen, soweit sich eine solche nicht wegen der jeweiligen vertraglichen Abfindungsvereinbarung, wie z. B. einer Buchwertklausel, erübrigt[22]. Die Pflicht zur Aufstellung der Abschichtungsbilanz trifft die Gesellschaft. In der Gesellschaft ist der Geschäftsführer zur Erstellung der Bilanz verpflichtet[23].
d) Abfindungsanspruch oder Haftung für einen Fehlbetrag (§§ 738, 739 BGB)
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Ob der Ausgeschiedene einen Anspruch auf Zahlung einer Geldsumme als Abfindung gegen die Gesellschaft erworben hat oder die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch auf anteilige Zahlung eines Fehlbetrages, ergibt sich aus der zu erstellenden Abschichtungsbilanz.
Der aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausscheidende Gesellschafter ist gem. § 738 BGB grundsätzlich nach dem tatsächlichen Wert seines Anteils an der Gesellschaft abzufinden. Er erwirbt einen dementsprechenden Anspruch gegen die Gesellschaft. Sein Anteil am Gesellschaftsvermögen wächst den übrigen Gesellschaftern zu. Der Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen bemisst sich nach der Höhe des ihm im Falle der Liquidation zustehenden Auseinandersetzungsguthabens, das sich nach §§ 733, 734 BGB aus der Rückerstattung der Einlagen und dem entsprechenden Anteil des Überschusses zusammensetzt.
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Die Regelungen der §§ 738 bis 740 BGB gelten grundsätzlich für alle Personengesellschaften, also auch für die OHG (§ 105 Abs. 3 HGB) und die KG (§ 161 Abs. 2 HGB), da das HGB keine Sonderregelungen für die Auseinandersetzung zwischen ausscheidenden und verbleibenden Gesellschaftern trifft. Die Vorschriften der §§ 738 bis 740 BGB stellen dispositives Recht dar. Die Gesellschafter können also etwas anderes vereinbaren. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis häufig Gebrauch gemacht. Gesellschaftsvertraglich vereinbarte Abfindungsbeschränkungen, die in der Regel den Sinn haben, den Bestandsschutz der Gesellschaft durch Einschränkung des Kapitalabflusses zu gewährleisten oder die Berechnung des Abfindungsanspruches zu vereinfachen, sind grundsätzlich zulässig. Auch unter Berücksichtigung der genannten Zwecke können solche Beschränkungen allerdings nicht ohne Weiteres vorgenommen werden; sie unterliegen den Grenzen, die durch § 138 Abs. 1 BGB gezogen werden[24]. Nichtig sind insbesondere solche Vertragsgestaltungen, die von vornherein den später ausscheidenden Gesellschafter in sittenwidriger oder aus sonstigen Gründen gesetzlich missbilligter Weise benachteiligen[25]. Die persönliche und wirtschaftliche Freiheit des ausgeschiedenen Gesellschafters darf keiner objektiven Beschränkung unterliegen.[26]
Diese Grundsätze sind jedoch nur dann anzuwenden, wenn die betreffende Gesellschaft sich wirtschaftlich betätigt. Anderes gilt, wenn die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach ihrem Gesellschaftsvertrag einen rein ideellen Zweck verfolgt[27]. Denn die Beteiligung an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit ideeller Zielsetzung beruht in der Regel auf altruistischen Vorstellungen; die Vermehrung des eigenen Vermögens ist nicht beabsichtigt. Deshalb ist es den Gesellschaftern einer Gesellschaft mit ideeller Zielsetzung nicht verwehrt, einen Abfindungsanspruch auszuschließen[28].
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Lösung zu Fall 12:
M könnte gegen R einen Anspruch auf Zahlung von 12.700 € aus §§ 280, 31 (analog) BGB i. V. m. §§ 128, 130 HGB analog erworben haben.
Dass M einen Anspruch gegen die GbR aus §§ 280, 31 (analog) erworben hat, für den auch die Gesellschafter aus § 128 HGB analog haften, ist oben bei der Lösung zu Fall 9 bereits ausgeführt. Hier geht es nun darum, ob der in die GbR eingetretene Gesellschafter R auch für diejenigen Verbindlichkeiten haftet, die vor seinem Eintritt entstanden sind. Das BGB enthält keine einschlägige Vorschrift. Da das BGB-Gesellschaftsrecht die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters in § 736 Abs. 2 BGB mit Hinweis auf § 160 HGB ausdrücklich geregelt hat, könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass der eintretende Gesellschafter nicht für die vor seinem Eintritt entstandenen Verbindlichkeiten