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§ 707 BGB stellt dispositives Recht dar und kann deshalb durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen oder modifiziert werden. Allerdings muss aus der entsprechenden Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag eindeutig hervorgehen, dass über die eigentliche Einlageschuld hinausgehende Beitragspflichten begründet werden sollen[9]. Eine schlichte Mehrheitsklausel für Beschlüsse in einem Gesellschaftsvertrag bildet keine Legitimationsgrundlage für eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, durch die eine Nachschusspflicht eingeführt werden soll; zur Bindung des Betroffenen bedarf es seiner Zustimmung zur der nachträglichen Vermehrung der Beitragspflichten. Der Gesellschafterbeschluss einer Personengesellschaft, durch den eine Nachschusspflicht begründet werden soll, die im Gesellschaftsvertrag keine Grundlage hat, ist demjenigen Gesellschafter gegenüber, der seine Zustimmung nicht gegeben hat, unwirksam[10].
a) Die Begriffe Geschäftsführung und Vertretung
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Die Gesellschaft als solche kann nicht handeln. Deshalb müssen Gesellschafter (natürliche Personen) für sie tätig werden. Bei der Tätigkeit für die Gesellschaft unterscheidet das Gesetz zwischen Geschäftsführung und Vertretung.
Unter Geschäftsführung ist die auf die Verfolgung des Gesellschaftszweckes gerichtete Tätigkeit der Gesellschafter zu verstehen. Die Geschäftsführung kann bestehen in
– | rein tatsächlichen Handlungen und |
– | rechtsgeschäftlichen Handlungen. |
Beispiele
für tatsächliche Handlungen, die Geschäftsführungstätigkeiten darstellen: Die Leitung eines Unternehmens, das in der Form einer Handelsgesellschaft betrieben wird; das Aufstellen von Bilanzen; die Kontrolle der Arbeitnehmer im Betrieb.
Beispiele für rechtsgeschäftliches Handeln, das Geschäftsführungstätigkeit darstellt: Der Abschluss von Arbeitsverträgen mit dem Personal; der Abschluss von Kaufverträgen betreffend den Einkauf und Verkauf von Waren im Namen der Gesellschaft.
Die zuletzt geschilderten Handlungen stellen allerdings nicht nur Geschäftsführungstätigkeiten dar. Es handelt sich gleichzeitig um Vertretungsmaßnahmen. Unter Vertretungsmaßnahmen versteht man die rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die die Gesellschafter im Namen der Gesellschaft abgeben und entgegennehmen. Die Rechtsfolgen der Erklärungen treffen nach § 164 BGB die Gesellschaft, für die gehandelt wird und nicht die sie vertretenden Gesellschafter.
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Zur Geschäftsführung gehören solche Maßnahmen nicht, die die Beziehungen der Gesellschafter zueinander und damit die Grundlagen der Gesellschaft selbst berühren[11]. Änderungen des Gesellschaftsvertrages und die Auflösung der Gesellschaft sind deshalb keine Akte der Geschäftsführung. Wenn das Gesetz auch in den §§ 709 ff. BGB und §§ 714 ff. BGB zwischen Geschäftsführung und Vertretung unterscheidet, so bedeutet das nicht, dass Handlungen, die die Gesellschafter vornehmen, entweder eine Geschäftsführungsmaßnahme oder eine Vertretungshandlung sind. Häufig ist – wie oben bereits dargestellt – ein und dieselbe Handlung sowohl eine Geschäftsführungsmaßnahme als auch eine Vertretungshandlung.
Beispiel:
Stellt eine BGB-Gesellschaft eine Sekretärin ein, so ist der Abschluss des Arbeitsvertrages sowohl ein Akt der Geschäftsführung als auch eine Vertretungshandlung, die die Gesellschaft rechtsgeschäftlich bindet.
b) Die Geschäftsführung im Einzelnen
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Nach der gesetzlichen Regelung (§ 709 Abs. 1 BGB) steht die Geschäftsführung den Gesellschaftern in der Weise gemeinschaftlich zu, dass zu jeder Geschäftsführungsmaßnahme die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist (Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung).
Beispiel:
Die Entscheidung darüber, ob für eine aus 20 Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein PKW angeschafft werden soll oder nicht, darf nicht ein einzelner oder ein Teil der Gesellschafter allein treffen. Falls der Gesellschaftsvertrag im Hinblick auf die Geschäftsführung keine andere Regelung vorsieht, müssen nach § 709 Abs. 1 BGB alle 20 Gesellschafter ihre Zustimmung geben.
Die vom Gesetz als Regelfall vorgesehene Lösung bietet zwar dem einzelnen Gesellschafter einen weitgehenden Schutz, erweist sich aber bei größeren Gesellschafterzahlen als schwerfällig und wenig praktikabel.
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Das Gesetz räumt in den §§ 709 Abs. 2, 710 und 711 BGB Möglichkeiten ein, durch den Gesellschaftsvertrag andere Geschäftsführungsregelungen zu treffen, u. a. die folgenden:
– | alle Gesellschafter nehmen an der Geschäftsführung teil. Sind nicht alle Gesellschafter bereit, zu einer vorgesehenen Maßnahme der Geschäftsführung ihre Zustimmung zu erteilen, kann wegen des im Regelfall geltenden Einstimmigkeitsprinzips (§ 709 Abs. 1 BGB) die Maßnahme nicht durchgeführt werden. Allerdings kann nach § 709 Abs. 2 BGB das Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip ersetzt werden (siehe unten Rn. 90 f.). |
– | alle Gesellschafter sollen geschäftsführungsbefugt sein, aber jeder Gesellschafter ist berechtigt, allein zu handeln; allerdings kann auch jeder andere Gesellschafter der Geschäftsführungsmaßnahme mit der Wirkung widersprechen, dass das Geschäft unterbleiben muss (§ 711 BGB); nach h. M. hat dies jedoch auf die Vertretungsmacht (Außenverhältnis) keine Auswirkungen. |
– | die Führung der Geschäfte kann einem oder mehreren Gesellschaftern in der Weise übertragen werden, dass die übrigen von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind (§ 710 BGB) und ihnen auch kein Widerspruchsrecht gem. § 711 BGB zusteht[12]. |
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Verletzt ein Gesellschafter schuldhaft seine Geschäftsführungspflicht, so ist er der Gesellschaft aus Pflichtverletzung gem. § 280 BGB zum Schadenersatz verpflichtet. Der Haftungsmaßstab wird durch § 708 BGB bestimmt.
Nach § 712 BGB kann einem Gesellschafter die durch den Gesellschaftsvertrag übertragene Befugnis zur Geschäftsführung durch einen einstimmigen Beschluss oder, falls nach dem