Schrifttum:
Ulrich Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, 72017; Hans-Bernd Beus, Rechtsprobleme bei der Ausgestaltung der Raumordnung und Landesplanung als Entwicklungsplanung, Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen, Bd. 46, 1978; Walter Bielenberg/Peter Runkel/Willy Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Band 1 und 2 (Stand: März 2019); Werner Cholewa/Hartmut Dyong/Hans von der Heide/Willi Arenz, Raumordnung in Bund und Ländern, Kommentar, Band 1 bis 3, (Stand: Februar 2019); Wilfried Erbguth/Jörg Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 21992; Werner Ernst/Werner Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Raumplanungsrecht 21981; Elke Gurlit, § 8 Landesplanungsrecht, in: Hufen/Jutzi/Proelß, Landesrecht Rheinland-Pfalz, Studienbuch, 8 2018; Werner Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts, ausgewählte Veröffentlichungen, Zentralinstitut für Raumplanung in Münster, 1998; ders./Christian Bönker/Susan Grotefels, Öffentliches Baurecht – Raumordnungsrecht, Städtebaurecht, Bauordnungsrecht, 42010; Hans-Joachim Koch/Reinhard Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 52009; Jochen Schumacher/Klaus Werk/Juliane Albrecht, Raumordnungsgesetz, Kommentar, 22018; Willy Spannowsky/Peter Runkel/Konrad Goppel, Raumordnungsgesetz (ROG), Kommentar, 22018; Bernhard Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, Planung – Genehmigung – Rechtsschutz, 52015; Rainer Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung und Landesentwicklung, Band 1: Das Planungssystem der Landesplanung, Band 2: Die Konzepte der Siedlungsstruktur in den Planungssystemen der Länder, Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 341, 1978.
A. Einleitung – Grundbegriffe und die Bedeutung staatlicher Raumplanung
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In einem dicht besiedelten Industriestaat ist der Raum knapp und nicht vermehrbar. Staatliche Raumplanung ist somit unabdingbar, um ihn trotz der ständig wachsenden Anforderungen an die Bodennutzung optimal nutzen zu können. Auf Grund der Konkurrenz vielseitiger Raum- und Bodennutzungsinteressen ist es notwendig, dass ein fachübergreifender Moderator mögliche Kollisionen frühzeitig erkennt und raumrelevante Maßnahmen, Planungen und Entscheidungen aller Art koordiniert. Diese übergeordnete Teilaufgabe staatlicher Raumplanung übernimmt die moderne Raumordnung, die anhand verschiedener Leitprinzipien die Entwicklung des Gesamtraums fördern soll. Begrifflich lässt sich somit die staatliche Raumplanung in die raumbezogene Fach- und Gesamtplanung (Raumordnung) unterteilen[1], wobei weiterhin nicht von einer einheitlichen, trennscharfen Verwendung der verschiedenen raumordnungsrechtlichen Begriffe die Rede sein kann[2].
Dem Fachfremden mag Raumordnung abstrakt und konturlos erscheinen. Einerseits gleicht sie einer leidigen Last der planenden Kommunen, deren Entscheidungsspielräume in nicht zu unterschätzendem Maße eingeschränkt werden. So sind z.B. die Bauleitpläne nach § 1 Abs. 4 BauGB den Zielen der Raumordnung zwingend anzupassen[3]. Andererseits wird sie wegen ihrer höchst abstimmungs- und abwägungsbedürftigen Natur und der vergleichsweise geringen rechtlichen Bindungswirkung als das wirkungsschwächste Instrument der Raumordnungspolitik wahrgenommen[4], das den einleitend dargestellten Ansprüchen an einen umfassenden Ausgleich der divergierenden Raumnutzungsinteressen nicht gerecht wird. Wegen ihres hohen Abstraktionsgrades und langfristig-strategischen und konzeptionellen Charakters entzieht sie sich auch der Tagespolitik und wird nicht selten als „Buch mit sieben Siegeln[5]“ empfunden. Erschwerend kommt hinzu, dass der Begriff der Raumordnung trotz gesetzlicher Verwendung keine eindeutige gesetzliche Definition erfahren hat.
I. Abgrenzung zur Fach- und Bauleitplanung
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Abzugrenzen ist die Raumordnung zunächst von der Fachplanung – der zweiten Teilsäule staatlicher Raumplanung[6]. Diese gestaltet den Raum nur bezüglich eines bestimmten fachlichen Gesichtspunkts, indem sie z.B. Pläne zur Errichtung von Verkehrsanlagen oder Deponien aufstellt, Naturschutzgebiete festsetzt oder infrastrukturelle Planungen im Bereich der Bildung oder der medizinischen Versorgung betreibt[7]. Aufgabe der Raumordnung dagegen ist es, diese verschiedenen Fachplanungen und Maßnahmen aufeinander abzustimmen („Querschnittsplanung“[8]) und ein gesamträumliches Rahmenkonzept zu entwickeln[9]. Dies geschieht insbesondere durch so genannte Raumordnungspläne[10].
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Des Weiteren ist das Recht der Raumordnung von dem Bodenrecht i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG abzugrenzen, deren Hauptbestandteil die kommunale Bauleitplanung darstellt. Dem Grundsatz nach betrifft die Raumordnung Bereiche überörtlicher Planung, während die kommunale Bauleitplanung Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft regelt[11]. Dabei muss beachtet werden, dass beide Planungsarten jeweils nur verschiedene Stufen im selben System staatlicher Raumplanung sind. Die Regelungsmaterie von Raumordnungsplänen ist bloß allgemeinerer Natur und muss den Gemeinden hinreichenden Gestaltungsraum für eigene, substantiell gewichtige planerische Entscheidungen auf gemeindlicher Ebene belassen[12]. Das gesamte System der Raumordnung im Sinne einer raumbezogenen, überfachlichen Gesamtplanung lässt sich dabei in drei Planungsstufen, nämlich in
1. | die Bundesraumordnung, |
2. | die Landesplanung[13], welche den Gesamtraum des Bundeslandes zum Gegenstand hat, und |
3. | die Regionalplanung, die sich auf eine Teilfläche des Bundeslandes bezieht, jedoch größer ist als eine der Bauleitplanung unterliegenden Einheit, |
einteilen.
Erst als vierte Planungsstufe kommt die – nicht zur Raumordnung gehörende – kommunale Bauleitplanung hinzu[14]. Da sich alle diese Planungsstufen teilweise auf den gleichen Raum beziehen, ist es notwendig, sie durch ein geschlossenes Rechtssystem aufeinander abzustimmen, was durch das Raumordnungsgesetz des Bundes, die Landesplanungsgesetze der Länder und das Baugesetzbuch geschieht.
Eine übergeordnete und allgemeine Raumplanung auf europäischer Ebene ist dagegen noch nicht vorhanden, auch wenn sie in den letzten Jahrzehnten zunehmend in den Fokus der zuständigen Akteure rückte, welche die Notwendigkeit einer europäischen Raumentwicklung erkannten[15]. Immerhin besteht mit dem Europäischen Raumentwicklungskonzept (EUREK)[16] ein zwar rechtlich unverbindlicher, aber wegen des damit verbundenen Mittelflusses faktisch prägender Rahmen für den Binnenraum der EU.
II. Definition der Raumordnung
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Aus den Abgrenzungen zur Fachplanung und kommunalen Bauleitplanung lässt sich schließlich Raumordnung – in Anlehnung an das Baurechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1954 – als zusammenfassende, überörtliche und überfachliche Ordnung des Raums auf Grund von vorgegebenen oder erst zu entwickelnden Leitvorstellungen begreifen[17]: Sie ist wie bereits dargelegt überfachlich, da sie sich nicht auf einzelne Sachbereiche – wie etwa Straßenbau, Landwirtschaft, Industrie oder Bildungswesen – beschränkt, sondern auf eine Gesamtstruktur ausgerichtet ist. Zusammenfassend ist sie, da die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse und die unterschiedlichen raumbedeutsamen Maßnahmen der verschiedenen Träger öffentlicher Gewalt koordinierend aufeinander abgestimmt und die Rahmen abgesteckt werden, innerhalb derer sich die Fach- und Ortsplanung entfalten können.
Mit dieser Definition enthält die Raumordnung ein statisches und ein dynamisches Element. Sie bezieht sich zum einen auf einen bestimmten „natürlichen“ oder auf einen noch zu schaffenden „idealen“ Zustand des Raums. Zum anderen ist sie insoweit dynamisch,