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Nicht entscheidend ist, ob der Täter tatsächlich Einfluss auf den Eintritt des Übels hat, mit welchem er droht, er muss dies nur vorgeben.[150] Ferner ist hier – wie auch bei § 240 StGB – die Drohung abzugrenzen von der bloßen Warnung.[151] Es reicht also nicht aus, wenn der Täter dem Opfer mitteilt, dass Dritte ihm ein Übel zufügen werden. Erforderlich ist, dass er vorgibt, er selbst könne diese Übelszufügung durch Dritte bei Nichterfüllung seiner Forderungen veranlassen, und dass er dies auch wolle.[152] Keine Drohung (insoweit: mit einem Unterlassen) liegt hingegen vor, wenn der Täter dem Opfer von einer bevorstehenden Übelszufügung durch Dritte berichtet und vorgibt, diese Übelszufügung stoppen zu können, wenn das Opfer auf seine Forderungen eingeht.[153]
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Normalerweise verknüpft der Erpresser seine Drohung damit, dass sich das Opfer durch die Erfüllung seiner Forderungen „freikaufen“ kann. Geht dagegen ausnahmsweise einmal die Initiative vom Opfer aus, etwa wenn das Opfer eine Zahlung anbietet, um so einer bedrohlichen Situation zu entgehen, scheidet § 253 StGB aus.[154]
3. Der Nötigungserfolg
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Als besonderen Nötigungserfolg muss der Täter das Opfer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigen. Auch diese Elemente entsprechen denjenigen der Nötigung, § 240 StGB, sodass an dieser Stelle auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.[155] Hinzuweisen ist lediglich darauf, dass der Genötigte (nach dem Wortlaut des Gesetzes: ein „Mensch“) eine natürliche Person sein muss. Es genügt also nicht, wenn lediglich festgestellt wird, dass sich die Nötigung gegen eine juristische Person als solche gerichtet hat.[156] Andererseits kann sich die Erpressung aber auch gegen eine Mehrheit von Personen richten, sofern sich innerhalb eines bestimmten Personenkreises mehrere Personen durch die Drohung betroffen fühlen (sollen).[157] Eine solche Individualisierung ist jedoch stets erforderlich.
4. Die Vermögensverfügung
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Wie oben herausgearbeitet,[158] bedarf es – im Gegensatz zur Ansicht der Rechtsprechung – zur sinnvollen Abgrenzung von Raub, § 249 StGB, und (räuberischer) Erpressung, §§ 253, 255 StGB, einer Vermögensverfügung des Genötigten. Diese ist abzugrenzen von der Wegnahme, die zu einer Strafbarkeit wegen Raubes, § 249 StGB, führt. Diese Abgrenzung wird von der Rechtsprechung derart vorgenommen, dass allein auf das äußere Erscheinungsbild abgestellt wird. Gibt das Opfer dem Täter die Sache, liegt eine (räuberische) Erpressung vor, nimmt sich der Täter hingegen die Sache, ist hierin eine Wegnahme zu sehen und ein Raub scheidet aus.[159] Diese Abgrenzung hat den Vorteil der Klarheit, basiert aber auf der Grundannahme der Rechtsprechung, die Erpressung sei als Grundtatbestand des Raubes anzusehen, womit ein „lückenloser“ Strafrechtsschutz gewährleistet sei.[160] Denn folgt man dieser Grundannahme, hat die Zuordnung eines Verhaltens als Raub oder (räuberische) Erpressung letztlich keine Konsequenzen, da stets ein vergleichbarer Tatbestand verwirklicht ist und die gleiche Strafe verhängt werden kann. Mehr Mühe auf die Abgrenzung muss man hingegen verwenden, wenn man, wie hier vorgeschlagen, für die (räuberische) Erpressung eine Vermögensverfügung fordert. Hier ist eine wertende Abgrenzung der Merkmale „Wegnahme“ und „Vermögensverfügung“ unter dem Aspekt der (bewussten) Selbstschädigung erforderlich, wie sie auch bei der Abgrenzung von Trickdiebstahl und Betrug[161] erfolgt. Insoweit entspricht die Vermögensverfügung bei § 253 StGB derjenigen des § 263 StGB.[162]
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Die konkreten Anforderungen, die an eine Wegnahme bzw. eine Vermögensverfügung zu stellen sind, sind dabei umstritten. Im Ergebnis ist eine Wegnahme dann anzunehmen, wenn es in der Zwangslage subjektiv für den Genötigten gleichgültig ist, wie er sich verhält, da die Sache unabhängig von seiner Mitwirkung dem Zugriff des Täters preisgegeben ist, eine Gewahrsamsübertragung also nicht zwingend seiner Mitwirkung bedarf.[163] Denn bleibt dem Opfer letztlich keine Wahl, bzw. kann er den Verlust des Gegenstandes ohnehin nicht verhindern, kann von einer (bewussten) Selbstschädigung, wie sie der Betrug oder die Erpressung nach der hier vertretenen Ansicht voraussetzen, nicht gesprochen werden. Eine Vermögensverfügung liegt hingegen vor, wenn das Opfer davon ausgeht, dass seine Mitwirkung zwingend erforderlich ist und durch die Inkaufnahme der angedrohten Repressalien der Vermögensnachteil abgewendet werden könnte. Insoweit liegt auch bei der Hingabe einer Sache eine Wegnahme (und keine Vermögensverfügung) vor, wenn es in der Zwangslage subjektiv für den Genötigten gleichgültig ist, wie er sich verhält, d.h. dass die Sache unabhängig von seiner Mitwirkung dem Zugriff des Täters preisgegeben ist. Andere stellen hingegen für die Annahme einer Erpressung darauf ab, ob das Opfer willentlich, d.h. mit seinem faktischen Einverständnis den Gewahrsam überträgt.[164] Dies ist aber problematisch, denn die Konstruktion eines wenn auch nur „faktischen“ Einverständnisses wirkt unnatürlich, da kaum einmal ein Opfer mit dem Vermögensverlust „einverstanden“ sein wird. Insoweit ist also für eine Vermögensverfügung darauf abzustellen, dass das Opfer den betreffenden Gegenstand in dem Wissen überträgt, dass es auf seine Mitwirkung gerade ankommt, das Opfer also eine Wahlmöglichkeit hat: Entweder es gibt dem Druck des Erpressers nach und verliert dadurch den Vermögensgegenstand oder es hält dem Druck des Erpressers stand, erträgt das angedrohte Übel und kann dadurch aber den Vermögensgegenstand behalten.
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Wenn in diesem Zusammenhang oft von einer „freiwilligen“ Vermögensverfügung des Opfers gesprochen wird, ist die „Freiwilligkeit“ im gerade genannten Sinne zu verstehen. Treffender wäre es freilich, hier von einer „willentlichen“ Vermögensverfügung zu sprechen,[165] denn der Begriff der „Freiwilligkeit“ scheidet in anderen Bereichen der Rechtsordnung, insbesondere bei der rechtfertigenden Einwilligung, gerade auch in denjenigen Fällen aus, in denen der Betreffende unter Drohung oder Zwang handelt.
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Die Abgrenzung soll an einem Beispiel verdeutlicht werden:[166] Wenn der Täter seinem Opfer eine Waffe an die Schläfe hält und damit droht, es umzubringen, wenn er von ihm kein Geld erhalte, so liegt stets ein Raub vor, wenn der Täter den Erhalt des sich in der Manteltasche des Opfers befindenden Geldbeutels erstrebt. Hier kann nämlich das Opfer den Verlust des Geldbeutels letztlich nicht verhindern, denn wird der Geldbeutel nicht herausgegeben, ist es für den Täter problemlos möglich, sich den Geldbeutel selbst herauszunehmen. Insoweit liegt also auch bei einer Herausgabe, d.h. einem „Geben“, keine „freiwillige“, d.h. willentliche Vermögensverfügung vor. Die Rechtsprechung würde hier, da sie nur auf den Akt des Gebens oder Nehmens abstellt, bei einer unter Zwang bewirkten Herausgabe zu einer räuberischen Erpressung gelangen. Anders liegt hingegen der Fall, wenn der Täter vom Opfer verlangt, den Safe