96
Dem Betriebsrat stehen dann die Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG in Bezug auf die geplante Betriebsspaltung und deren Rechtsfolgen zu. Auf den Betriebsteilübergang i.S.d. § 613a BGB beziehen sich seine Beteiligungsrechte aber nicht.[21]
97
Beispiel:
So kann der Betriebsrat in der vorliegenden Fallkonstellation insbesondere nicht auf dem Umweg über einen Sozialplan gemäß § 112 BetrVG erzwingen, dass die Rechtsfolgen des Betriebsteilübergangs i.S.d. § 613a BGB beseitigt werden, z.B. ein infolge des Betriebsteilübergangs eingetretener Tarifwechsel. Sein Beteiligungsrecht besteht insoweit lediglich in Bezug auf die Folgen der Betriebsänderung und nicht in Bezug auf die des Betriebsteilübergangs.[22] Die bloße Betriebsspaltung hat aber nicht zum Tarifwechsel geführt, sondern ausschließlich der Rechtsträgerwechsel. Seine Rechtsfolgen sind kein zulässiger Gegenstand eines erzwingbaren Sozialplans. In Betracht kommt allenfalls ein freiwilliger Sozialplan.
98
Praxistipp:
Das Beteiligungsrecht steht dem Betriebsrat nur gegenüber dem Unternehmer zu, der die Betriebsänderung plant.[23] Dies gilt auch dann, wenn sich der planende Betriebsveräußerer nach einem Konzept des geplanten Betriebserwerbers richtet.[24] Plant umgekehrt nur der Betriebserwerber eine Betriebsänderung nach dem Erwerb, stehen dem Betriebsrat die Beteiligungsrechte nur ihm gegenüber – und zwar erst nach dem Erwerb – zu.[25]
99
Einflussnahmemöglichkeiten der Arbeitnehmer selbst bestehen in derartigen Fällen – wie vorstehend skizziert – vor allem in Form der Ablehnung von Vertragsangeboten bzw. einer (konzertierten) Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB (soweit es besteht, vgl. Rn. 28 ff.).
2. Spaltung in Anlage- und Betriebsgesellschaft
100
Eine Betriebsänderung liegt – entgegen einer verbreiteten Assoziation – nicht notwendig im Zusammenhang mit einer Spaltung eines Unternehmens in eine Anlage- und eine Betriebsgesellschaft i.S.d. § 134 UmwG vor. Sie scheidet vielmehr dann aus, wenn die Spaltung des Rechtsträgers nicht mit einer Betriebsspaltung i.S.d. § 111 BetrVG verbunden wird.
101
Beispiel:
Dies ist z.B. dann nicht der Fall, wenn die Anlagegesellschaft lediglich das Eigentum am Betriebsvermögen erhält, aber keinen Betriebsteil zurückbehält, weil der arbeitsrechtliche Betrieb im Zusammenhang mit der Spaltung nach § 123 UmwG auf die Betriebsgesellschaft übertragen wird, welche die Betriebsmittel z.B. pachtet.
102
Gleiches gilt bei der „Aufspaltung“ eines Unternehmens in Besitz- und Produktionsgesellschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge, sofern sie nicht mit einer Betriebsspaltung kombiniert wird.[26] Der damit möglicherweise verbundenen Gefährdung von Arbeitnehmeransprüchen kann nicht mit den Mitteln des BetrVG begegnet werden.[27] Auch eine analoge Anwendung von § 134 UmwG kommt nicht in Betracht.[28]
103
Erst dann, wenn laut Planung des zuständigen Unternehmers auch eine Betriebsspaltung erfolgen soll, greifen ihm gegenüber die Mitbestimmungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG ein.
104
Einflussnahmemöglichkeiten der Arbeitnehmer selbst bestehen in derartigen Fällen wiederum – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – vor allem in Form der Ablehnung von Vertragsangeboten bzw. einer (konzertierten) Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB (soweit es besteht, vgl. Rn. 28 ff.).
3. Neugründung/Eingliederung von Betrieb(steil)en beim Erwerber (Insourcing)
105
Da auch der Zusammenschluss von Betrieben und Betriebsteilen, der in Form der Eingliederung oder Neugründung (auch als gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen [vgl. § 1 Abs. 2 BetrVG]) erfolgen kann, eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG bedeutet,[29] sofern er nicht nur fiktiv kraft einer Vereinbarung nach § 3 BetrVG erfolgt (vgl. oben Rn. 54), kommen hier ebenfalls die Mitbestimmungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG in Bezug auf den zuständigen Unternehmer zum Tragen. Auf die Rechtsfolgen des § 613a BGB erstrecken sie sich wiederum nicht (vgl. oben Rn. 96 ff.).
106
Beispiel:
In der Praxis kommt dies sowohl im Zusammenhang mit der Etablierung von Spartenorganisationen (vgl. oben Rn. 50 ff.) oder beim Insourcing vor. Letzteres ist z.B. dann denkbar, wenn ein Automobilhersteller den Betrieb eines Zulieferers für Elektronikbausteine erwirbt und diesen Betrieb organisatorisch in seinen – deutlich größeren – Produktionsbetrieb eingliedert. Für die Mitarbeiter des Subunternehmers bestehen dann die oben skizzierten Einflussnahmemöglichkeiten.
4. Shop-in-Shop-Modelle/Leiharbeit
107
Nicht jede Form der Zusammenarbeit ist aber mit einer Betriebsänderung verbunden. Von der Gründung eines Gemeinschaftsbetriebs (die eine Betriebsänderung wäre) sind z.B. sog. „Shop in Shop“-Produktionen zu unterscheiden, bei denen einzelne Verarbeitungsschritte – in der Regel aus logistischen Gründen – durch rechtlich und organisatorisch selbstständige Einheiten eines Drittunternehmens unmittelbar beim Hersteller des Endprodukts verrichtet werden.[30] Da insoweit keine Veränderung der Leitungsstrukturen in Bezug auf die jeweilige Organisationseinheit und auch kein Rechtsträgerwechsel erfolgen, scheiden sowohl eine Betriebsänderung[31] als auch ein Betriebsübergang aus.
108
Praxistipp:
Dieselben Grundsätze gelten auch für „Store-in-Store“-Modelle in Einkaufszentren.[32]
109
Dass nicht einmal eine Eingliederung in die fachliche Leitungsstruktur beim Hersteller des Endprodukts erfolgt, unterscheidet derartige Modelle von der Leiharbeit.[33] Der Einsatz von Leiharbeitnehmern ist allerdings für sich genommen ebenfalls keine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG.[34]
5. Betriebsveräußerung mit Personalabbau
110
Da eine Betriebsänderung auch in einem reinen Personalabbau liegen kann (vgl. § 112a BetrVG), der anlässlich eines Rechtsträgerwechsels aufgrund eines Veräußerer-[35] oder Erwerberkonzepts[36] geplant wird, sind auch insoweit Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG denkbar,[37] während für die Arbeitnehmer selbst erneut nur, aber immerhin, die vorstehend skizzierten Einflussnahmemöglichkeiten bestehen (vgl Rn. 99).
111
Die für sich genommen mitbestimmungsfreie Übertragung eines Betriebs auf einen anderen Rechtsträger kann – gerade mit Blick auf die Einflussnahmemöglichkeiten der Arbeitnehmern selbst – allerdings unfreiwillig in eine Betriebsänderung i.S.d. § 111