Hintergrund der tatbestandlichen Erweiterung war, dass zuvor böswillige Karikaturen und Beschimpfungen nicht unter den Tatbestand der Gotteslästerung oder anderer Strafgesetze subsumiert und daher nicht sanktioniert werden konnten.283 Ferner stellt seit der Reform die Propagierung von Überzeugungen und Glaubensinhalten, die im Widerspruch zum katholischen Glauben stehen, ein schweres Vergehen dar, soweit der Aufruf während der Arbeitszeit erfolgt oder ein dienstlicher Zusammenhang besteht. In diesem Sinne tatbestandlich könnte auch das Tragen eines Kopftuchs während der Arbeitszeit sein, da der 5. Senat des BAG284 in einem solchen Verhalten bereits eine nicht hinzunehmende Glaubensbekundung für eine andere Religion erkannt hat.285
Hinsichtlich ihrer katholischen Mitarbeiter stellt die katholische Kirche in Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 GrOkathK n.F. nach wie vor andere Anforderungen als an ihre übrigen Mitarbeiter: Der Austritt aus der katholischen Kirche (Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) GrOkathK n.F.) sowie der Abfall vom katholischen Glauben (Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) GrOkathK n.F.) bleiben nach katholischem Selbstverständnis schwere Treuebrüche. Da § 5 Abs. 2 S. 1 EKD-RL keinen Grund zur Kündigung annimmt, wenn der betreffende Arbeitnehmer in eine andere Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen oder der Evangelischen Freikirchen eintritt, spricht sich ein Teil der Literatur unter dem Gesichtspunkt der Ökumene für eine entsprechende Auslegung des Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) GrOkathK aus.286
Eine auffällige Neuerung ist, dass die kirchenrechtlich unzulässige Zivilehe gem. Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. c) GrokathK nur dann einen schweren Loyalitätsverstoß darstellt, wenn sie „objektiv geeignet“ ist, nach den konkreten Umständen „ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis“ hervorzurufen und eine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit der Kirche droht. Neu ist auch, dass die Anforderung an die kirchenrechtliche Gültigkeit der Ehe ausdrücklich nur noch für katholische Mitarbeiter gilt und auch hier kumulativ die Interessen der Kirche und der Dienstgemeinschaft bzw. des beruflichen Wirkkreises betroffen sein müssen. Ob der ungültige Eheschluss ein „öffentliches Ärgernis“ i.S.v. Art. 5 Abs. 5 S. 2 GrOkathK a.F. erregt, ist dagegen nunmehr unerheblich. Die Gefährdungseignung des Loyalitätsverstoßes wird bei pastoral oder katechetisch tätigen Mitarbeitern und solchen, die aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung beschäftigt werden, unwiderlegbar vermutet. Leitende Angestellte oder Personen im erzieherischen Dienst werden vom Wortlaut der Vorschrift nicht mehr erfasst.
Das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft stellt für katholische Mitarbeiter in Form der praktizierten Homosexualität einen Loyalitätsverstoß i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. d) GrOkathK n.F. dar.287 Die Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft wurde in den Katalog der schweren Loyalitätsverstöße gem. Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. d) GrOkathK n.F aufgenommen und der Eingehung einer ungültigen Ehe gleichgestellt. Die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Zivilehe dürfte bereits unter Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. c) GrOkathK n.F. fallen, da die Kirchenrechtslehre homosexuell veranlagten Personen die zur Ehegültigkeit erforderliche Ehefähigkeit abspricht.288
(bb) Reformierung der Rechtsfolgen schwerer Loyalitätsobliegenheitsverstöße
Vor jeder Kündigung aufgrund von Verstößen gegen die Loyalitätsanforderungen der katholischen Kirche ist nach der Reform vom 27. April 2015 im Grundsatz eine Interessenabwägung vorzunehmen (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GrOkathK n.F.). Dem Selbstverständnis der Kirche ist bei der Abwägung der Einzelfallumstände „ein besonderes Gewicht“ beizumessen. Die Interessen der Kirche überwiegen die Interessen des betroffenen Mitarbeiters jedoch nicht „prinzipiell“ (Art. 5 Abs. 3 S. 2 GrOkathK n.F.). Die Umstände, die in der Interessenabwägung gem. Art. 5 Abs. 3 S. 3 GrOkathK n.F. zu berücksichtigen sind, unterscheiden sich von denen des Art. 5 Abs. 3 GrOkathK a.F. Nunmehr orientiert sich die Abwägung an Gesichtspunkten, die eine gewisse Ähnlichkeit zur Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung (§ 1 Abs. 3 S. 1 KSchG) aufweisen. Neben dem Bewusstsein des Arbeitnehmers für die begangene Loyalitätsverletzung sind das Interesse an der Wahrung des Arbeitsplatzes, das Alter, die Beschäftigungsdauer und die Aussichten auf eine neue Beschäftigung zu berücksichtigen.
Im Hinblick auf Mitarbeiter im pastoralen oder katechetischen Dienst sowie Mitarbeiter, die für eine Missio canonica oder aufgrund eines schriftlich erteilten, bischöflichen Auftrags tätig sind, schließt ein Verstoß nach Art. 5 Abs. 2 GrOkathK n.F. zwar grundsätzlich eine Weiterbeschäftigung aus (Art. 5 Abs. 3 S. 4 GrOkathK n.F.), allerdings erfolgt eine Prüfung auf eine Ausnahmeregelung in besonderen Härtefällen (Art. 5 Abs. 3 S. 5 GrOkathK n.F). „Gleiches gilt“ für den Fall des Austritts aus der katholischen Kirche (Art. 5 Abs. 3 S. 6 GrOkathK n.F.). An Mitarbeiter in leitender Funktion wird nach der Reformierung, anders als im Art. 5 Abs. 3 GrOkathK a.F., kein vergleichbar strenger Maßstab mehr angelegt.
Aufgrund der Überarbeitung des Tatbestandes des Kirchenaustritts im Jahr 2015 und der nunmehr stets erforderlichen Durchführung einer Interessenabwägung dürfte der Streit289 über den Kirchenaustritt als absolutem Kündigungsgrund an Bedeutung verloren haben. Ausgehend von ihrem Selbstbestimmungsrecht erkennt die Kirche nach hier vertretener Auffassung durch die Neuformulierung an, dass der Kirchenaustritt nicht in jedem Fall eine Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen muss. Denn für die Annahme, die Interessenabwägung sei nur „pro forma“ aufgenommen worden und das Interesse der Kirche solle in jedem Fall überwiegen, bestehen keine Anhaltspunkte.
(cc) Reformierung des Kündigungsverfahrens
Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung soll gem. Art. 5 Abs. 4 S. 3 GrOkathK n.F. vor jeder beabsichtigten Kündigung wegen Verstößen nach Art. 5 Abs. 2 GrOkathK die Stellungnahme eines seitens der Diözesen beauftragten, im kirchlichen und weltlichen Arbeitsrecht erprobten Volljuristen eingeholt werden, der selbst der katholischen Kirche angehört (Art. 5 Abs. 4 S. 2 GrOkathK). Gem. Art. 5 Abs. 4 S. 4 GrOkathK ist die Einholung der Stellungnahme allerdings ausdrücklich keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Eine Rechtsfolge für den Fall des Unterlassens der Einholung einer Stellungnahme dieser „zentralen Stelle“ benennt die Grundordnung nicht. Art. 5 Abs. 5 GrOkathK n.F. sieht schließlich die turnusmäßige Prüfung der Loyalitätsanforderungen hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit durch den Verband der Diözesen Deutschlands vor.
b) Evangelische Kirche
Die evangelische Kirche hat ihre Loyalitätsanforderungen für den kirchlichen Dienst im Wege einer Richtlinie kodifiziert, für die eine Ermächtigung in Art. 9 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland besteht. Die evangelische Loyalitätsrichtlinie bedarf zu ihrer unmittelbaren Wirksamkeit der landeskirchlichen Transformation, da es sich hierbei nicht um ein Kirchengesetz i.S.d. § 10a Abs. 2 der Grundordnung der evangelischen Kirchen Deutschland handelt.290 § 1 S. 2 der EKD-RL empfiehlt den Gliedkirchen und diakonischen Werken lediglich, ihre Regelungen auf Grundlage der Richtlinie zu treffen. Daher existiert für die evangelische Kirche in Deutschland dem Grunde nach keine einheitliche Regelung von Loyalitätsobliegenheiten.291
aa) Grundlagen des kirchlichen Dienstes
Der kirchliche Dienst in der evangelischen Kirche ist gem. § 2 Abs. 1 EKD-RL auf die Bezeugung