C. Regelungen für Recht und Gericht
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Für dieses Werk sind in Abgrenzung zu Commercial „Soft Law“ und „Material Law“ mit „Hard Law“ diejenigen Regelungen gemeint, die etwa auf nationaler oder völkerrechtlicher Basis auf internationale Kauf-, Liefer- und Vertriebsverträge Einfluss nehmen. Daneben gibt es noch das „Procedural Law“, das ebenfalls auf nationaler oder völkerrechtlicher Basis die Zuständigkeit von Gerichten sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen sortiert.
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„Soft Law“ betrifft für dieses Werk hingegen Regelwerkstypen und sonstige Dokumente, die sowohl von intergouvernementalen Organisationen (IGOs) als auch von nichtgouvernementalen Organisationen (NGOs) entwickelt oder gesammelt werden.16 Dabei handelt es sich zumeist um Regelungen, die nur von Bedeutung sind, wenn die Parteien ihre Anwendbarkeit gewählt haben (wobei auch dann fraglich ist, inwieweit solches Soft Law maßgeblich ist, da vielfach die Auffassung vertreten wird, die Parteien könnten nur staatliches Recht als anwendbares materielles Recht wählen) – nur ganz vereinzelt wird es in anderen Fällen darauf ankommen.
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Weiterer inhaltlicher Einfluss kommt hingegen vom kollisionsrechtlich anwendbaren nationalen Recht oder vom UN-Übereinkommen zum Warenkauf (auch genannt: UN-Kaufrecht oder Wiener Kaufrecht oder CISG – Convention on the International Sale of Goods). Diese nationalen Regelungen oder internationalen Rechtsquellen materiellen Inhalts werden hier als „Material Law“ bezeichnet. Wohl gemerkt gibt es außer dem UN-Kaufrecht (noch) keine internationalen materiellen Regelungen zum Kauf (allenfalls Entwürfe, wie z.B. zum einheitlichen europäischen Kaufrecht17); es gilt also immer irgendein nationales Recht (eventuell ergänzend zum UN-Kaufrecht).
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Auf der Ebene der Europäischen Union wurde in den letzten Jahren intensiv an neuen Soft- und Material-Law-Regelungen gearbeitet. Bereits seit Ende der achtziger Jahre wurde ein gemeinsamer europäischer Rechtsbestand (Principles of European Contract Law – PECL, dazu siehe unten Rn. 50) durch die Lando Commission gesammelt. Dann wurde eine Expertengruppe mit der Ausarbeitung eines gemeinsamen (unverbindlichen) Referenzrahmens (Draft Common Frame of Reference) beauftragt (siehe unten Rn. 53). Beide Instrumente sind dem Soft Law zuzuordnen. Im Jahre 2011 wurde der Entwurf eines gemeinsamen europäischen Kaufrechts vorgelegt, das einheitliches, optional geltendes materielles Recht darstellen sollte, aber 2014 wieder zurückgezogen wurde. Vielleicht kann man die Warenkauf-Richtlinie (nicht amtliche Abk.: WKRL) also die Richtlinie (EU) 2019/771, (engl.: concerning contracts for the sale of goods Directive) als aktuelles Ergebnis der Bemühungen sehen (dazu unten Rn. 197 und 200). Ob es Vereinheitlichungen auch in anderen Bereichen, also etwa im unternehmerischen Geschäftsverkehr geben wird, erscheint fraglich. Lange erschien eine Harmonisierung von Civil Law auf Basis des Code Napoleon und des Common Law des British Empire schwierig – ob sich das nach dem Brexit einfacher darstellt, wird man sehen.
16 Nach Kronke, in: Kronke/Melis/Kuhn, Teil A, Rn. 2. 17 Vorschlag der Europäischen Kommission v. 11.10.2011, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52011PC0635.
I. „Hard Law“
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Das internationale Kauf-, Liefer- und Vertriebsrecht betrifft den Austausch von Waren und Dienstleistungen. Dazu verfolgen Statten mitunter handelspolitische, außenpolitische oder sicherheitspolitische Ziele. Hierzu gehören etwa Beschränkungen gegenüber einzelnen Ländern in Form von Embargos und Wirtschaftssanktionen.
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Hinsichtlich der Rechtsquellen dazu sind supranationale Regelungen und nationale Regelungen zu unterscheiden. Beide Arten haben aber nur mittelbare Einflüsse auf Verträge; sie beinhalten Regelungen zum Warenverkehr zwischen Staaten, nicht zwischen Vertragsparteien.
1. Supranationale Regelungen
a) WTO, GATT, GATS, TRIPS
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Völkerrechtliche Vorgaben für außenhandelspolitisch motivierte Eingriffe in den Außenhandelsverkehr enthalten vor allem die durch die World Trade Organisation (WTO) verwalteten Abkommen. Die WTO wurde am 1.1.1995 gegründet und hat über 160 Mitglieder, die 98 % des Welthandels repräsentieren Deutschland ist neben der Europäischen Gemeinschaft Gründungsmitglied.18 Zweck der WTO ist eine schrittweise Liberalisierung des internationalen Wirtschaftsverkehrs, die auf fünf Handelsprinzipien beruht:
– Inländergleichbehandlung, d.h. ausländische Warenlieferungen und Dienstleistungen sowie deren Anbieter sollen keinen strengeren inländischen Regelungen unterworfen werden, als sie für gleichartige Angebote und Anbieter inländischen Ursprungs gelten;
– Meistbegünstigung, d.h. ein Mitgliedstaat soll die Handelsvorteile, die er einem anderen Land gewährt, auch allen anderen Mitgliedstaaten einräumen;
– Verbot von mengenmäßigen Handelsbeschränkungen, d.h. Quoten oder Kontingente sollten unterbleiben, zudem sollen Zölle zunehmend abgebaut werden;
– Nicht-Diskriminierungsgebot, d.h. Ein- und Ausfuhrbeschränkungen, die aufgrund von Ausnahmebestimmungen noch zulässig sind, sollen nicht im Verhältnis zu verschiedenen Mitgliedstaaten diskriminatorisch angewandt werden;
– Transparenzgebot, d.h. zu einschlägigen Vorschriften soll stets Zugang gewährt werden.
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Die vorstehenden Grundsätze sind im allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT = General Agreements on Tarifs and Trade) niedergelegt, welches in die WTO integriert wurde. Weitere Abkommen der WTO sind GATS (General Agreement on Trade in Services) sowie TRIPS (Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights). Die WTO hat eine eigene Streitschlichtungsstelle (DSB), die aber seit Dezember 2019 mangels ausreichender Anzahl von Schiedsrichtern handlungsunfähig ist (bis zum Abschluss der Arbeiten an dem Manuskript); wohl wurde die Nachbesetzung gezielt von den USA unter der Regierung Trump behindert.
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Die WTO ist keine Freihandelsorganisation (dazu sogleich). Maßnahmen zum Schutz der nationalen Wirtschaft wie etwa Zölle sind nicht unzulässig; sie dürfen aber nicht diskriminatorisch angewandt werden.
b) Freihandelsabkommen und -zonen
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Freihandelszonen dienen dem zollfreien (tariffreien) Handel sowie der Vermeidung von nichttarifären Handelshemmnissen (wie Exportbeschränkungen, Importquoten, Embargos, nationale Normen, Subventionen, staatliche Beteiligungen an Unternehmen, Einsatz von Patentrechten, Umgang mit ausländischen Investitionen etc.) zwischen den Vertragspartnern des Freihandelsabkommens. Die Inhalte der Abkommen werden tendenziell immer „moderner“, d.h. sie gehen immer mehr über den bloßen Abbau von Zöllen hinaus.
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Freihandelsabkommen (Free Trade Agreements oder FTA) oder andere multilaterale Abkommen lassen Freihandelszonen entstehen. Sie haben – anders als eine Zollunion – keine einheitlichen Zölle gegenüber Drittstatten und brauchen zur Verhinderung von Verkehrs-, Produktionsverlagerungen (zur Ausnutzung unterschiedlicher Zölle) und Wettbewerbsverfälschungen Ursprungsregeln („Preferential“- und „Non-Preferential“-Rules of Origin).