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Mit den technischen Vorbereitungen, die der Lizenznehmer für die Herstellung trifft, hat er noch nicht alles getan, um den Absatz der Erzeugnisse sicherzustellen. Neben den technischen müssen auch die kaufmännischen Voraussetzungen geschaffen werden. Hierzu gehört neben der Errichtung der erforderlichen Absatzorganisation insbesondere die Werbung. Mit dieser Frage hat sich das Kammergericht69 eingehend befasst. Es führte aus, dass der Nehmer einer ausschließlichen Lizenz nicht nur herstellungs- und vertriebspflichtig, sondern auch werbepflichtig sei. In welchem Umfang dem Lizenznehmer eine Werbung zugemutet werden könne, sei nur nach Lage des Einzelfalls zu beantworten. Das Kammergericht erwähnte dann weiter, dass sich der Lizenznehmer nicht darauf berufen könne, dass er schon für die Produktion so viel Kapital verwenden müsse, dass er für die Werbung nichts mehr zur Verfügung gehabt habe. Der Lizenznehmer müsse sich das erforderliche Kapital entweder beschaffen oder den Abschluss des Lizenzvertrages ablehnen. Im Übrigen kommt es dafür, in welcher Art und in welchem Umfang die Werbung durchzuführen ist, vor allem darauf an, an wen sie sich wendet und was in der Branche üblich ist.
Ähnlicher Ansicht ist auch der Bundesgerichtshof, allerdings in einem Fall, der die ausschließliche Lizenzierung von Verlagserzeugnissen betraf.70 Der Bundesgerichtshof verweist auf das wirtschaftliche Risiko, das der Lizenznehmer trägt, und folgert daraus, dass dieser auch die Werbemaßnahmen ergreifen kann, die ihm als wirtschaftlich sinnvoll erscheinen. Allerdings darf auf die Werbung jedenfalls dann nicht verzichtet werden, wenn wirtschaftlich die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Einsatz der Mittel Erfolg verspricht. Der Bundesgerichtshof stellt auf die Verbreitung in handelsüblicher Weise ab, obwohl es sicherlich nicht immer einfach sein wird, den Inhalt insofern näher zu bestimmen.71 Allerdings warnt Schade wohl zu Recht davor, die Pflichten des Lizenznehmers zu überspannen. Nach seiner Auffassung liegt es im freien, wenn auch im pflichtgemäßen Ermessen des Lizenznehmers, den Einsatz wie den Umfang seiner Werbung zu bestimmen.72 Da daher Weisungs- und Kontrollrechte des Lizenzgebers hinsichtlich der vorzunehmenden Werbung nicht ohne Weiteres anzunehmen sind, wird in Lizenzverträgen verschiedentlich vorgesehen, dass für die Werbung ein fester Betrag oder ein feststehender Prozentsatz vom Verkaufswert zu verwenden ist.73
10.4 Verletzung der Ausübungspflicht
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Die Ausübungspflicht ist, soweit sie besteht, i.d.R. eine Hauptpflicht. Erfüllt der Lizenznehmer seine Ausübungspflicht nicht, so kann ihm der Lizenzgeber eine Frist setzen mit der Erklärung, dass er nach Ablauf der Frist die Annahme der Leistung verweigere.74 Läuft die Frist fruchtlos ab, so wird man dem Lizenzgeber das Recht einräumen müssen, Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen und den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen (§§ 323, 280, 281, 325, 543 Abs. 1, 314 BGB n.F.).
Ist der Lizenznehmer während längerer Zeit seiner Ausübungspflicht nicht nachgekommen, so ist dem Lizenzgeber nicht damit gedient, dass er dem Lizenznehmer eine Frist setzt mit der Aufforderung, zu leisten. Der Lizenznehmer kann in diesem Fall seiner Aufgabe nur für die Zukunft gerecht werden. Für die bereits verstrichene Zeit ist die Primärleistung dagegen unmöglich. Dies kann auch nicht durch die Aufnahme der Produktion für die Zukunft wieder gutgemacht werden. Das Reichsgericht hat daher in einer Entscheidung75 für die Jahre, während derer der Lizenznehmer seiner Ausübungspflicht nicht nachgekommen war, Schadensersatz wegen nachträglicher, vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit zugesprochen.76 Es handelt sich hier nur um eine teilweise Unmöglichkeit, weil die Primärleistung für die Zukunft noch möglich ist. Eine teilweise Kündigung des Vertrages, durch die der in § 325 BGB a.F. vorgesehene Rücktritt ersetzt wird, ist wohl auch nach dem neuen, ab 1.1.2002 geltenden Schuldrecht (§§ 543 I, 314 BGB n.F.) nicht möglich, weil dies dem Vertragszweck widerspräche. Es handelt sich beim Lizenzvertrag um einen einheitlichen Vertrag, der sich nicht in Teile zerlegen lässt. Dagegen kann der Lizenzgeber, wenn er an der Teilleistung, also der Herstellung und dem Vertrieb, für die Zukunft kein Interesse mehr hat, Schadensersatz statt der Leistung fordern und den ganzen Vertrag kündigen, wobei wiederum das Kündigungsrecht an die Stelle des in § 325 BGB a.F. vorgesehenen Rücktrittsrechts tritt bzw. trat (§§ 323, 280, 281, 325, 543 Abs. 1, 314 BGB n.F.). Bisher (bis 31.12.2001) konnte nur Schadensersatz verlangt oder (!) Rücktritt bzw. Kündigung erfolgen. Ein Wegfall des Interesses an der Primärleistung kann z.B. dann gegeben sein, wenn der Lizenznehmer seinen Verpflichtungen während langer Zeit nicht nachkommt und zu befürchten ist, dass sich das Erzeugnis nicht mehr durchsetzen kann. Ist streitig, ob die Unmöglichkeit der Leistung die Folge eines vom Schuldner zu vertretenden Umstands ist, so trifft die Beweislast den Schuldner.77
Soweit eine Ausübungspflicht ausdrücklich im Vertrag vereinbart wird, ist es auch möglich, die Erfüllung dieser Verpflichtung durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe abzusichern.78 Hier sollte dann die Mindestmenge festgelegt werden, die der Lizenznehmer zu produzieren hat, und in eindeutiger Weise eine Vertragsstrafe definiert werden.
10.5 Wegfall der Ausübungspflicht
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Die Ausübungspflicht findet ihre Grenze an der Unzumutbarkeit der Ausübung der Lizenz. Die Rechtsprechung hat wiederholt betont, dass die Beurteilung einer Ausübungspflicht in besonderem Maße dem Grundsatz von Treu und Glauben unterliegt.79 Die Ausübungspflicht entfällt daher dann, wenn es dem Lizenznehmer nicht zugemutet werden kann, sie zu erfüllen oder aber es aus wirtschaftlichen Gründen für den Lizenznehmer unzumutbar ist, den Lizenzgegenstand herzustellen oder zu vertreiben.80 Eine Grenze für die Zumutbarkeit der Ausübungspflicht ist nach dem Bundesgerichtshof insbesondere dann gegeben, wenn der Lizenznehmer bei der Ausübung der Lizenz nur noch „mehr oder weniger unverkäuflichen Schrott produziere“ und „sehenden Auges dem Ruin entgegenwirtschaften“ würde. Für die Frage, ob ein Lizenznehmer durch die Nichtausübung der Lizenz gegen den Vertrag verstößt und sich schadensersatzpflichtig macht, ist daher entscheidend, ob eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung des Lizenzgegenstandes möglich ist.81 Ist eine solche nicht möglich, entfällt eine vertraglich übernommene Ausübungspflicht ohne Rücksicht darauf, ob der Lizenznehmer den Lizenzvertrag gekündigt hat.
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Die Beurteilung der Zumutbarkeit setzt eine gründliche Prüfung der Absatzmöglichkeiten des Lizenzgegenstandes voraus, die sich neben der Marktanalyse auch mit der Frage auseinandersetzen sollte, ob der Lizenznehmer alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft hat, den Lizenzgegenstand technisch zu vervollkommnen, rationeller zu fertigen und ob er die den Preis rechtfertigenden Gebrauchsvorteile werbemäßig ausgenutzt hat.82 Dabei trägt der Lizenznehmer ggf. die Beweislast für das Vorliegen der Unzumutbarkeit.83
Hinsichtlich der Auswirkungen eines Wegfalls der Ausübungspflicht auf eine ggf. vereinbarte Mindestlizenz ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.84
47 Vgl. BGH, 17.4.1969, BGHZ 52, 55, 58; OLG München, 10.1.1985, WuW/E 1985, 917 – „Steinmetzbrot“; OLG Düsseldorf, 14.7.1987, WuW/E 1985, 900 – „Stützwinkelpatent“; BGH, 20.7.1999, GRUR 1999, LXXXIX = GRUR 2000, 138f.; BGH, 10.10.2002, GRUR 2003, 173ff. zur Auswertungspflicht bei einem Filmverleihvertrag; Reimer, PatG, Rn. 55 zu § 9; siehe auch die Überblicke bei Henn, S. 164ff.; Benkard, PatG, Rn. 134ff. zu § 15; vgl. auch OLG Köln, 14.11.1994, CR 1995, 340f., bzgl. der Pflicht des Lizenzgebers zur bestmöglichen Verwertung des Leasing-Gutes und Coster, GRUR 1996, 905ff. zur Ausübungspflicht bei Auftragswerken im niederländischen Urheberrecht. 48 Vgl. Lüdecke, GRUR 1952, 211; Bartenbach, Rn. 1895ff. 49 Vgl. Pinzger, MuW 1910, 238ff.; Wertheimer, GRUR 1930, 581. 50 Vgl. Groß, Rn. 13ff. 51 Vgl. Elster, JW 1933, 2509; Klauer/Möhring, PatG, Rn. 78 zu § 9; Reimer, PatG, Rn.