Augenschön Das Ende der Zeit (Band 1). Judith Kilnar. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Judith Kilnar
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783964640017
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      Judith Kilnar

      Augenschön

      Das Ende der Zeit

       Impressum

      Ebook-Konvertierung und Titelbildgestaltung:

      © T.C., Tomfloor Verlag

      Umschlagbild: Shutterstock.com

      © Blackspring, © Eastimages, © Elnur

      2018

      ISBN 9783964640017 (epub)

      ISBN 9783964640024 (mobi)

      ISBN der gedruckten Ausgabe 9783964640000

      Tomfloor Verlag

      Thomas Funk

      Alex-Gugler-Straße 5

      83666 Waakirchen

      https://tomfloor-verlag.com

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Für Caity, Lea und Lea.

      Und für Janna und Sabse – als Beweis dafür, dass auch Archibalde Totenkopftattoos haben können.

       Prolog

      Es war der Tag vor Weihnachten. Durch die Fenster der kleinen Häuser, die entlang der Allee standen, drang flackerndes Licht von Kerzen, die die grün benadelten Christbäume schmückten. Leise Weihnachtsmusik waberte auf die schneebedeckte Straße. Draußen war kaum jemand unterwegs, da alle in den wohlig warmen Wohnzimmern mit der Familie vor dem Kamin saßen.

      Nur eine Gestalt, ein Mann, eingehüllt in einen dicken Wintermantel, eilte die Straße entlang, um der eisigen Kälte und den wirbelnden Schneeflocken zu entkommen. Der Schnee knirschte unter seinen schweren schwarzen Stiefeln. Vor einem erhellten Fenster leuchtete kurz das Gesicht des Mannes auf, dann war er erneut in schützende Dunkelheit getaucht. Vor dem letzten Haus der Cottage Hill Street hielt er inne. Er streckte den Arm aus. Kurz verharrte sein Finger in der Luft, doch nur eine Sekunde später drückte er entschlossen auf die Klingel. Ein leises Läuten ertönte und das Gelächter, das eben noch aus dem Wohnzimmer zu hören gewesen war, verstummte.

      »Ich gehe schon, esst ihr weiter«, hörte man eine junge Frauenstimme gedämpft sagen.

      Das Gespräch wurde wieder aufgenommen und das Schaben eines zurückgeschobenen Stuhls gab zu erkennen, dass die Frau aufstand. Schritte klackerten den Flur entlang. Kurz darauf öffnete eine hübsche junge Frau mit schwarzrotem Haar und intensiven blauen Augen lächelnd die Tür. Als das Licht der Diele auf das Gesicht des Mannes fiel, gefror ihr das Lächeln jedoch im Gesicht. Sie erbleichte.

      »Was willst du hier?« Ihre Stimme bebte vor unterdrücktem Zorn.

      »Das Gleiche wie letztes Mal«, erwiderte der Mann ruhig.

      »Ich habe es dir schon einmal gesagt«, zischte sie wütend, »ich habe nichts damit zu tun.«

      »Und ich habe dir schon einmal gesagt, was ich von dieser Lüge halte«, erwiderte der Mann nicht mehr ganz so ruhig wie zuvor. »Du warst bei ihm, als es passiert ist, und ich glaube, du weißt mehr darüber, als du der Polizei verraten hast.«

      »Nein, weiß ich nicht!« Auf den Wangen der Frau bildeten sich hektische rote Flecken. »Zum hundertsten Mal, ich habe nichts mit dem Tod deines Bruders zu tun! Und jetzt lass mich in Ruhe!« Sie wollte die Tür mit einem Ruck schließen, doch der Mann stellte flink seinen Fuß dazwischen.

      »Ich lasse mich nicht so schnell abwimmeln wie letztes Mal, Cara!« Den Namen stieß er hervor, als würde es sich um ein Stück Dreck handeln.» Die Untersuchungen haben nichts ergeben! Mein Bruder soll angeblich eines plötzlichen und natürlichen Todes gestorben sein. Aber das glaube ich nicht, im Gegensatz zu diesen dämlichen Polizisten. Ich habe ein bisschen nachgeforscht, Cara. Auf eigene Faust. Und ich finde meine Ergebnisse sehr erstaunlich, aber äußerst interessant. Was hast du denn mit meinem Bruder allein im Wald gemacht? Mitten in der Nacht? Und erzähl mir nichts von geheimen Liebesbeziehungen, die mich nichts angehen. Ich weiß, dass das nicht stimmt. War der Grund für das Treffen, dass er etwas über dich wusste? Dass er etwas gesehen hatte? Weißt du, Cara, ich bin nicht dumm. Ich kann eins und eins zusammenzählen. In seinem Tagebuch hat er …«

      Bei diesen Worten wurde die Frau, die der Mann Cara genannt hatte, noch blasser.

      Der Mann bemerkte es und grinste hämisch. »Ja, daran hattest du nicht gedacht, was? Dass mein Bruder ein begeisterter Tagebuchschreiber war. Sonst wärst du vielleicht vorsichtiger gewesen, hmm? Jedenfalls standen einige Informationen darin. Er schrieb, du hättest etwas mit dem Tod von Verena Noston zu tun. Er hätte dich bei etwas gesehen und du wolltest es ihm erklären. Er sei äußerst verwirrt, schrieb er. Und noch etwas stand da, etwas über deine Augen. Ich habe es nicht richtig verstanden, aber du wirst es mir bestimmt verraten, oder? Du weißt, dass ich dich mit all meinen Informationen enorm in Schwierigkeiten bringen könnte. Was die Polizei wohl dazu sagen würde? Oder der Richter?«

      Die Haut zart und blass wie Elfenbein, stand die hübsche junge Frau da und versuchte ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Doch die Wut und der Zorn, zusammen mit der Angst, waren schier überwältigend. Schnell, fast panisch, schloss sie die Augen.

      Lass es nicht zu, ermahnte sie sich selbst. Bekomm es unter Kontrolle!

      »Was ist?«, höhnte der Mann. »Hast du etwa Angst, mir in die Augen zu schauen? Ist dein schlechtes Gewissen so groß?« Er packte sie unsanft an der Schulter. »Los, erzähl mir die Wahrheit! Sieh mich …«

      »Nein!« Der verzweifelte Ruf der Frau hallte durch die stille Nacht.

      »… an!«, beendete der Mann unbeeindruckt seinen Satz.

      Kurz war es, als wollte sie erneut widersprechen, doch der Nachhall seiner Worte war bereits verklungen. Die marmornen Lider der Frau hoben sich. Wie in Trance öffnete sie ihre Augen. Diese Augen, vorher noch warm und lebendig, blickten nun kalt und starr in die des Mannes. Ein seltsames Blau schien von ihnen auszugehen. Jetzt hatten sie nicht mehr nur eine strahlende und leuchtende Farbe, sondern sie leuchteten wirklich. Ein intensives blaues Strahlen. Licht züngelte aus den Augen heraus, wie gierige Flammen flirrte es in der Luft und leckte gierig an den Augen des Mannes. Es drang hinein, brannte wie Feuer, verspeiste und verwandelte jeden Zentimeter der inneren Nerven, alles Leben, zu Asche. Rasend schnell schoss der blaue Blitz weiter, bahnte sich seine Wege tiefer hinein in den Mann. Wie Gift breitete er sich in seinem Körper aus, lechzend nach Zerstörung spaltete er sich weiter, um zum Zentrum des Denkens, dem Gehirn, und zur Lebensquelle, dem Herzen, zu gelangen.

      Einen Augenblick schaute der Mann verdutzt drein und ließ die statuenhafte junge Frau los. Dann öffnete er den Mund in einem stummen verzweifelten Schrei, als das quälende Gefühl von eisiger Kälte und brennender Hitze unerträglich wurde, doch im nächsten Moment sackte sein lebloser Körper auf den Stufen vor der Tür zusammen.

      Als das Lichtband zwischen den beiden Augen zerrissen wurde, zog sich das Blaue blitzschnell, wie ein überdehntes Gummiband, zurück in die Augen der Frau. Sie erwachte aus ihrer Starre und blickte voller Grauen auf die tote Gestalt des Mannes zu ihren Füßen.

      Betäubende Angst machte sich in ihr breit. Ihre bleiche, zitternde Hand tastete hilfesuchend hinter sich nach der Kommode. Sie stolperte rückwärts ins Haus, drehte sich zur Seite und stützte sich Halt suchend auf die Kante des schweren Möbelstücks. Sie blickte in den Spiegel, betrachtete das kalkweiße, wunderschöne Gesicht vor sich. Die vollen rosa Lippen, die langen Wimpern, die einen Kranz um ihre panisch aufgerissenen Augen bildeten, deren schöne Farbe so oft gelobt wurde, die jedoch nichts anderes waren als eine Waffe. Die Farbe, die schon zuvor genauso erbarmungslos zugeschlagen und immer den Tod gebracht hatte. Immer.

      Ein