Dannecker schlägt zur Bestrafung von Verbänden als spezialpräventive Aufsichtsmaßnahme ebenfalls die Anordnung einer temporären Unternehmenskuratel vor.51 Die Kuratel müsse seiner Ansicht nach von einem staatlich bestellten Treuhänder oder Gremium ausgeübt werden und die eingesetzten Personen müssten über Kenntnisse bzw. Erfahrungen wie z.B. Insolvenzverwalter verfügen.52 Allerdings dürfe die Kuratel nur angeordnet werden, wenn die Erteilung einzelner Weisungen zur Verhinderung weiterer Straftaten nicht ausreiche.53 Der Vorteil der Sanktionsform bestünde darin, dass sie den Unternehmensbestand sichere, die Anteilseigner schone und die Unternehmensleitung empfindlich treffe.54
Für den Bereich des Umweltstrafrechts plädiert Christina Schwinge – als Sanktion gegenüber Unternehmen – für eine auf einen bestimmten Zeitraum beschränkte, staatlich überwachte organisatorische Intervention, die auf ein sich selbst regulierendes und kontrollierendes Unternehmen hinwirken soll.55 Durch die Überwachung mit Hilfe einer Unternehmenskuratel könne für bestimmte Zeit in der erforderlichen Weise auf strukturelle und institutionelle Probleme im Unternehmen, die zu Umweltstraftaten geführt haben, eingegangen werden.56 Des Weiteren würde trotz Unternehmenskuratel die Unternehmensleitung in ihrer bisherigen Form bestehen bleiben und infolge der Überwachung zu einer ordnungsgemäßen umweltorientierten Unternehmenspolitik angehalten werden. Dieser Ansatz habe im Vergleich zur vorübergehenden „Absetzung“ des Managements den Vorteil, dass ihm ein gewisser „Erziehungseffekt“ innewohne und die Unternehmensleitung nach Ende der Kuratel-Einsetzung wohl gewillt sein werde, umweltschonend zu arbeiten.57 Von der Unternehmenskuratel würde auch eine erhebliche Präventionswirkung ausgehen, da die Führungsautorität des Managements sowie das Prestige des Unternehmens insgesamt angegriffen werde und für den Zeitraum der Einsetzung zumindest indirekt eine dauerhafte Konfrontation mit der begangenen Umweltstraftat bestünde.58
Napp unterteilt externe Eingriffe in Unternehmen – abhängig von ihrer Intensität – in verschiedene Modelle: 1. Modell einer reinen Rechtsaufsicht, 2. Zustimmungs-/Genehmigungserfordernis des Kurators, 3. Einsetzung eines Managements bzw. unmittelbare Entscheidungsbefugnis des Kurators, 4. Ersetzung des Managements.59 Unter dem ersten Modell subsumiert Napp den obigen Entwurf des Thyssen-Arbeitskreises unter Mitwirkung von Schünemann (§ 30a Abs. 1 E-OWiG)60 und die vorstehende Position von Schwinge61. Die zweite Kategorie enthält den Vergleich des Kurators mit einem Vormund, der sämtliche Beschlüsse einsehen darf und diesen, um Gültigkeit zu erlangen, seine Zustimmung und Unterschrift erteilen muss. Mangels selbstständiger Handlungsbefugnisse für den Verband nach außen beschränken sich die Mitwirkungsbefugnisse des Kurators daher auf die Überprüfung sowie Genehmigung von Beschlüssen, sodass die Geschäftsführung prinzipiell die volle Handlungs- und Entscheidungsfreiheit behält.62 Die dritte – auf Empfehlungen des Europarats basierende – Kategorie sieht die gerichtliche Einsetzung eines vorübergehend geschäftsführenden Managements vor, wobei diese Position auch von einem Kurator mit eigener sowie unmittelbarer Entscheidungsbefugnis besetzt werden könnte.63 Nach Darstellung des vierten Modells, der „Ersetzung des Managements“, die beispielsweise durch Austausch der Führungsebene möglich ist, greift Napp noch die von Schünemann und Schwinge angedachte Möglichkeit einer vorläufigen Kuratel entsprechend § 111a StPO auf.64 Letztgenannte komme jedoch nur in Betracht, wenn man die Kuratel als Strafe einordne, und bringe zudem das Risiko mit sich, nicht durch eine endgültige Entscheidung gedeckt zu sein.65
Napp sieht – unter Einbeziehung der Positionen Schünemanns und Heines66 – den Vorteil der Kuratel darin, dass sie einerseits Gesellschafter, Arbeitnehmer und Gläubiger am wenigsten belaste, andererseits aber – bereits durch ihre Androhung – Topmanager und Unternehmensleitung unter Druck setzen könne, da die Kuratel ihr persönliches Ansehen schmälere. Die Unternehmenskuratel sei die für das Unternehmen schonendste und bezüglich der Vermeidung künftiger Straftaten wirksamste Sanktion.67 Problematisch seien jedoch neben der Schwierigkeit, einen geeigneten „Unternehmensüberwacher“ zu finden, der Aufwand und die Kosten der Aufsicht.68
Napp äußert ferner Bedenken gegen das Modell Schünemanns: Aus ihrer Sicht ist nachteilhaft, dass bei weiteren Zwischenfällen während der Kuratel lediglich der Zeitraum für die Dauer der Aufsicht erneut zu laufen beginne, sodass es für das Unternehmen bei einer Bewährung bliebe, die zeitlich ausgedehnt werde.69 Napp bezweifelt den von Schünemann angeführten Effekt, dass sich Manager durch eine Einsetzung oder Verlängerung der Kuratel beeindrucken und/oder ausreichend abschrecken lassen.70 Sie vermisst eine weitere bzw. die „eigentliche“ Sanktion, wenn die Kuratel nicht zu den erwünschten Änderungen führe; es fehle – wie bei der Strafaussetzung zur Bewährung – die Verhängung einer an sich bereits verwirkten Strafe, deren Vollstreckung zurückgestellt wurde.71
Im Rahmen der Diskussion um ein Unternehmensstrafrecht und mögliche Alternativen wird zudem auch von Autoren wie Scholz72, Bottke73, Beukelmann74 oder Trüg75 als mögliche Rechtsfolge einer Unternehmensstrafe die Anordnung von Aufsicht durch einen Treuhänder oder ein Gremium angeführt.
Speziell mit US Compliance Monitorships haben sich in jüngerer Vergangenheit unter anderem Reyhn76, Schwarz77, Waltenberg78 und Willms79 auseinandergesetzt. Allerdings erreichen die zuvor genannten Beiträge allesamt keine ausreichende analytische Tiefe, weshalb die hiesige Untersuchung zwingend erforderlich ist, um einen neuen Erkenntnisgewinn zu generieren.
d) Zusammenfassende Würdigung
Sofern US Compliance Monitorships aktuell auf deutsche Unternehmen treffen, besteht ein rechtliches Vakuum. Als Orientierungshilfe fehlen richtungsweisende Rechtsprechung, behördliche Entscheidungspraxis und der Erfahrungsaustausch zwischen den betroffenen Unternehmen.80
Aufgrund dieser Ausgangslage ergibt sich die Notwendigkeit, zu untersuchen, ob analogiefähige Institute im deutschen Recht bereits vorhanden sind und als Grundlage für den Einsatz eines Monitors in Frage kommen. Im Zusammenhang damit stellt sich die Frage, ob ein Monitorship de lege ferenda als Gesetzgebungsvorschlag und/oder als Compliance-Produkt erstrebenswert wäre. Durch die Untersuchung sollen Unklarheiten in der Handhabung von Compliance Monitorships soweit wie möglich überwunden werden und eine gewisse Rechtssicherheit im Umgang mit dem Monitor-Institut erreicht werden. Zudem ist Intention der Abhandlung, Faktoren für den Erfolg des Monitor-Einsatzes herauszuarbeiten.
Darüber hinaus wird im Laufe der Untersuchung eine Vielzahl von Folgefragen geklärt. Beispielsweise welche Auswirkungen die Aufdeckung neuer strafrechtlich relevanter Sachverhalte durch den Monitor haben kann, welchen Grenzen der Monitor im Rahmen seines Mandats unterliegt oder wie der Monitor gegebenenfalls selbst nach Zertifizierung des Compliance-Management-Systems (CMS) haftet, wenn nach Beendigung des Monitorships erneut Verstöße auftreten.
Insgesamt soll die Untersuchung nicht auf dem Level einer deskriptiven Beschreibung bleiben, sondern