Unlängst haben sich die IAV GmbH und die Fresenius Medical Care mit dem DOJ auf die Bestellung eines Compliance-Monitors für einen Zeitraum von jeweils zwei Jahren geeinigt.22
Bei systembezogenen Vorwürfen innerhalb der Finanzbranche sind Monitorships ebenfalls möglich. Dementsprechend blieben auch deutsche Unternehmen im Finanzsektor von einem Compliance Monitorship bislang nicht verschont.23 Bei der Frankfurter Commerzbank war ein Verstoß gegen Iransanktionen der Auslöser für Ermittlungen der US-Behörden. Die Bank zahlte daraufhin im Jahr 2015 im Rahmen eines Vergleichs eine Strafe in Höhe von 1,45 Milliarden Dollar und musste zudem ab 2016 einen externen Compliance-Monitor auf eigene Kosten installieren.24 Die Deutsche Bank war bzw. ist sogar mehreren Compliance Monitorships ausgesetzt. Aufgrund der fehlenden Kontrolle von Swap-Derivaten musste das Kreditinstitut basierend auf einer Einigung mit der US-Börsenaufsicht CFTC im Oktober 2016 einen Monitor einsetzen.25 Ein weiteres Monitoring resultierte aus einem Geldwäsche-Skandal, bei dem Deutsche-Bank-Kunden laut dem New York State Department of Financial Services (NYSDFS) ca. 10 Milliarden Dollar Schwarzgeld aus Russland an den Finanzplätzen New York, London und Moskau gewaschen haben sollen. Das Kreditinstitut habe die Möglichkeiten ungenutzt gelassen, die Geldwäschetätigkeiten zu unterbinden.26
3. Grenzüberschreitende Ermittlungen der US-Behörden
Der Einsatz eines Compliance-Monitors in deutschen Unternehmen hat die Frage nach dem Einfluss der US-Strafverfolgungsbehörden sowie die Frage nach deren Vorgehensweise bei der Aufklärung von Korruptionsfällen aufgeworfen.27 Bereits seit längerem stößt die extensive grenzüberschreitende Anwendung von US-Vorschriften weltweit auf Kritik. Im Zuge dessen wird insbesondere bemängelt, dass europäische Unternehmen die volle Härte des Sanktionsregimes treffe, wohingegen amerikanische Unternehmen bevorzugt würden.28 An dem Mandat eines US-Monitors in deutschen Unternehmen ist insbesondere bemerkenswert, dass sich die Regelungen des US-Strafrechts von denen des deutschen Wirtschaftsstrafrechts deutlich unterscheiden. Ein im Rahmen der Untersuchung anzustellender Rechtsvergleich erfordert daher auch Überlegungen zu den Prozesssystemen in Deutschland und den USA.29
4. Meinungsspektrum
Zu erörtern ist im Rahmen der Einführung, inwieweit Compliance und speziell das Monitorship innerhalb von Gesetzesentwürfen, Rechtsprechung und der juristischen Literatur derzeit abgebildet werden.
a) Gesetzesentwürfe
Obwohl viele deutsche Unternehmen bereits einen Monitor einsetzen mussten bzw. müssen, ist diese Sanktionsmöglichkeit im deutschen Rechtssystem bisher nicht normativ verortet. An Vorschlägen und Fürsprechern für die Einführung dieses Konstrukts mangelt es jedoch nicht.
Bereits 1996 legte der „Thyssen-Arbeitskreis Strafrecht – Deutsche Wiedervereinigung“ unter Mitwirkung von Schünemann den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität vor. Dieser sah in § 30a E-OWiG vor, dass das Unternehmen unter Kuratel gestellt werden kann, sofern ein – dem Leitungsbereich des Unternehmens angehörender – Mitarbeiter für das Unternehmen eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit begeht und die Gefahr weiterer Zuwiderhandlungen gegeben ist. Nach § 30b Abs. 1 E-OWiG hat der Kurator zu beaufsichtigen, „ob in dem unter Kuratel gestellten Unternehmen die für die Anordnung maßgeblichen Gründe dauerhaft beseitigt werden.“30 Der Zweck der Sanktion bestand gemäß § 3 Abs. 1 E-OWiG in der „Aufsicht über die Resozialisierung.“
Der Kölner Entwurf eines Verbandssanktionsgesetzes aus 2017 sah in § 5 Abs. 4 vor, dass das Gericht für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit einen sachkundigen und unabhängigen Monitor bestellen soll, der die Erfüllung der Auflagen überwacht.31
Gemäß § 12 Abs. 4 des Münchener Entwurfs eines Verbandssanktionengesetzes vom 05.09.2019 kann das Gericht für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit einen Monitor bestellen, der die Erfüllung der Auflagen durch den Verband überwacht.32
Der Regierungsentwurf zum Verbandssanktionengesetz (VerSanG-E) des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) sieht in § 13 Abs. 2 folgende Reglung vor: „Das Gericht kann den Verband namentlich anweisen, bestimmte Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten zu treffen und diese Vorkehrungen durch Bescheinigung einer sachkundigen Stelle nachzuweisen. Die Auswahl der sachkundigen Stelle, die der Verband getroffen hat, bedarf der Zustimmung durch das Gericht.“33
b) Compliance-Rechtsprechung
Trotz umfangreicher Fachliteratur zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Compliance-Organisation sind Urteile zum Thema Compliance eher selten34 bzw. im Hinblick auf den Compliance-Monitor nicht vorhanden. Spätestens seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 2017 – 1 StR 265/1635 müssen sich Unternehmen verstärkt mit der Effektivität ihres Compliance-Programms auseinandersetzen. Im zugrunde liegenden Verfahren zahlte ein deutsches Rüstungsunternehmen – unter Zuhilfenahme einer Beratungsgesellschaft – Bestechungsgelder an den damaligen griechischen Verteidigungsminister, um einen millionenschweren Auftrag für ein Rüstungsgeschäft zu erhalten.36
Ausweislich des Judikats ist es für die Bemessung der Geldbuße nach § 30 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) von Bedeutung, inwieweit das Unternehmen seiner Pflicht, Rechtsverletzungen aus seiner Sphäre zu unterbinden, nachkommt und ein effizientes Compliance Management installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss.37 Nach Auffassung des Gerichts kann zudem von Bedeutung sein, ob das Unternehmen im Laufe des Ordnungswidrigkeitenverfahrens Regelungen optimiert und betriebsinterne Prozesse so gestaltet hat, dass Normverletzungen künftig deutlich erschwert werden.38
Die vom BGH vorgenommene Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen im Rahmen der Bemessung der Unternehmensgeldbuße kann Unternehmen zu effektiver Compliance-Organisation und zur Aufdeckung von Normverletzungen motivieren.39 Hierbei können Unternehmen von ihren Erfahrungen während Compliance Monitorships profitieren und diese Erkenntnisse als Hilfestellung nutzen. Die Arbeit des Monitors kann dem Unternehmen bei der Bewertung seines Compliance-Systems helfen.40 Der eingesetzte Monitor kann zusammen mit einem kompetenten Team eine genaue, unabhängige sowie objektive Einschätzung hinsichtlich der Compliance-Bemühungen im Unternehmen treffen oder in Form von Bewertungen und Vorschlägen Handlungsempfehlungen zur Fokussierung, Anpassung und Weiterentwicklung des Compliance-Systems aussprechen.41
c) Stand der rechtswissenschaftlichen Diskussion
(1) Allgemeines zur Unternehmenssanktionierung
Die Frage der Sanktionsmöglichkeit juristischer Person ist, wie bereits vor geraumer Zeit von Roxin42 antizipiert, niemals aus der Diskussion im strafrechtlichen Schrifttum verschwunden.43 In diesem Zusammenhang sprechen sich viele Rechtswissenschaftler für eine kriminalpolitisch notwendige Reform des Sanktionsregimes gegenüber Unternehmen aus.44 Bestandteil dieser Forderung nach Unternehmenssanktionierung ist, dass neben finanziellen Strafen andere Sanktionsmöglichkeiten kreiert werden sollten, wobei hier oftmals der Compliance-Monitor nach US-Vorbild genannt wird, da dieser ein Umdenken in der kriminogenen Betriebsattitüde erzeugen könne.45 Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass der Trend aus den USA, Unternehmen für strafrechtliche Risiken und Verstöße immer stärker zur Verantwortung zu ziehen, auch in Europa bei allen drei Gewalten angekommen ist und sich in einer dynamischen Entwicklung befindet.
(2) Einordnung von Compliance Monitorships