Maßgeblich ist somit allein, ob der Betrieb des Bades als „wirtschaftliche Tätigkeit“ einzuordnen ist. Da das Bad Leistungen anbietet, die auch von privaten Bäderbetreibern angeboten werden können, ist der Betrieb als wirtschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren, sodass das Bad ein Unternehmen i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV ist.
1.3.1.2Finanzierung aus staatlichen Mitteln
Als Beihilfen können zudem nur solche Vorteile angesehen werden, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden35. Der Begriff der staatlichen Mittel umfasst nicht nur die Haushaltsmittel der Mitgliedstaaten, sondern auch die ihrer Untergliederungen einschließlich der öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen, auf welche die öffentliche Hand unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Entscheidend ist, dass die öffentlichen Haushalte durch die Maßnahme belastet werden36.
Da die Stadt im vorliegenden Fall einen beherrschenden Einfluss auf ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft Stadtwerke GmbH ausüben kann, spielt es keine Rolle, dass ihr Haushalt nicht direkt belastet wird. Die Ausgleichszahlungen werden dennoch aus staatlichen Mitteln finanziert, da der Staat auf ihre Auszahlung Einfluss nehmen kann.
1.3.1.3Begünstigung
Eine Begünstigung erfasst nicht nur Geld- oder Sachleistungen, sondern alle staatlichen Maßnahmen, mit denen Unternehmen wirtschaftliche Vorteile gewährt werden, denen keine marktgerechte Gegenleistung gegenübersteht.
Aufgrund des weiten Vorteilsbegriffs ist für das Vorliegen einer Begünstigung oft das Fehlen einer marktgerechten Gegenleistung entscheidend. Um festzustellen, ob ein Staat von den normalen Marktbedingungen abweicht, ist das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten entwickelt worden. Mit dem „market economy operator test“ kann in einer umfassenden Bewertung ihrer Wirkung auf das betreffende Unternehmen festgestellt werden, ob die Transaktion (Investition, Darlehen, Bürgschaft, Verkauf etc.) den normalen Marktbedingungen entspricht. Neben diesem komplexen Verfahren stehen bei bestimmten Transaktionen aber auch einfachere Instrumente zur Verfügung, um ihre Marktkonformität festzustellen. Praxisrelevant sind insbesondere die folgenden Instrumente:
•Der Verkauf oder Kauf von Vermögenswerten, Waren und Dienstleistungen entspricht den Marktbedingungen, wenn der Staat ein wettbewerbliches, transparentes, diskriminierungsfreies und bedingungsfreies Ausschreibungsverfahren durchgeführt hat. Beim Kauf oder Verkauf von Grundstücken kann der Staat auch ein Marktwertgutachten einholen, um den Marktpreis des Grundstücks zu ermitteln37.
•Ob ein Kredit oder eine Bürgschaft den Marktbedingungen entspricht, kann durch einen Vergleich mit vergleichbaren Markttransaktionen festgestellt werden. Um diese Prüfung zu erleichtern, hat die Kommission Ersatzgrößen für die Ermittlung des Beihilfecharakters von Krediten und Bürgschaften entwickelt. Für Kredite wird die Methode zur Berechnung eines Referenzzinssatzes in der „Referenzzinsmitteilung“38 erläutert. Die „Bürgschaftsmitteilung“39 enthält dagegen Methoden zur Ermittlung von beihilfefreien Bürgschaftsentgelten.
Im Ausgangsfall handelt es sich um eine wirtschaftliche Begünstigung des Bades der Stadtwerke GmbH. Dass die entsprechende Entscheidung der Stadt aus strukturpolitischer Sicht nachvollziehbar ist, etwa weil Kinder im Rahmen der Schule oder in Vereinen im Bad Schwimmen lernen können, ist bei der Prüfung des Vorliegens einer marktgerechten Gegenleistung unerheblich, da diese Erwägungen von marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht berücksichtigt werden würden. Das Bad wird durch die Ausgleichszahlungen somit begünstigt.
1.3.1.4Selektivität
Art. 107 Abs. 1 AEUV verlangt weiter, dass bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt werden. Insbesondere in Fällen, in denen die gewährende Einrichtung über ein Ermessen verfügt, das es ihr ermöglicht, die Begünstigungen oder die Bedingungen, unter denen die Maßnahme gewährt wird, zu bestimmen, kann diese nach Ansicht des EuGH nicht als Maßnahme allgemeiner Art angesehen werden40. Im Regelfall ist im kommunalen Bereich die Selektivität einer Maßnahme gegeben. Auf europäischer Ebene ist dieses Tatbestandsmerkmal insbesondere dann relevant, wenn geprüft wird, ob ein eine Steuerregelung geschaffen wurde, um gezielt bestimmte Unternehmen zu begünstigen.
Über den Verlustausgleich des Bades kann die Stadt im Ergebnis frei entscheiden, da es sich um eine freiwillige Aufgabe der Stadt handelt. Es handelt sich bei ihm also um eine selektive Maßnahme.
1.3.1.5Auswirkungen auf Handel und Wettbewerb
Die selektive Begünstigung eines Unternehmens unterfällt schließlich nur dann dem Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV, wenn sie geeignet ist, den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
Durch das Beihilferecht sollen zunächst Wettbewerbsverzerrungen in jeder Form vermieden werden, sodass das Kriterium „Verfälschung des Wettbewerbs“ sehr extensiv zu verstehen und auszulegen ist. Es reicht bereits die Möglichkeit einer Wettbewerbsverfälschung aus41. Es ist daher anzunehmen, dass der Wettbewerb zwischen privaten sowie öffentlichen Thermen und Bädern durch den Verlustausgleich des Bades beeinträchtigt wird.
Die Begünstigung müsste zudem auch dazu geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Dabei spielt der Charakter der betroffenen Aktivität, ihre wirtschaftliche Bedeutung und ihre Reichweite eine entscheidende Rolle. Dies gilt besonders für staatliche Zuwendungen in den Bereichen, in denen der Markt wegen starker Regulierung von vornherein beschränkt ist, der finanzielle Vorteil für Unternehmen nur geringfügig ist oder die Tätigkeit nur lokal beschränkte Auswirkungen hat.42
Die Kommission zieht bei der Frage, ob eine Tätigkeit nur lokale Bedeutung hat, auch die Zielrichtung des Angebots heran. Dabei ist z. B. zu berücksichtigen, ob der Internetauftritt der Einrichtung in Fremdsprachen verfügbar ist43. Die Zielgruppe des Bades sind die Einwohner der Stadt und des Umlands. Das Bad wirbt nicht über die deutschen Grenzen hinaus. Das Internetangebot des Bades ist naturgemäß zwar weltweit abrufbar, wird aber – wie die anderen Werbemaßnahmen des Bades auch – nur in deutscher Sprache gehalten, sodass argumentiert werden kann, dass sich das Angebot nur an einen regionalen Nutzerkreis richtet.
Neben der Zielrichtung der Marketingmaßnahmen nutzt die Kommission auch Statistiken, um die fehlende grenzüberschreitende Bedeutung einer Begünstigung zu belegen oder zu widerlegen. In einer Entscheidung zu einem nah der tschechischen Grenze gelegenen Sportcamp in Nordbayern wertete die Kommission die vorgelegten Nutzungsstatistiken aus und kam zu dem Ergebnis, dass das Camp nur von lokaler Bedeutung sei44.
Eine grenzüberschreitende Bedeutung des Bades könnte also ausgeschlossen werden, wenn ein statistischer Nachweis geführt wird, dass das Bad auf den lokalen Markt ausgerichtet ist. Es ist daher anzuraten, dass das Bad regelmäßig über einen bestimmten Zeitraum seine Besucher durch die Abfrage von Postleitzahlen erfasst und dabei zwischen Gästen aus dem Inland und dem Ausland unterscheidet. Ist der Prozentsatz der Nutzer aus anderen Mitgliedstaaten