S. A. Lee
Die Chroniken der drei Kriege
Band 3
Der Erbe des westlichen Reiches
High Fantasy
Für Lino,
den angehenden Padawan der Dunklen Seite
Impressum
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Print-ISBN: 978-3-96752-054-5
E-Book-ISBN: 978-3-96752-554-0
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Prolog: Schatten
Aus den Niederschriften von L’Oash dem Jüngeren, im Jahr 8201 des ersten Zyklus (fragmentarisch erhalten):
»Dies sind die Zeugnisse von L’Oash dem Jüngeren, der Die Welt Jenseits Der Wälder gesehen hat. Mein Tod ist gewiss und wird bald kommen – doch mein Wissen soll bewahrt und den Generationen nach mir überliefert werden, auf dass sie klüger damit umgehen als ich es tat.
… (Textstellen unleserlich) …
Höre nun, Wagemutiger, und erfahre das Geheimnis, welches den letzten verschlossenen Weg, den Pfad durch die Westlichen Wälder, öffnet. Drei Regeln sollst du kennen, die dem Wanderer zur Hilfe dienen. Verletzt er sie, so ist er für immer verloren. Befolgt er sie, ist sein Schicksal mehr als ungewiss. Empfange mein Wissen, der du dies liest, und entscheide selbst, was du damit beginnest:
Erstens: Verlasse niemals den Pfad.
Zweitens: Höre nicht auf die Stimmen.
Drittens: Zu keiner Zeit – unter keinen Umständen – dreh dich um.«
Uvonagh, Südküste, Frühsommer im Jahr 1098 des zweiten Zyklus
Der Abend war über den Tempel hereingebrochen.
Die Sonne hing tief und tauchte die Szenerie in ein warmes, rötliches Licht: Die leise rauschenden Bäume, die sich auf der Steilklippe erhoben, das hohe Gras, die Möwen, die kreischend durch die Lüfte segelten und sich immer wieder in die Wellen des Meeres hinabstürzten.
Der Krieg war gekommen und vorübergezogen wie alle Kriege zuvor, und die Verwüstung, die er hinterlassen hatte, war unbeschreiblich. Täglich pilgerten hunderte von Menschen zu den Tempelanlagen an der Küste, nicht nur um zu beten, sondern auch um zu betteln und milde Gaben zu erflehen, hauptsächlich Korn und Milch, von denen der Orden selbst viel zu wenig hatte. Manche brachten auch Opfer dar, doch es reichte bei Weitem nicht, das Los aller Armen erträglich zu machen. Viele junge Frauen pilgerten in den Tempel, um den Lichten um einen Abbruch ihrer Schwangerschaft zu bitten. Die meisten von ihnen waren Opfer marodierender Soldaten geworden oder hatten mit den jetzt brachliegenden Feldern keine Möglichkeit, ein zusätzliches Maul zu stopfen. Die Ordensschwestern taten für die Menschen, was sie konnten, und nachdem es vor einigen Tagen das erste Mal seit langem wieder geregnet hatte, waren sie sich einig, dass der Beistand des Lichten sie nicht verlassen hatte.
Die Luft an diesem Abend war schwer von Blütenduft und dem salzigen Geruch des Meeres, als Ilmra, die stellvertretende Ordensvorsteherin, an der Seite der Ordensmutter den Heimweg einschlug. Die Betstätten, wo sie Almosen verteilt hatten, lagen außerhalb des Wohnbereichs und des Haupttempels und waren den Ordensschwestern nur tagsüber zugänglich. Nachts blieben die Tore geschlossen, besonders in unruhigen Zeiten wie diesen.
»Ich habe daran gedacht, Fonja mit dem Amt der Propsta zu betrauen«, sagte die Ordensmutter gerade. Erst vor wenigen Tagen war Moret, die bisherige Verwalterin des Ordensbesitzes, zu ihr gekommen und hatte sie um die Abgabe dieser Verantwortung gebeten; die alte Frau war fast sechsundsiebzig und hatte dem Lichten ihr ganzes Leben lang gedient, doch nun, so meinte sie, sei es an der Zeit, zumindest diese hohe Bürde einer jüngeren Schwester anzuvertrauen. »Sie ist ordentlich, aufrichtig und überlegt, und die Übernahme dieses Amtes wird ihre Gewissenhaftigkeit stärken.«
Ilmra nickte beipflichtend; sie kannte die Vorgeschlagene ihr ganzes Leben lang und hatte noch keine andere Ordensschwester erlebt, die so organisiert war und derart genau Buch führte. Sie würde sich in dieser Position wohlfühlen, und Ilmras eigene ständige Sorge um die Besitztümer des Ordens würde damit ein wenig leichter werden.
»Außerdem wollte ich dir die Namen der Novizinnen mitteilen, die ich während der Feier der Wintersonnenwende zur Priesterin weihen werde. Obwohl ich glaube, dass sie alle sich früher oder später als würdig erweisen werden, habe ich bei diesen Mädchen eine besondere Präferenz gesehen.«
Gespannt sah Ilmra zu der Ordensmutter hinüber. »Ich bin dankbar für die Ehre, dein Vertrauen zu besitzen, hohe Mutter.«
Lenidar