Sie räusperten sich und fuhren fort. Erkelens und Larry wollten besprechen, was geschehen würde, falls sie den Cup gewinnen und nach Hause bringen könnten.*
Larry wollte eine Garantie, dass sein Team den Cup in der Bucht von San Francisco verteidigen würde. Nach den Cup-Regeln hat der verteidigende Yacht-Club das Recht, den Verteidiger auszusuchen. Larry hatte die Sorge, dass der St. Francis Yacht Club ein anderes Syndikat zur Verteidigung auswählen könnte. Eines, das vom »Lieblingssohn« Paul Cayard geführt werden könnte. Dieser gutaussehende charismatische Mann war der Stolz der Bucht und ein ausgezeichneter Segler. 1998 war Cayard der erste Amerikaner, der das Whitbread Round the World Race gewonnen hatte. Und Cayard hatte bereits in einer Handvoll America’s-Cup-Teams ge segelt: 1983, 1987, 1992, 1995 und für den St. Francis Yacht Club im Jahre 2000.
Larry hatte in seinen ersten Rennen auf SAYONARA mit Paul gesegelt. Er war kein Fan von ihm und beschied Erkelens irgendwann, dass er Cayard niemals wieder auf dem Boot haben wollte. Doch Cayard war Teil des Paket-Deals und eine der geplanten Führungsfiguren. Zumindest zu diesem Zeitpunkt.
»Larry, nicht du gewinnst den Cup«, sagte der Vizekommodore Steve Taft, der selbst zwei Cup-Kampagnen gesegelt hatte. »Der St. Francis Yacht Club gewinnt den Cup. Genau wie der New York Yacht Club vor uns, so werden auch wir entscheiden, wer den Cup verteidigt.« Taft und andere erklärten Larry, dass sie voraussichtlich eine Qualifikationsserie ausschreiben würden, wenn sie den Cup gewännen, um den künftigen Verteidiger zu ermitteln. Und dass es Larry freistünde, daran teilzunehmen. Larry wusste, dass die Art und Weise der Auswahl des Verteidigers seitens des New York Yacht Clubs eine persönliche und politische und keineswegs nur eine sportliche Entscheidung sein konnte, nach der das aussichtsreiche Boot ausgewählt würde. Der New York Yacht Club, der den Cup zwischen 1851 und 1983 innehielt und ihn 25-mal verteidigt hatte, behandelte die Regatta wie sein Eigentum.
Den Cup zu gewinnen war seit Jahrzehnten ein Traum des St. Francis Yacht Clubs. Für einige Mitglieder war er zur Obsession geworden. Der Club hatte in den Jahren 1987 und 2000 zwei Syndikate unterstützt. Die Begierde war so stark, dass Club-Mitglieder sogar schon einen provisorischen Regattakurs für den etwaigen Tag entworfen hatten, an dem der Club die Cup-Rennen in die Bucht bringen würde. Die Boote würden ein Dreieck segeln und vor Fisherman’s Wharf starten. Von dort ging es hoch zur Golden Gate Bridge, zu einer Marke nördlich von Alcatraz und dann zurück zum Fisherman’s Wharf.
Seit seiner Premiere war der America’s Cup von den elitärsten Clubs gewonnen worden, zu denen lange Zeit auch der St. Francis Yacht Club zählte. Er war das wahre Zentrum der feinen Gesellschaft San Franciscos. Der Eisenbahnbaron C. Templeton Crocker war einer seiner ersten Kommodores gewesen. Unter seinen heutigen VIP-Mitgliedern waren Persönlichkeiten wie Roy Disney, stellvertretender Vorsitzender des Unternehmens Walt Disney, George Gund, Besitzer des Eishockey-Teams der San José Sharks, Fritz und Lucy Jewett, Langzeit-Fans des America’s Cups, und Ray Dolby, milliardenschwerer Gründer der Dolby Laboratories. Hier waren auch die Weltklassesegler Jeff Madrigali, Paul Cayard und Bob Billingham zu Hause. Und ein Nachwuchsprogramm, das auf die Ausbildung künftiger Champions ausgerichtet war.
Erkelens, der einigen Männern gegenübersaß, mit denen er hier segelnd groß geworden war, wusste, dass sie Larry auch im Falle eines Cup-Sieges und des möglicherweise folgenden Sieges in einer Verteidigerserie immer noch beiseitedrängen konnten, falls sie nicht miteinander auskamen. Es gab da eine Redensart rund um den New York Yacht Club aus den frühen Cup-Zeiten: »Britain rules the waves; America waives the rules.« (Dt.: »England beherrscht die Wellen; Amerika lässt die Regeln außer acht.«). Eine der ersten Regeln, die der New York Yacht Club nach seinem Sieg im Jahre 1851 festlegte, war diese: Alle Wettstreiter mussten die Abmessungen und Design-Details ihrer Boote vorlegen. Das war so, als hätte man die anderen Teams aufgefordert, ihre sportlichen Pläne offen darzulegen. Der St. Francis Yacht Club hatte seine eigenen Regeln. Und was ein Ausschuss genehmigte, konnte der nächste ebenso gut wieder ändern. Der Club hatte zwei Spitznamen: »St. Frantic« (dt.: St. Hektik) aufgrund seiner berühmt-berüchtigten hektischen Mitglieder und – aus jüngerer Zeit – »St. Fancy« (dt.: St. Nobel). Erkelens war sicher, dass sein Boss keine 100 Millionen US-Dollar von seinem privaten Geld ausgeben würde, wenn er keine Garantien erhielte. Sie mussten sich Rechte erkämpfen. Larry erklärte, dass er den Club-Vorstand nicht kontrollieren wolle, dass er aber im Falle eines Sieges definitiv auch die Rolle des Verteidigers übernehmen wolle. Er und Erkelens schlugen vor, einen Vorstand innerhalb des St.-Francis-Vorstands zu installieren, der sich ausschließlich mit America’s-Cup-Angelegenheiten beschäftigen sollte. Sie schlugen vor, zwei ihrer eigenen Teammitglieder in diesem Club-Vorstand zu platzieren. Der St. Francis würde ebenfalls zwei seiner Mitglieder nominieren. Diese vier würden dann ein fünftes Mitglied wählen. So hätten beide Seiten das gleiche Maß an Kontrolle. Der Vorschlag wurde ebenso abgelehnt wie der Name »Oracle« für das Boot. Auch unter Druck war der St. Francis Yacht Club nicht bereit nachzugeben. Das wäre ja, als würde man in San Franciscos »Bohemian Club« für Herren plötzlich auch Frauen einlassen.
Larry, bekleidet mit einem braunen Anzug und einem schwarzen Rollkragenpullover, wurde im Verlauf des Gesprächs immer unbehaglicher zumute. Sein Anzug hatte keine Messingknöpfe, und er trug auch keine Krawatte mit Flaggen oder Schiffen darauf. Er trug überhaupt keine Krawatte. Und er hatte auch keinen Spaß daran, dort zu sitzen und sich sagen zu lassen, wie der America’s Cup funktionierte.
Die Vorstandsmitglieder im St. Francis Yacht Club waren höflich, aber hart wie seine Grammatiklehrer in der Schule. Wann immer Larry in eine Ecke gedrängt wurde, genoss er es, einen unerwarteten Ausweg zu finden. Als er zwölf Jahre alt war, erwarteten seine Eltern, die ihn regelmäßig mit in die Synagoge genommen hatten, dass er eine hebräische Schule besuchte, sodass er die Bar Mitzwa empfangen konnte. Sobald jedoch die »Little League«, eine Softball- und Baseball-Liga für Kinder und Jugendliche in den USA begonnen hatte, entschied sich Larry, nicht mehr zum Unterricht der hebräischen Schule zu gehen. Eines Tages kam der Rabbi zu ihnen nach Hause und sagte seinen Eltern: »Wenn er damit fortfährt, den Hebräischunterricht zu schwänzen, um Baseball spielen zu gehen, dann wird er ausgeschlossen.« Larry gab dem Sport gegenüber dem Hebräisch den Vorzug und wurde – nicht ohne Stolz – aus der Schule hinausgeworfen. Die Bar Mitzwa empfing er nie, aber er verbesserte die Geschwindigkeit seiner Würfe, wenn auch nicht ihre Kontrolle.
Aus der Sicht des St. Francis Yacht Clubs hatte man es hier mit Larry Ellison zu tun, einem der reichsten Männer der Erde, einem, der anfällig war für schillernde Meinungsäußerungen und Superlative, einem Mann, der seinen eigenen Düsenjäger als Pilot steuerte, seine Yacht als Skipper führte und mindestens zehn Hochleistungswagen besaß, alle im gleichen platinfarbenen Ton. Er war ein Mann, der daran gewöhnt war, zu bekommen, was er wollte. Was immer dazu nötig war. Er verkörperte die Neureichen, viele der Vorstandsmitglieder den alten Geldadel. Er studierte Yacht-Clubs, sie wurden in die Clubs hineingeboren.
Der zukünftige Kommodore Hart hörte den Verhandlungen zu. Er mochte Larry und empfand ihn als überraschend liebenswürdig. Doch zu dem Vorschlag, einen Vorstand innerhalb des Vorstands zu etablieren, sagte er: »Das können wir einfach nicht machen.«
Erkelens erkannte, dass sie in einer Sackgasse steckten. Er versuchte zu erklären, dass sie nicht die Macht im Vorstand übernehmen wollten. Sie wollten drei von fünf Mitgliedern in einem neu formierten America’s-Cup-Vorstand platzieren. Taft schüttelte den Kopf. Er sagte, »es würde aussehen, als hätte Larry sich in den Vorstand eingekauft.«
Taft – buschige Augenbrauen in der Form eines Bumerangs, rasierter Kopf und ein vom lebenslangen Segeln wettergegerbtes Gesicht – erklärte: »Der Aufsichtsrat hat nicht die Befugnisse, den Club umzupolen. Wir haben Statuten, Regeln und Vorschriften. Und wir müssen im Rahmen der Gesetze für gemeinnützige Vereine agieren. Zu allem benötigen wir die Zustimmung der Mitglieder. In der Satzung steht beispielsweise, dass man acht Jahre Vereinsmitglied sein muss, bevor man einen Vorstandsposten übernehmen kann. Und wir können keine Mitglieder im Vorstand haben, die nicht gewählt worden sind.«
In Larrys Kopf ging das