Die Histoire Naturelle fasste das Wissen des 18. Jahrhunderts zusammen. Es steckt im Grunde voller Merkwürdigkeiten, weil es einerseits noch weit weg war von modernen biologischen Erkenntnissen, sich andererseits aber so weit von der kirchlichen Lehre entfernte, dass man darin durchaus Ansätze der Evolutionstheorie erkennen kann. Nicht mit den Dogmen der Kirche vereinbar war, dass Buffon das Alter der Erde auf 75.000 Jahre errechnete, sie sogar auf ein Alter von mehr als 100.000 Jahre schätzte, vielleicht wäre sie sogar älter als 300.000 Jahre. Dass ihn dies in Schwierigkeiten mit der Kirche brachte, ist nicht verwunderlich, galt doch zur jener Zeit das von Theophilus von Antiochia aus den Angaben der Bibel errechnete Datum 5529 vor Christi Geburt als das Schöpfungsjahr der Erde.
Seine These gründete dennoch auf der Schöpfungsgeschichte der Bibel, indem er den Schöpfungsakt nicht in Tagen sondern in Epochen vollzogen sah. In der ersten Epoche sei die Erde flüssig gewesen, in den folgenden Epochen habe sich das heutige Bild der Erde unter allmählicher Abkühlung mehr und mehr geformt. Die ersten Großsäugetiere wie Nilpferd und Elefant hätten in der fünften Epoche auf der noch warmen Erde gelebt. In der kühleren sechsten seien Mammuts und andere eiszeitliche Tiere aufgetreten. Die siebte und letzte Epoche schließlich gehörte dem Auftreten des Menschen.
Buffon genoss allerhöchstes Ansehen, die Histoire Naturelle gehörte zur Pflichtlektüre gebildeter Stände und war in allen bürgerlichen Stuben zu finden, so wie später das Konversationslexikon. Es förderte und prägte das unabhängige Denken im Zeitalter der Aufklärung. Für viele Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts, allen voran Jean-Baptiste de Lamarck und Charles Darwin, war es Orientierung und Anregung zugleich.
Sein Hauptwerk, zu dem er die ersten 37 Bände selbst oder zusammen mit den Koautoren, Louis-Jean-Marie Daubenton (1716–1800), Gabriel Léopold Charles Aimé Bexon (1748–1784) und Philibert Abbé Guéneau de Montbéliard (1720–1785) beisteuerte, erfuhr posthum zahlreiche Neuauflagen und Erweiterungen. Die Bände 38 bis 45 der ersten Ausgabe stammen aus der Feder von Bernard Germain Etienne Comte de Lacépède (1756–1825) und behandeln die Reptilien (Bände 38 & 39), die Fische (Bände 40 bis 44) und die Wale (Band 45). Zwischen 1799 und 1808 entstand eine 65-bändige Ausgabe, die erstmals auch Insekten, Krebstiere, Mollusken (Schnecken, Tintenfische u.a.) und Pflanzen einschloss. Die 80-bändige Ausgabe schließlich, die zwischen 1801 und 1803 herausgegeben wurde, stellt eine von weiteren Wissenschaftlern stark erweiterte und teilweise neu bearbeitete Ausgabe von Buffons Werk dar. Die deutsche Übersetzung erschien zwischen 1750 und 1788 in Leipzig und entsprach in ihrer Bandzählung weitgehend der ersten französischen Ausgabe.
Werke
Buffon, G.-L. L., Comte de, 1749–67: Histoire Naturelle, Générale et Particulaire: avec la Description du Cabinet du Roy. Paris, Bde. 1: Théorie de la terre, 2 & 3: Histoire naturelle de l’homme, 4–15: Histoire naturelle des aniamux quadrupèdes.
Buffon, G.-L. L., Comte de, Daubenton, L. J.-M., Montbeillard, Ph. G. de & l’abbé Bexon, G. L. Ch. A., 1770–1786: Histoire Naturelle, Générale et Particulaire, avec la Description du Cabinet Du Roi. Paris, Histoire Naturelle des Oiseaux I–IX. Bde. 16–24.
Buffon, G.-L. L., Comte de & Daubenton, L. J.-M., 1749–1767: Histoire Naturelle, Générale et Particulaire: avec la Description du Cabinet du Roy. Paris, Bde. 25: Théorie de la terre, introduction à l’histoire des minéraux, 26: Théorie de la terre, parties expérimentale et hypothétique, 27: Animaux quadrupèdes, 28: Histoire naturelle de l’homme, 29: Des époques de la nature, suite à la théorie de la terre, 30 & 31: Animaux quadrupèdes.
Buffon, G.-L. L., Comte de, 1766–1785: Histoire Naturelle, Générale et Particulaire, avec la Description du Cabinet Du Roi. Paris, Histoire Naturelle des Minéraux I–V. Bde. 32–37.
Conte Giovanni Antonio Scopoli
(13.6.1723–8.5.1788)
Der Tiroler Arzt und Naturforscher war ein hervorragender Kenner der Tier- und Pflanzenwelt. Er gehörte zu den ersten, die die von Linné entwickelte binominale Nomenklatur konsequent angewendet und weiter verbreitet haben. 943 Pflanzenarten und Unterarten wurden von ihm neu beschrieben.
Der Sohn eines Juristen wurde am 13. Juni 1723 in Cavalese in Tirol geboren. Er studierte Medizin in Innsbruck und ließ sich nach seinem erfolgreichen Studienabschluss zunächst in seinem Heimatort und dann in Venedig als Arzt nieder. Zwischen 1754 und 1769 arbeitete er als Arzt in einem Bergwerk der slowenischen Provinz Krain.
Da das Medizinstudium zu jener Zeit auch die Tier- und Pflanzenkunde einschloss, brachte der Arzt Scopoli die Voraussetzung mit, sich auf wissenschaftlichem Niveau der heimischen Tier- und Pflanzenwelt zu widmen. Seine in dieser Zeit zusammengetragenen, umfangreichen Sammlungen, die Grundlage für seine beiden Hauptwerke, die Flora Carniolica von 1760 und die Entomologica Carniolica von 1763, sollen 1766 durch ein Feuer komplett vernichtet worden sein.
Scopoli unterhielt einen regen Schriftwechsel mit Carl von Linné. Der stete Gedankenaustausch veranlasste ihn, die binominale Nomenklatur des schwedischen Forschers für seine eigenen Arbeiten zu berücksichtigen. Daher (und weil sie nach 1758 erschienen sind) genießen alle von Scopoli neu beschriebenen Tier- und Pflanzenarten heute Priorität.
Der Direktor des Bergwerks in Krain, bei dem er als Arzt beschäftigt war, zeigte sich unzufrieden mit Scopoli, weil er zu viel Zeit auf seine naturkundlichen Arbeiten verwenden würde. Deshalb wechselte er 1769 nach 16 Jahren Dauerstress an die Bergakademie in Schlemnitz, wo er als Professor für Chemie, Mineralogie und Metallurgie mehr Freiheiten genoss. Seine letzte Wirkungsstätte fand er ab 1777 an der Universität zu Pavia, wohin er auf den Lehrstuhl für Naturgeschichte berufen wurde. Bis zu seinem Tod am 8. Mai 1788 unterrichtete er Chemie und Botanik.
In Würdigung seiner wissenschaftlichen Leistung trägt das bei Nachtschattengewächsen verbreitete Alkaloid Scopolamin seinen Namen. Auch eine Pflanzengattung der Nachtschattengewächse, das Tollkraut (Scopolia), ist ihm gewidmet.
Werke
Scopoli, G. A., 1760: Flora Carniolica exhibens plantas Carniolae indigenas et distributas in classes naturales cum differentiis specificis, synonymis recetiorum, locis natalibus, nominibus incolarum observationibus selectis, viribus medicis. Wien, 607 S.
Scopoli, G. A., 1763: Entomologica Carniolica exhibens insecta Carnoliae indiguena et dustributa in ordines, genera, species, varietas, methodo Linneana. Wien, 420 S.
Scopoli, G. A., 1769–72: Anni historico-naturales. Leipzig, 5 Bde., 667 S.
Scoppoli, G. A., 1772: Flora carniolica; exhibens plantas Carnioliae indigenas et distributas in classes, genera, species, varietas ordine linneano. Wien, 65 S.
Scopoli, G. A., 1777: Introductio ad historiam naturalem sistens genera lapidum, plantarum, et animalium hactenus detecta, caracteribus essentialibus donata, in ntribus divisa, subinde ad leges naturae. Prag, 506 S.
Scopoli, G. A., 1783–86: Fundamenta botanica. Pavia, 174 S.
Scopoli, G. A., 1783–86: Fundamenta botanica praelectionibus publicis accommodata. Wien, 188 S.
Scopoli, G. A., 1786–88: Deliciae Flora et Fauna Insubricae, seu novae, aut minus cognitae species plantarum et animalium quas in insubria Austriaca tam spontaneas, quam exoticas vidit descripsit et aeri indici curavit. Pavia, 3 Bde., 287 S.
Hans