Als ich studierte, waren an der Fakultät für Physik T-Shirts populär, auf die ein Verkehrsschild gedruckt war, das ein Tempolimit von einer Milliarde Kilometer in der Stunde anzeigte. »Das ist kein Witz«, stand unter dem Schild. »Das ist ein Gesetz.« Schneller als 300 000 Kilometer in der Sekunde oder eben eine Milliarde Kilometer in der Stunde können weder Raumschiffe noch winzige Materieteilchen durchs All schießen. Physiker kürzen die Lichtgeschwindigkeit mit einem kleinen »c« ab. Wenn Licht nicht den leeren Raum durchquert, sondern etwa Glas oder Wasser, dann wird es etwas langsamer. Aber im All ist die Lichtgeschwindigkeit immer gleich. Der Physiker Albert Einstein hat diese Aussage wörtlich genommen, als er 1905 den ersten Teil seiner Relativitätstheorie formulierte und die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zu einem ihrer Grundpfeiler machte.
Dass die Lichtgeschwindigkeit immer gleich ist, kann man sich an einem Raumschiff verdeutlichen, das bereits auf halbe Lichtgeschwindigkeit beschleunigt hat. Was geschieht, wenn es seine Scheinwerfer anschaltet? Verlässt das Licht dann die Scheinwerfer mit anderthalbfacher Lichtgeschwindigkeit? Nein, sagt Einstein, so darf man die Geschwindigkeiten nicht addieren. Das Licht verlässt die Scheinwerfer mit Lichtgeschwindigkeit. Weil Einstein an diesem Punkt festhielt, musste er viele andere vermeintliche Gewissheiten aufgeben und wurde am Ende dadurch belohnt, dass alles gut zusammenpasst: Für den Piloten des Raumschiffs vergeht die Zeit langsamer als für einen Beobachter, der die Szene von einem Planeten aus mit einem Fernrohr verfolgt. Wenn der Beobachter ins Innere des Raumschiffs blicken könnte, würde es ihm vorkommen, als laufe das Leben dort in Zeitlupe ab. Wenn er aber die Geschwindigkeit des Scheinwerferlichts misst, dann kommt er nicht auf die anderthalbfache Lichtgeschwindigkeit, sondern genau auf c. Der Pilot merkt von der Zeitlupe hingegen nichts – für ihn verkürzt sich vielmehr die Strecke, die er zurücklegen muss. Auch aus seiner Sicht breitet sich das Scheinwerferlicht daher so schnell aus, wie es für das Licht üblich ist.
Sich an diese Konsequenzen zu gewöhnen, fiel auch Einsteins Kollegen zunächst schwer. So bekam er für die Relativitätstheorie nie den Nobelpreis. Aber ausgezeichnet wurde er trotzdem, denn zwischen Frühjahr und Herbst 1905 klärte Einstein nebenberuflich – er arbeitete damals am Patentamt in einer 48-Stunden-Woche – so viele physikalische Phänomene auf einmal auf, dass es für drei oder vier Nobelpreise gereicht hätte. Und heute ist die Relativitätstheorie durch viele Präzisionsexperimente gut bestätigt. So kann man zum Beispiel messen, dass instabile Teilchen langsamer zerfallen, wenn sie schnell unterwegs sind. Für hoffnungsvolle Raumfahrer ist vor allem eine Konsequenz wichtig: Man kann die Lichtgeschwindigkeit nicht erreichen, weil die Energie, die der Antrieb benötigt, ins Unermessliche steigt.
In der Nähe von Genf, an der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich, bekommt man ein Gefühl von den Energien, um die es hier geht. Dort liegt in einem 27 Kilometer langen Ringtunnel unter der Erde der Teilchenbeschleuniger LHC des Forschungszentrums CERN. Der Beschleuniger bringt Protonen, also kleinste Elementarteilchen, fast auf Lichtgeschwindigkeit. Es fehlen ihnen am Ende gerade einmal zehn Stundenkilometer. Alle Protonen zusammen, die im Ring kreisen, wiegen im Normalzustand 50 Milliardstel Gramm. Aber wenn sie beschleunigt werden, nimmt ihre Masse zu – und das nicht zu knapp. Man sieht das an den Vorkehrungen für den Notfall. Wenn der Teilchenstrahl seine Bahn verlassen sollte und droht, die Geräte zu beschädigen, werden die Protonen sicherheitshalber auf einen mehrere Meter langen und mit Stahl ummantelten Grafitblock geleitet, um sie unschädlich zu machen. Der Block wird dabei einige hundert Grad heiß. Die Energie der superschnellen Protonen entspricht der eines ICE-Zugs, der mit 150 Kilometern in der Stunde auf einen Prellbock stößt. Wie viel Energie, kann man sich nun überlegen, müsste man aufwenden, um ein mehrere Tonnen schweres Raumschiff auf die Geschwindigkeit der Teilchen zu bringen? Zwischen den Größenordnungen von einigen Milliardstel Gramm (für die Protonen) und einigen Tonnen (für das Raumschiff) liegt der Faktor von einer Billiarde. Man bräuchte demnach ungefähr die Energie für den Betrieb von einer Billiarde ICE-Zügen.
Vor einigen Jahren stolperte eine Arbeitsgruppe am CERN jedoch über einen besonderen Befund: Sie hatte Teilchen gemessen, die schneller geflogen waren als das Licht. Es handelte sich um Neutrinos, die gelegentlich als »Geisterteilchen« bezeichnet werden, weil sie Materie durchdringen, ohne langsamer zu werden. Große Mengen Neutrinos waren unterirdisch vom CERN zu einem Detektor im italienischen Bergmassiv Gran Sasso geschickt worden. Dort kamen sie nach einem Flug von 730 Kilometern um etwa 60 Milliardstelsekunden zu früh an, was einer Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit um 0,0025 Prozent entspricht. Das ist nicht viel, aber doch entscheidend, weil Einsteins Tempolimit keine Ausnahmen erlaubt. Die Arbeitsgruppe entschloss sich zu einem ungewöhnlichen Schritt und ging mit ihrer Messung an die Öffentlichkeit. Im Herbst 2011 erläuterten die Physiker in einem Seminar, dass sie sich nicht zu helfen wüssten: Die Messung widerspreche zwar allen bisherigen Tests der Relativitätstheorie und sei daher nicht besonders glaubwürdig, aber man habe trotz langer Suche keinen Fehler im Experiment gefunden.
Einige Monate später tauchte der Fehler dann doch auf: Ein Glasfaserkabel war nicht richtig eingesteckt, so dass ein Zeitsignal etwas verzögert im Labor ankam. Wenn man diesen Fehler herausrechnete, flogen die Neutrinos mit Lichtgeschwindigkeit – also so, wie man es erwarten würde. Aus meiner Sicht hat dieser Fall gezeigt, wie gut Wissenschaft funktionieren kann: Man geht gemeinsam einem überraschenden Ergebnis auf den Grund und wirft eine etablierte Theorie wie die von Einstein nicht ohne Not über Bord. Doch einigen Physikern war die öffentliche Diskussion über den Messfehler unangenehm, und es gab intern einige Kritik am Vorgehen des Teams. Am Ende trat der Sprecher der Arbeitsgruppe zurück, damit wieder Ruhe einkehren konnte.
Überlassen wir also die Lichtgeschwindigkeit fürs Erste dem Licht und allen anderen Wellen des elektromagnetischen Spektrums, etwa den Radiowellen und den Röntgenstrahlen. Alle diese Strahlen legen in einer Stunde eine Milliarde Kilometer zurück und in einem Jahr 9,5 Billionen Kilometer. Diese Entfernung wird daher »ein Lichtjahr« genannt.
Innerhalb des Sonnensystems macht diese Einheit noch keinen Sinn. Hier spricht man von Lichtminuten; das Licht der Sonne braucht zum Beispiel acht Minuten zur Erde. Aber schon das nächstgelegene Sternsystem Alpha Centauri ist vier Lichtjahre entfernt. Die Milchstraße, unsere Heimatgalaxie, ist dann schon 100 000 Lichtjahre im Durchmesser, und bis zur Galaxie Andromeda sind es 2,5 Millionen Lichtjahre weit. Und das bedeutet, dass sie uns heute so am Himmel erscheint, wie sie vor 2,5 Millionen Jahren war.
Doch diese Vorstellung hat einen Haken, und man muss sich noch mit einem weiteren physikalischen Phänomen vertraut machen, nämlich mit der Ausdehnung des Raums. Das Universum ist keine große, stabile Kiste, in der die Sterne und Galaxien schweben. Es verändert sich vielmehr: Es wird immer größer. Wenn man sich vorstellt, die Erde würde sich aufblähen wie ein Luftballon, bekommt man einen ersten Eindruck von der Problematik, die sich daraus ergibt: Die Strecken werden länger. Ein ICE braucht zum Beispiel, wenn alles gut läuft, 134 Minuten von Stuttgart nach Köln. Würde die Erde aber dauernd wachsen, würde sich die Fahrt verlängern, während man im Zug sitzt. So geht es auch dem Licht: Während es den Raum in Richtung Erde durchquert, wird die Strecke immer größer, als würde jemand ein Gummiband in die Länge ziehen. Wenn Astronomen also das Licht einer Galaxie registrieren, das vier Milliarden Jahre alt ist, dann ist die Galaxie nicht vier Milliarden Lichtjahre entfernt. Beim Aussenden des Lichts war sie viel näher an der Erde als vier Milliarden Lichtjahre – und sie ist heute viel weiter entfernt, weil sich der Raum in der Zwischenzeit ausgedehnt hat.
Kehrt man diese Entwicklung gedanklich einmal um, dann wird das Universum immer kleiner. Irgendwann vor langer Zeit muss es sehr klein gewesen sein – und alles in ihm entsprechend dicht gedrängt. Zu Beginn war das Universum sogar praktisch nur ein Punkt, was man sich zwar nicht vorstellen, aber immerhin mathematisch beschreiben kann. Dieser Zustand liegt 13,8 Milliarden Jahre zurück, und was damals geschah, bezeichnen wir als Urknall: Der Raum blähte sich explosionsartig auf. Man muss sich aber vor der