Die Bilder von der Oberfläche des Titans haben damals gut eine Stunde zur Bodenstation auf der Erde gebraucht. Der Saturn-Mond war im Januar 2005 also rund eine Lichtstunde von der Erde entfernt. In der Astronomie ist das ein Katzensprung. Der nächste Stern, Alpha Centauri – um genau zu sein, handelt es sich um ein Sternsystem –, ist schon mehr als vier Lichtjahre entfernt. Und das Licht der beeindruckenden Quasare, die wir noch kennenlernen werden, war mehrere Milliarden Jahre zu uns unterwegs. Man kann sich vorstellen, dass Quasare sehr hell sein müssen, wenn wir sie aus dieser großen Entfernung noch sehen können. Und man fragt sich unwillkürlich, ob sie heute noch leuchten, denn man sieht das Licht, das sie vor Milliarden Jahren ausgestrahlt haben. Auf die Ankunft des Lichts, das sie eventuell heute ausstrahlen, werden wir auf der Erde also noch sehr lange warten müssen.
Am besten erkennt man Quasare übrigens mit Radioteleskopen, deren große, weiße Schüsseln nicht das Licht, sondern Radiowellen einsammeln. Vieles im Weltall zeigt sich nämlich nicht im Bereich des sichtbaren Lichts, sondern in anderen Formen der elektromagnetischen Strahlung. Zu dieser Art von Strahlung gehören auch Radiowellen, Infrarot- und Röntgenstrahlen. Deshalb nutzen Astronomen ganz unterschiedliche Instrumente.
Manche Teleskope sitzen auf Bergkuppen in trockenen Regionen, weil der Himmel dort seltener bedeckt ist und das Licht, das die Städte abstrahlen, nicht stört. In der chilenischen Atacama-Wüste, in 3000 Meter Höhe, baut die Europäische Südsternwarte (ESO) zum Beispiel gerade das Extremely Large Telescope, das 2024 sein erstes Sternenlicht empfangen soll. Im Unterschied zu früheren Observatorien wie dem Very Large Telescope in Chile, bei dem vier Teleskope mit einem Durchmesser von jeweils acht Metern zu einem virtuellen Großgerät zusammengeschaltet wurden, ist man inzwischen in der Lage, ein einzelnes Teleskop mit einem Durchmesser von sagenhaften 39 Metern zu bauen. Andere Observatorien schießt man gleich ins dunkle All, weil die geplanten Messungen nur dort möglich sind – wenn auch teurer und aufwendiger, weil man die Geräte nur unter großen Mühen reparieren kann. Die fliegende Sternwarte SOFIA, ein deutsch-amerikanisches Teleskop in einem umgebauten Jumbojet, bildet da einen Kompromiss: In zwölf Kilometer Höhe beobachten Astronomen an Bord die Sterne; damit lassen sie den größten Teil der Erdatmosphäre unter sich, die das Infrarotlicht aus dem All verschluckt. Allerdings können die Instrumente nach jedem Flug gewartet oder ausgetauscht werden.
Wie sehr das künstliche Licht bei der Beobachtung stört, kann man leicht selbst feststellen. In Städten wird zum Beispiel das leuchtende Band der Milchstraße überstrahlt, das sich über den Himmel zieht. Man sieht in klaren Nächten vielleicht einige Dutzend Sterne und, wenn sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, noch ein paar mehr. Wenn ich im Urlaub wandern gehe, überrascht es mich dagegen immer wieder, wie viele es sein können. Allen Stadtmenschen sei versichert: der ungestörte Blick in den Nachthimmel hat auch für Nicht-Astronomen seinen Reiz! Australien hat einmal mit einem hübschen Slogan dafür geworben, die Hotels der Städte gegen ein Zelt im Outback einzutauschen: »Warum sich mit fünf Sternen begnügen, wenn man eine Million haben kann?« Die Werbung ist allerdings ein wenig übertrieben, denn selbst wenn es wirklich dunkel ist, sieht man mit dem bloßen Auge nur einige tausend Sterne.
Die sichtbaren Sterne gehören alle zur Milchstraße, unserer Heimatgalaxie. Sie stellen aber nur einen kleinen Ausschnitt aller Sterne dar, denn die Milchstraße beherbergt mehr als 100 Milliarden Sterne. Um sich zu vergegenwärtigen, wie viele das sind, kann man allerlei Vergleiche anstellen. Solche Vergleiche sind naturgemäß vage, geben im besten Fall aber immerhin ein Gefühl für die Größe. Probieren wir es aus: Wäre jeder Stern ein Sandkorn (nehmen wir einmal Feinsand in Form von kleinen Würfeln mit einer Kantenlänge von 0,2 Millimetern), könnte man damit mindestens ein Dutzend Umzugskartons mit einem Volumen von je 70 Litern füllen. Falls es doppelt oder dreimal so viele Sterne sein sollten – so genau weiß man das nicht –, dann sind es eben zwei oder drei Dutzend Kartons.
Und das ist noch nicht alles, es kommt noch ein gedanklicher Schritt hinzu: Es dürfte im Universum mehr als 100 Milliarden Galaxien geben – nach neuesten Schätzungen sogar mehr als eine Billion. Das wäre dann ein Würfel von Umzugskartons, der je neun Kilometer hoch, breit und tief ist. Manchmal muss man dann jedoch auch zugeben, dass die Vergleiche so absurd werden, dass sie am Ende kaum noch etwas vermitteln.
In jedem Fall sollte einen die schiere Menge der Sterne stutzig werden lassen: Warum sieht man so wenige von ihnen? Müssten sie – alle zusammengenommen – den Nachthimmel nicht taghell erleuchten? Vor 200 Jahren hat man vermutet, dass dichte Wolken einen Großteil des Lichts verschlucken. Solche Wolken gibt es tatsächlich, doch sie liefern nicht die Antwort auf die Frage. Wenn das Weltall unendlich viele Sterne enthielte, die schon seit einer Ewigkeit leuchten, dann wäre der Nachthimmel in der Tat ziemlich hell, weil sich die Wolken mit der Zeit aufheizen würden. Schaut man jedoch abends in den Himmel, macht man ganz nebenbei eine wichtige astronomische Beobachtung: dass es nicht so ist. Die Sterne leuchten nur einige Milliarden Jahre, manche sterben schon viel früher, und das Universum ist erst einige Sterngenerationen alt. Das Licht vieler Sterne hat die Erde daher noch gar nicht erreicht, und das Licht mancher Sterne wird es auch nie zu uns schaffen, weil das Universum immer weiter wächst und damit die Abstände zwischen den Sternen und Galaxien immer größer werden. Auch wenn es sehr viele Sterne geben mag, wirken sie in der Weite des Alls daher ziemlich verloren. Das Universum ist wirklich groß, und es ist größtenteils leer oder nur von einem ganz dünnen Gas erfüllt.
Und die Erde erst! Wie verloren ist sie? Mit dieser bangen Frage beginnt für mich die Astronomie. Sie ist nicht zuletzt der Versuch, unseren Platz im Universum zu bestimmen. Für ein solches Interesse spricht, dass anscheinend seit Jahrtausenden Menschen vom Nachthimmel fasziniert sind. Es gibt Archäologen, die in den prähistorischen Malereien in der französischen Höhle von Lascaux Konstellationen am Himmel erkennen. In jedem Fall haben viele spätere Kulturen versucht, Ordnung in den Himmel zu bringen. Sie erstellten auf diese Weise nützliche Kalender – und sie fanden auch einen Platz für den Menschen im kosmischen Gefüge. Heute sehen wir jedoch nicht mehr die Erde im Mittelpunkt des Universums, und ebenso wenig die Sonne. Aber wo stehen wir dann?
Zunächst liefert die Wissenschaft eine technische Antwort, eine Art kosmischer Ortsbestimmung: Die Erde kreist mit einer Geschwindigkeit von 100 000 Kilometern in der Stunde um die Sonne; sie braucht bekanntermaßen ein Jahr für eine Umrundung. Die Sonne mit ihren acht Planeten und vielen kleineren Asteroiden und Kometen fliegt wiederum mit 800 000 Kilometern in der Stunde um das helle Zentrum der Milchstraße; ein galaktisches Jahr dauert für das Sonnensystem mehr als 200 Milliarden Jahre. Unsere Heimatgalaxie ist eine flache Scheibe mit mehreren langen Armen, die in Spiralen nach außen gehen. Das Sonnensystem liegt im Orion-Arm und ist gut 25 000 Lichtjahre vom Zentrum entfernt – auf halber Strecke zum Rand. In der Nähe der Milchstraße befinden sich einige Zwerggalaxien und auch größere Galaxien wie Andromeda. Zusammen bilden sie eine Struktur, die in der Astronomie etwas phantasielos »Lokale Gruppe« genannt wird.
Entfernung in km | Entfernung in Lichtjahren | |
Sonne – Erde | 150 000 000 | 0,000015 (8 Lichtminuten) |
Sonne – Rand des Sonnensystems | 22 000 000 000 | 0,002 (20 Lichtstunden) |
Sonne – Proxima Centauri (der nächstgelegene Nachbarstern) | 40 000 000 000 000 | 4,2 |
Durchmesser der Milchstraße | 950 000 000 000 000 000 | 100 000 |
Erde – Galaxie Andromeda | 24 000 000 000 000 000 000 | 2 500 000 |
Durchmesser des beobachtbaren Universums |
880 000
|