Jüdisches Biel
Ein Porträtbuch
Melissa Flück
Joke Mollet (
«Meinen religiösen Weg machte ich für mich selbst.»
Georges Rosenfeld (
«Die Begegnung auf dem Zentralplatz liess mich nicht mehr los.»
Haim Madjar (
«Religiös bin ich nicht. Ich bin lediglich, sagen wir, traditionell.»
Ofer Fritz (
«Es sind die Traditionen, die ich pflegen möchte.»
Charlotte Schnegg (
«Schön an der jüdischen Religion ist, dass man über alles diskutieren kann.»
Avinoam Levy (
«Die Juden haben in der Stadt Biel viele Spuren hinterlassen.»
Yona Fritz (
Yaron Maor (
«Biel mag ich nicht so, Zürich ist eher meine Stadt.»
Simon Lauer (
«Es war schön, in Erinnerungen zu schwelgen.»
Die Jüdische Gemeinde Biel im Kontext Von Stefanie Mahrer
Vorwort
Zachar – hebräisch für «erinnern». Das Judentum kennt viele Rituale des Erinnerns. Das Verb «erinnern», so habe ich nachgelesen, kommt im Alten Testament 169-mal vor. Und nun liegt ein Porträtband über Bielerinnen und Bieler jüdischen Glaubens vor. Darüber freue ich mich sehr.
Nur wer die Erinnerung pflegt, kann die Gegenwart verstehen und die Weichen für die Zukunft stellen. Dieses Buch trägt dazu bei, die reiche Geschichte jüdischen Lebens in Biel in ihrer ganzen Vielfalt zur Sprache zu bringen und unterschiedliche Personen jüdischen Glaubens in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Auf diese Weise entsteht ein höchst vielschichtiges Bild der Entwicklung jüdischen Lebens in Biel. Und was ich an dieser Stelle besonders hervorheben will: Im öffentlichen Raum ist die reiche Geschichte der Jüdischen Gemeinde Biel heute kaum noch sichtbar. Dabei erlebte das Bieler Judentum ab Ende des 19. Jahrhunderts eine eigentliche Blütezeit. Das Gemeindeleben wurde rege gepflegt, und auch wirtschaftlich haben Jüdinnen und Juden vieles zur Entwicklung der Stadt beigetragen. Auch wird sichtbar, wie vielfältig Jüdinnen und Juden im Laufe der Geschichte ihr Leben gestalteten und ihren Glauben lebten – so wie dies auch heute der Fall ist. Dies führt den Leserinnen und Lesern einmal mehr vor Augen, dass das Judentum – allen Vorurteilen zum Trotz – so nicht existiert, so wenig wie es die Christen, die Buddhisten oder die Moslems gibt.
Und doch gibt es im Judentum eine einigende Erfahrung jenseits aller kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Unterschiede: jene des jahrhundertealten Antisemitismus, der letztendlich in die Shoah mündete. Auch unsere Stadt war und ist davor leider nicht gefeit. Umso mehr sehen wir hier die Verpflichtung der heutigen und künftigen Generationen, die sprichwörtliche Toleranz unserer Stadt hochzuhalten und jeglicher Diskriminierung – gegenüber welchen Gruppen oder Religionen auch immer – eine unmissverständlich klare Absage zu erteilen.
Erich Fehr, Stadtpräsident von Biel
Einleitung
Die Idee, Zeugnisse des jüdischen Lebens in Biel sichtbar zu machen, stand am Anfang. Entstanden ist ein Buch, das Erinnerungen, Meinungen und Anekdoten jüdischer Bielerinnen und Bieler versammelt.
Einst sehr bedeutend, umfasst die Jüdische Gemeinde Biel heute nur noch eine Handvoll Mitglieder, umso mehr kommt diesem Buch eine wichtige kulturhistorische Bedeutung zu. Die historische Dimension der Jüdischen Gemeinde Biel bis 1945 legte Annette Brunschwig in der Publikation «Heimat Biel» 2011 umfassend dar. Im Gegensatz dazu soll im vorliegenden Porträtbuch auf die Lebenswelt der gegenwärtigen Gemeindemitglieder fokussiert werden. Meine Absicht war es, die Akteurinnen und Akteure selbst zu Wort kommen zu lassen.
Neun Personen haben sich bereit erklärt, mir aus ihren Leben zu erzählen. Einige weitere haben aus verständlichen und leider sehr realen Bedenken abgesagt. Die Gefahr, die mit der Exponierung als Jüdin oder Jude einhergeht, war ihnen aufgrund zunehmender antisemitischer Tendenzen in der Schweiz zu gross.
Die Menschen in diesem Buch vereint ein Bezug zu Biel und zum Judentum. Im Fokus der Porträts stehen Wahrnehmungen und Erinnerungen zur Entwicklung des Bieler Judentums im 20. und 21. Jahrhundert, das persönliche Verständnis von Judentum und Religion sowie auch Geschichten aus dem Leben allgemein. Welche Bedeutung das Jüdische in ihrem Leben hat oder in der Vergangenheit hatte, ist jedoch so individuell wie die Porträtierten selbst.
Jedes Porträt steht exemplarisch für sich alleine, im Zusammenspiel mit den anderen Lebensgeschichten erschliessen sich der Leserin und dem Leser aber auch offensichtliche und subtile Bezüge. In der Summe ergibt sich eine bereichernde Vielzahl von Blickwinkeln.
Die Gespräche sind Momentaufnahmen, die zwischen Juli 2017 und September 2019 entstanden sind. Während die Erzählung in den Porträts an einigen Stellen ausführlich ist, bleibt sie an anderen unvollständig und lückenhaft. Die Erinnerung an gewisse Geschehnisse ist im Laufe der Zeit verblasst. Nicht geschichtliche Ereignisse, sondern die individuelle Wahrheit der jeweiligen Person steht im Zentrum.
Die Porträtierten,