„Danke für die Blumen, Brüderchen“, erwiderte William. „Aber wenn Du der Meinung bist, Du kannst es besser, dann bitte schön! – Marie, heute bringt Dich Dein Onkel ins Bett! Wie findest Du das?“
„Au ja; aber ich bin doch gar nicht müde!“
William lachte.
Harry knurrte.
William grinste seinen Bruder provozierend an, welcher darauf natürlich sofort ansprang. Er nahm die Herausforderung an und wandte sich nun an seine kleine Nichte, die er liebte als sei sie seine eigene Tochter: „Aber Du musst doch schlafen, damit Du morgen auch durchhältst.“
Fragend sah Marybeth ihren Onkel an.
„Weißt Du denn nicht, was morgen ist?“
„Geburtstag!“, schrie Marie begeistert.
„Richtig. Und weißt Du schon, was Du Dir wünscht; was möchtest Du geschenkt bekommen?“, fragte Harry weiter und setzte sich in einen Sessel.
„Harry!“, brummte William ernst.
„Was? Ich habe noch kein Geschenk und da wollte ich meine Nichte einfach einmal fragen, was sie gerne hätte.“
William verdrehte die Augen, da er genau wusste, was seine Tochter jetzt darauf antworten würde. „Ein Pferd!“
Überrascht sah Harry in die Runde. „Du wünscht Dir also ein Pferd? Aber dafür bist Du doch noch viel zu klein!“, versuchte Harry seine Nichte zu beschwichtigen.
„Gar nicht, werde vier!“, gab Marybeth erhobenen Hauptes von sich und zählte vier Finger an ihrer rechten Hand ab und zeigte sie ihm dann. Harry musste unweigerlich schmunzeln.
„Na schön, komm mal her, kleine Prinzessin! Ich verspreche Dir, wenn Du jetzt ganz schnell einschläfst, dann bekommst Du morgen ein Pferd, das Dir ganz alleine gehört. Na, wäre das was?“, fragte Harry begeistert. Marybeth bekam ganz große Augen, strahlte über das ganze Gesicht und lief schnell zu ihrem Onkel herüber.
Er nahm sie auf den Arm und wollte sie nun zu ihrem Bettchen bringen, doch schon protestierte Marie von Neuem. „Vorher fliegen!“
William musste kichern, denn seine Tochter konnte wirklich hartnäckig sein, und das mit ihren kaum vier Jahren. Währenddessen zuckte Harry nur mit den Schultern, hob seine Nichte hoch über den Kopf und ließ sie durchs Zimmer fliegen. Marybeth lachte abermals aus vollem Herzen.
„Achtung, Papa, weg da! Der Düsenjet Marie setzt zur Landung an!“, rief Harry und ließ Marie sogleich aufs Kinderbett plumpsen und griff nach der Tagesdecke.
Abermals protestierte Marybeth. „Bin nicht müde! Ich will zu meiner Mama!“, jammerte sie. Harry seufzte.
„Na, den Mund wohl zu voll genommen, was?“, piesackte William seinen Bruder.
Doch Harry grinste bereits schon wieder, denn er hatte eine Idee: „Okay, kleine Prinzessin, wir gehen jetzt zu Deiner Mama und schauen, was sie macht. Wenn Deine Mutti schläft, legst Du Dich neben sie und schläfst auch, einverstanden?“ Marybeth sah ihren Onkel stirnrunzelnd an. „Und wenn Deine Mum nicht schläft, dann brauchst Du heute keinen Mittagsschlaf machen. Na, wäre das was?“
Marybeth’ Augen fingen sogleich vor Freude wieder an zu strahlen. William sah derweil entsetzt seinen Bruder an. Doch dieser nickte nur wissend. „Wir müssen jetzt aber ganz leise sein, falls Deine Mami schläft. Also psssst!“
Marybeth legte sich beide Hände auf den Mund, während Harry sie wieder auf den Arm hob. Gemeinsam gingen sie auf leisen Sohlen ins angrenzende Schlafgemach von William und Jane. Und wie sollte es auch anders sein, lag Jane auf dem Bett und schlief. Prompt wollte Marybeth protestieren und zog abermals den Mund zu einer Schnute.
„Hey! Wer wird denn da weinen wollen? Mami schläft und jetzt schläfst auch Du, kleine Lady!“, sagte Harry bestimmend.
Widerwillig krabbelte Marybeth auf das große Ehebett ihrer Eltern und kuschelte sich an ihre Mutter, die instinktiv einen Arm beschützend über ihre Tochter legte. Sanft strich Harry seiner Nichte noch einmal übers Haar und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. William tat es ihm gleich; noch bevor sich seine Tochter in irgendeiner Form beschweren konnte. Auf leisen Sohlen verließen sie anschließend das Zimmer.
„Mann, war das ein hartes Stück Arbeit!“, seufzte Harry erleichtert.
William nickte zustimmend. „Woher hast Du eigentlich gewusst, dass Jane schläft? Ich dachte eben, ich verhör mich, als Du Marybeth Deinen genialen Vorschlag unterbreitet hast!“
„Jane, war bereits auf der Couch unten im Salon eingenickt. Als ich das sah, habe ich ihr vorgeschlagen, dass sie sich lieber oben ins Bett legen sollte, da unten die ganzen Vorbereitungen für morgen laufen und Jane dort keine wirkliche Ruhe finden würde“, erklärte Harry gelassen. „Außerdem kann sie so auch viel besser neue Energie tanken.“
„Die werden wir wohl auch brauchen, wenn Du vorhast, Marybeth ein Pferd zu schenken! Sag mal, was hat Dich denn geritten?“, schimpfte William auch sogleich.
„Bleib cool, Brüderchen. Als ich sagte, dass ich ihr ein Pferd schenke, habe ich nicht eine Minute an ein echtes gedacht. – Für wie blöd hältst Du mich eigentlich?“, beschwerte sich Harry.
„Bei Dir weiß man nie! Auch mit Deinen sechsundzwanzig Jahren hast Du täglich neue Flausen im Kopf“, stellte William schmunzelnd fest.
Harry grinste und zuckte gelassen mit den Schultern.
„Und an was für ein Pferd hast Du nun gedacht?“, nahm William das Gespräch wieder auf.
„An ein Schaukelpferd aus Holz natürlich; was denn sonst???“, war Harrys knappe Antwort. „Obwohl, wenn Du Dich daran erinnern möchtest, haben wir in Marybeth’ Alter schon regelmäßig auf dem Rücken eines Ponys gesessen.“
Entsetzt blickte William seinen Bruder an. „Wir müssen aber nicht unbedingt in die Fußstapfen unserer Eltern treten!“
„William, beruhige Dich, ich weiß sehr wohl, dass Marybeth gesundheitlich eingeschränkt ist. Ich werde sie schon keiner Gefahr aussetzen!“, beschwichtigte Harry seinen Bruder. „Und wenn Du mich jetzt bitte entschuldigen möchtest? Ich habe noch ein Geschenk zu besorgen und es ist bereits halb drei; ich möchte pünktlich zum Nachmittagstee wieder hier sein.“ William nickte und schon war Harry weg und ließ seinen Bruder allein im Flur stehen.
Hastig wollte Prinz Harry in den – nun schon bereits fünften – Spielzeugladen, in der Hoffnung, endlich sein versprochenes Geburtstagsgeschenk für Marybeth zu bekommen. In allen vorherigen Spielzeugläden gab es zwar Schaukelpferde, doch keines war aus Holz, sondern nur aus schäbigem Plastik! In seiner Eile sah er nicht, dass zur gleichen Zeit jemand anderes aus dem Laden treten wollte und so rannte er frontal und mit aller Wucht in eine junge Frau. Alles, was sie auf dem Arm getragen hatte, verstreute sich nun auf dem Bürgersteig.
„Sie verdammter Idiot! Haben Sie keine Augen im Kopf? Wieder mal typisch!“, wütete die junge Dame auch sofort. Abrupt blieb Harry stehen und wandte sich, überrascht von der Heftigkeit der Worte, der am Boden hockenden Frau zu. Sie war ungefähr im gleichen Alter wie er, hatte rappelkurzes, rabenschwarzes Haar und einen perfekten, jedoch zierlichen Körper. Harry hatte das Gefühl, als sei er einer Erscheinung seiner Träume begegnet.
„Was starren Sie mich so an? Statt zu glotzen könnten Sie sich wenigstens entschuldigen!“, schimpfte die Dame heftig weiter, ohne wirklich nach oben geschaut zu haben. Harry schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können. Hatte er sich gerade verhört? Nein, sie konnte keine seiner Wunschvorstellungen von einer Frau sein. Denn so würde sie sonst nicht mit ihm sprechen. Außerdem, was erlaubte sie sich eigentlich? Es war zwar nicht nett von ihm gewesen, sich nicht zu entschuldigen, doch so eine heftige Reaktion gegenüber einem Mitglied der englischen Königsfamilie war zu viel des Ganzen!
Prompt wollte sich auch sein Bodyguard mit einmischen. Doch Harry winkte ab. Stattdessen richtete er nun selbst eigene Worte