Für die Menschen in dem Land, in dem man lebt, ist man „Ausländer“, obwohl man sich ändert. Mein Frühstück besteht nicht mehr aus Bohnen oder Süßkartoffeln. Ich ziehe eine Hose an, was ich in meinem Heimatland nie gemacht hätte. Grüßen ist nicht mehr selbstverständlich, wie es früher war, weil viele auf Grüßen nicht reagieren, und vieles mehr. Bei aller Mühe passt man doch nicht in das Klischee. Das Gefühl des „Nicht-dazu-gehörens“ löst ein unbeschreibliches Gefühlschaos aus. In diesen Momenten muss man aufpassen. Die Gefühle müssen wahrgenommen und sortiert werden, um sie in eine bewusste, gute Orientierung zu lenken. Wenn man diesen Raum gibt, ist es äußerst gefährlich, weil man resignieren und sich verlieren kann. Das Selbstwertgefühl geht verloren, was zu Depressionen und anderen Krankheiten führen kann.
Die familiäre Dislokation
Die Kinder, die Fluchtsituationen erlebt haben und die als Flüchtlinge aufwachsen, haben besonders vieles zu meistern. Im Gastland sind sie mit allen Arten von Diskriminierung konfrontiert: Hautfarbe, Aussehen, Religion, Herkunft, Sprache, etc.
Sie wollen akzeptiert werden, um jeden Preis. Sie wollen Freunde haben. Die meisten wollen die Schule schaffen. Um das zu erreichen, müssen sie die Sprache lernen, anders aussehen, ihr Verhalten anpassen, kurz gesagt, „alles mitmachen, alles ausprobieren“.
An diesem Punkt entsteht der „Gruppenzwang“. Wenn man nicht mitmachen will, ist man aus der Gruppe ausgeschlossen was besonders für die Junge Leute frustrierend ist.
Die meisten Eltern erwarten von ihren Kindern, dass sie gute Noten nach Hause bringen. Sie wollen, dass das kulturelle Verhalten, die Muttersprache, beibehalten werden. Die Kinder geraten in einen Konflikt. Sie wollen von anderen akzeptiert werden, auf der anderen Seite wollen sie auch ihre Eltern nicht enttäuschen. Beide geht aber nicht. Sie entscheiden sich früher oder später für die Mitschüler, Mitstudenten oder Arbeitskollegen. Die Eltern sind fassungslos, wenn ein Kind mit rosa gefärbten Haaren, Piercing, Tattoo, etc. nach Hause kommt. Sie sind nicht gewohnt, auf ein Kind bis spät in der Nacht zu warten. Die Eltern fühlen sich in ihrer Autorität mit Füßen getreten und als Versager. Die Kinder fühlen sich nicht verstanden. Dann beginnen endlose Streitigkeiten. Je mehr die Kinder beim Sprachlernen vorstritte machen, desto mehr rückt ihre Muttersprache im Hintergrund. Mit der Zeit sprechen und verstehen die Kinder mehr Deutsch als ihre Sprache. Es ist so, dass die Kinder oder jungen Leute schnell alles lernen. Bei den Erwachsenen dauert alles seine Zeit. Manchmal ist man auch aus unterschiedlichen Gründen nicht unbedingt motiviert, die einheimische Sprache zu erlernen. Es gibt auch Fälle, wo man es nicht kann oder nicht dazu in der Lage ist. Dann wird nach und nach die Kommunikation schwieriger. Mit der Zeit bricht die Brücke zusammen. Es entsteht zwischen Eltern und Kinder eine Kluft. Dann die Kinder ziehen von Zuhause weg. Die andere wollen nicht mehr die Schule besuchen. Die familiären Verhältnisse sind gestört. Oft ist es schwierig, überhaupt eine gute Beziehung über Jahre hinweg in der Familie wieder herzustellen.
Es gibt Kinder, die sich bemühen, weiter auf ihre Eltern zu hören. Sie sind willig, die Muttersprache zu erlernen. Es gibt auch jungen Leute, die die Muttersprache schon sprechen, und wollen sich bemühen sie zu behalten. Es ist meistens so, dass mehrere Fremdsprachen im Gastland nicht gesprochen werden. Oft, weil es vor Ort wenige Menschen gibt, die diese Sprache sprechen. Sie richtig zu erlernen, ist schwer, weil man kaum Gebrauchsmöglichkeit im Alltag hat. Nur zu Hause, unter Verwandten und Bekannten, ist unzureichend. Im deutschen Schulsystem gibt es neben Englisch noch eine Fremdsprache. Wenn die Kinder, Teenager, jungen Leute diese Sprachen lernen müssen und dazu die Muttersprache, dann beherrschen sie keine Sprache richtig. Für ihre Zukunft ist das sehr schlecht. Einen Ausbildungsplatz, einen Job zu finden, ist äußerst schwer. Das bringt Entmutigung mit sich.
Im dritten Teil des Buches erzähle ich von meinen Erfahrungen in der Kindertagespflege. Es ist ein Beruf, den jeder ausüben kann. Abgesehen von Geschlecht, Alter, Herkunft, Familienstand. Man muss nicht die Sprache beherrschen. Ich habe ausführlich davon berichtet, um viele Menschen zu ermuntern, sich für diesen Beruf zu interessieren. Ich habe spät von diesem Beruf erfahren. Zahlreiche Menschen wissen nicht, dass es gibt. Es ist aber nie zu spät, einen neuen Anfang zu machen oder was Neues zu erlernen. Das ist eine Tätigkeit, der befriedigend ist. Geld ist nützlich, aber was im Leben wirklich glücklich macht, ist, unsere Mitmenschen zu helfen. Jemand würde vielleicht sagen, na ja, sie werden dafür bezahlt. Es ist richtig. Es ist aber so, dass nicht alles, wofür man einen Lohn kriegt, den gleichen Sinn hat. Im Kindertagespflegeberuf ist man mit kleinen Kindern beschäftigt und arbeitet mit den Eltern zusammen, zum Wohl des Kindes. Es geht um Menschen. Abgesehen vom Geld es ist eine Möglichkeit, in der Liebe und im Beruf zu wachsen.
In den letzten Jahren sind die Betreuungszahlen in der Kindertagespflege gestiegen. Das gut ausgebildete Personal wird zunehmend gesucht. Als Kindertagespflegeperson können Sie selbstständig oder im Auftrag des Jugendamtes tätig werden. Dazu gibt es auch den Einsatz bei Familien und die Betreuung von Kindern in deren privaten Räumlichkeiten. Interessierte Personen werden ständig gesucht. Die Nachfrage ist groß.
Sind Sie neu hier? Es ist ein lobenswertes Ziel. Sind Sie hier aufgewachsen? Sind Sie Eltern? Sind Sie ledig? Üben Sie einen anderen Beruf aus? Kindertagespflege ist eine schöne Möglichkeit für Sie. Verpassen Sie sie nicht. Warten Sie nicht, jetzt ist die Zeit, tätig zu werden.
Vorwort
Ich wurde 1960 in Ruanda geboren und bin auf dem Land aufgewachsen.
Ruanda ist ein idyllisches Fleckchen. Ein zentralafrikanisches Land, im Herzen der Region der großen Seen. Kigali ist die Hauptstadt.
Es ist ein Binnenland mit einer Fläche von 26.338 Quadratkilometern.
Einwohnerzahl: 12.187.400 (Stand 2018, „de.m.wikipedia.org“).
Ich bin Lehrerin von Beruf (Technische Pädagogische Schule).
Fünf Jahre habe ich an einer Schule unterrichtet.
Später machte ich eine Ausbildung zur Sekretärin. Neun Jahre habe ich im Ministerium gearbeitet, bis zum Ausbruch des Völkermordes.
Ich schreibe dieses Buch in Form von Briefen an meine beste Freundin Ciana. Fünfundzwanzig Jahre sind vergangen. Der Bürgerkrieg hat uns getrennt. Die Wurzeln des Konfliktes reichen weit in die vorkoloniale Geschichte zurück. Drei Ethnien bilden Ruandas Bevölkerung. Hutus ca. 85 %, Tutsis 14 % und Twa (Pygmäen-Waldbewohner) 1 % („en.m.wikipedia.org“). Ursprünglich waren Hutu und Tutsi keine getrennten Ethnien, sondern bildeten unterschiedliche soziale Gruppen: Tutsi waren Rinderzüchter und gehörten zur Aristokratie. Hutu lebten vom Ackerbau und waren von den Tutsi abhängig. Eingeführt wurde die Unterscheidung zwischen Hutu und Tutsi von den ersten Missionaren und Kolonialherren. Diese letzteren lassen diese in den Ausweisen schreiben.
Ciana und ich sind zusammen groß geworden. Später haben wir beide geheiratet.
Wir wohnten beide mit unseren Familien in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Sie und ihr Mann Charles bekamen zwei Kinder. In das Jahr 1994 war ihre Tochter Beatrice fünf Jahre alt und ihr Sohn Fabrice drei. Ich heiratete Marc. In das Jahr 1994 hatten wir ein Kind, Lucien, der zwei Jahre alt war. Ich war im zweiten Monat schwanger mit Joy.
Ich erzähle meine Freundin, was ich von 1994 bis 2020 erlebt habe. Ich nehme sie mit in mein Tagesgeschehen. Was Kigali betrifft, ist jetzt bekannt für ihrer Sauberkeit – nach außen – für die Touristen. Ansonsten nach fünfundzwanzig Jahre ist der Präsident immer noch derselbe. Der Vorhergehende war ebenfalls lange an der Macht. Er regierte von 1973 bis 1994. Ich habe die Jahre vor und nach dem Völkermord erlebt.
In der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 1990 begannen vom Nachbarland Uganda, aus bewaffnete Exil-Ruander, einen militärischen Feldzug zum Sturz des seit 1973 herrschenden Habyarimana-Regimes. Es dauerte noch vier Jahre