„Als Danziger Staatsbürger müssen wir doch gar nicht Dienst in der deutschen Wehrmacht leisten!“
Der Redner schaute sich den Störenfried genau an und betonte, dass sich alle Anwesenden deshalb freiwillig zu melden hätten, entsprechende schriftliche Erklärungen lägen dort auf dem langen Tisch bereit, er bitte jetzt um die Unterschriften. Die jungen Männer erhoben sich, vor dem Tisch bildete sich eine Schlange, das Gemurmel schwoll an, und alle leisteten nach und nach die Unterschriften. Die meisten dachten patriotisch, keiner wollte die Übernahme in den Staatsdienst aufs Spiel setzen. Schalkowski dachte besonders an die bevorstehende Verlobung mit Hilde und an die Gründung einer Familie, für die er so gerne sorgen möchte.
Ende September 1937 wurde Günther Schalkowski Soldat. Er blieb es mit Unterbrechungen bis Ende Januar 1946. Die Zusage der Begrenzung auf eine nur einjährige militärische Ausbildung erwies sich als plumper Trick, die zweijährige Wehrpflicht wurde eingehalten. In dieser Zeit begann der Krieg.
Schalkowskis Wehrdienst fing an mit einer Nacht- und Nebelaktion. Die sogenannten Freiwilligen aus Danzig mussten sich am späten Abend in der Messehalle einfinden, wurden dann listenmäßig erfasst und eingeteilt. Inzwischen war es stockdunkel geworden, und jemand brüllte:
„Antreten zum Abmarsch!“
Die Gruppe marschierte zum Hafen, Hilde war an Günthers Seite. Ein Schiff lag startklar am Kai bereit; eine Blaskapelle intonierte das Lied „Muss i denn zum Städtele hinaus“. In Hildes Augen nahm er zum ersten Mal jenen teils aufmunternden, Mut machenden, teils traurigen, melancholischen Ausdruck wahr, den er später während des Krieges am Ende jeden Heimaturlaubs wiedererkennen wird.
Mit mehreren hundert Freiwilligen an Bord, alle sozusagen eingesperrt unter Deck, dampfte das Schiff los in die Dunkelheit, wohin, das wussten sie nicht. Am nächsten Morgen war das Ziel erreicht: Königsberg. Eine Wehrmachtskapelle empfing die müden Ankömmlinge auf der Pier mit dem Lied „Alle Vögel sind schon da“. Nun erfolgte die Verteilung auf die einzelnen Standorte. Für Schalkowski hieß es:
„Tilsit, Radfahrabteilung 1.“
Käse! Käse! Käse! Strenger Tilsiter war nicht gerade seine Lieblingssorte. Weiter nach Osten hätte es nicht gehen und noch schlimmer als Radfahrabteilung hätte es nicht ausfallen können. Schalkowski fügte sich in sein Geschick. Zum Glück hatte er sich ausreichend mit Zigaretten bevorratet. JUNO war seine Lieblingsmarke. „Aus gutem Grund ist JUNO rund.“ Die Orientzigaretten mit ovalem Querschnitt behagten ihm nicht.
Die Radfahrabteilung 1 bedeutete Aufklärungsabteilung der 1. Kavallerie-Division, die in Insterburg lag. Dieser Division gehörten zwei Reiterregimente, eine Pionier- und eine Artillerieabteilung an. Später im Krieg, nach den Einsätzen in Polen, der Sowjetunion, den Niederlanden, Belgien und Frankreich wurde diese Division zur 24. Panzerdivision umgestellt. Fahrräder mutierten zu Panzerspähwagen, Pferde zu Panzern.
Schalkowski schwitzte, der Wehrdienst war hart. Tilsit dagegen gefiel ihm immer besser, eine hübsche Stadt an der Memel, die dem jungen Lehrer weitere Erkenntnisse für das Literatur- und Geschichtsverständnis eröffnete. Er interessierte sich für Hermann Sudermann und Max von Schenkendorf; Luisenbrücke und Luisenkirche riefen die Zeit Napoleons und den Beginn der Befreiungskriege ins Gedächtnis zurück. Der Naturliebhaber verdrängte düstere Vorzeichen und erfreute sich während einiger Manöverübungen der schönen Landschaftsformen Ostpreußens wie der Rominter Heide oder der Seenlandschaft Masurens. So ertrug Schalkowski physische und psychische Unbill.
Zwischenspiel #3
„Gunthár hat seinen Beruf recht gewählt. Er bildet Kinder. Das ist beabsichtigt. – Was hast du mit ihm im Krieg vor, Skuld?“
„Er soll kein ausgezeichneter Kämpfer werden, das passt nicht zu seinem Wesen, kein Held fürs Vaterland, keine Abzeichen und Orden. Er wird überleben; ich bin keine Walküre, und Walhall ist schon Geschichte.“
„Wir haben noch viel mit ihm vor.“
„Recht gesprochen! Er darf mit seinem Drahtesel Europa kennen lernen!“
„Und ich habe noch eine Überraschung für ihn parat.“
„Und ich sehe den kleinen Gert-Jürgen.“
Die Schicksalsquelle sprudelt, Verdandi beugt sich über Urds Brunnen, formt beide Hände zur Schöpfkelle und trinkt.
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