„Wow.“ Sie mustert mich von Kopf bis Fuss, was mir etwas unangenehm ist, aber als ich in ihrem Blick völlige Aufrichtigkeit lese, drehe ich mich sogar um die eigene Achse. „Ich hätte nicht gedacht, dass du solche Kleider in deinem Schrank hängen hast. Pass auf, dass dir nicht zu viele Kerle nachsabbern und jetzt lass uns endlich in den Club gehen.“
Es ist zu voll. Es ist zu laut. Überhaupt nicht mehr mein Ding. Aber wahrscheinlich bin ich genau aus diesem Grund hier. Ich versuche mich neu zu orientieren und dazu gehören Orte, wo Damian sich bestimmt nicht aufhält.
Bernice bestellt uns beiden ein Bier, das wir gleich auf Ex trinken. Nach dem zweiten erscheinen Bernices Freundinnen und die dritte Flasche wird ebenso schnell ausgetrunken, wie die ersten beiden. Irgendwann wechseln wir zu Cosmopolitans. Mit jedem weiteren Drink wird meine Stimmung besser und mit jedem Schluck vergesse ich, warum ich überhaupt hier bin.
Es macht Spass mit diesen Frauen hier zu sein und ich bin Bernice dankbar, dass sie mich dazu überredet hat.
Im Laufe des Abends entscheiden wir uns für die Tanzfläche, wo die Beats, die aus den Lautsprechern dröhnen, meinen Puls zum Rasen und meinen Körper in Bewegung bringen. Ich schliesse die Augen und konzentriere mich ganz auf die Musik. Ich fühle mich frei, unbeschwert und .... total betrunken. Aber es ist mir egal. Ich bin niemandem eine Rechenschaft schuldig, was die ganze Atmosphäre nur noch besser macht.
Plötzlich spüre ich Hände auf meiner Taille, was mich etwas aus dem Konzept bringt, doch als ich den Typen hinter mir begutachte und die Pfiffe der Mädels höre, schliesse ich wieder die Augen und geniesse den Augenblick.
Zuerst liegen nur seine Hände auf meiner Seite, doch irgendwann schmiegt er sich mit seinem ganzen Körper an meinen. Wir tanzen eng aneinander reibend und lassen uns von der Musik treiben. Er keucht an meinem Ohr, flüstert mir schmutzige Worte zu, was mein Blut zum brodeln bringt. Ich lehne mich noch mehr an ihn. Bewege mich an ihm, während er mit seinen Händen über meinen Bauch fährt.
Seine Erektion drückt durch den Stoff an meinen Po und er stöhnt: „Oh ja. Ja, mach weiter so, Babe.“
Schlagartig erwache ich aus meiner Trance, löse mich aus seinem Griff und weiche sofort zwei Schritte zurück.
„Sag niemals mehr Babe zu mir!“ Ich flippe fast aus, weil er dieses Kosewort benutzt hat.
Er hebt die Hände in die Höhe und kommt auf mich zu.
„Fass mich nicht an!“ brülle ich.
„Was ist los? Eben noch wolltest du, dass ich dir an die Wäsche gehe und jetzt drehst du durch oder was?“
Angewidert sehe ich ihn an. Wie konnte ich nur so blöd sein und mich auf diesen Typen einlassen? Ich kenne die Antwort auf meine Frage, aber ich möchte sie nicht in mein Bewusstsein lassen, denn das würde mich vollkommen fertigmachen.
„Alles in Ordnung bei dir?“
Ich atme erleichtert auf, als ich Bernice neben mir sehe und die schützend einen Arm um mich legt.
„Alles gut.“ versuche ich so normal wie möglich zu antworten. „Ich möchte nur weg hier.“
„Komm.“ Sie zieht mich mit sich mit, wobei ich den Kerl, mit dem ich eben noch getanzt habe, fluchen höre: „Ihr seid doch alles Schlampen!“
„Verpiss dich du Arsch!“ gibt Bernice zurück und schiebt mich weiter.
Der Alkohol ist nicht gerade hilfreich, um Ordnung in die Gedankenwelt zu bringen und zum ersten Mal heute Abend wäre es mir lieber, wenn ich nicht so viel getrunken hätte. Alles dreht sich, als wir auf einen Tisch zugehen, der in einer dunklen Ecke steht.
„Möchtest du vielleicht noch einen Cosmo?“ fragt mich Bernice.
Abwehrend hebe ich die Hand. „Lieber nicht.“
„Was anderes?“
„Ein Wasser.“
„Sicher?“
„Ich möchte nicht nochmal einem Typen wie dem da begegnen.“ und deute zur Tanzfläche, wo ich noch vor wenigen Minuten mit einem Fremden getanzt habe.
„Aber er war doch ganz schnuckelig?“
„Vielleicht. Nur bin ich nicht der Typ für One Night Stands.“
„Dann solltest du dich vielleicht nicht mehr so ins Zeug schmeissen, wie bei dem Kerl eben. Er war richtig geil auf dich.“
„Es war dumm von mir.“ Ich kann mein Tun nicht vor ihr erklären. Ich kann ihr nicht sagen, dass ich an unseren Chef gedacht habe, während der Blondschopf sich an mich heranmachte. Wie sehr ich mir wünsche, dass Damian hier wäre, wie sehr ich ihn vermisse. „Ich sollte vielleicht mal an die frische Luft.“
„Soll ich dich begleiten?“
„Nein, bleib du nur bei deinen Freundinnen. Ich komm schon klar.“ Klar vielleicht nicht wirklich, aber ich muss allein sein. Ich muss über das, was ich eben gemacht habe, nachdenken und wieder einen klaren Kopf bekommen.
Ich setze mich auf eine Bank, die nur ein paar Meter vom Club entfernt steht und lasse den Abend, ganz besonders die letzte Stunde, Revue passieren. So gut es in meinem benebelten Zustand eben geht.
Was würde Damian wohl sagen, wenn er mich so gesehen hätte? Würde er über mich herziehen, weil ich kurz nach unserer Trennung auf eine verführerische Art mit einem anderen tanzte? Oder wäre er eher zornig, weil ich ihn so schnell abgeschrieben habe? Oder könnte er vielleicht eifersüchtig sein?
Der letzte Gedanke gefällt mir mit Abstand am besten, doch davon kann ich nur träumen. Ich muss ihn vergessen, nach vorne sehen und so tun, als hätte er mir nicht unheimlich wehgetan.
„Miss Weber, darf ich Sie nach Hause bringen?“
Erschrocken drehe ich den Kopf und sehe Pietro neben mir stehen. Ich war wohl so sehr in meinen Erinnerungen versunken, dass ich ihn nicht habe kommen hören.
„Was tun Sie denn hier?“ ist das Erste, was ich hervorbringe.
„Auf Sie aufpassen.“ Er zuckt unschuldig mit den Schultern.
„Warum?“
„Weil es mein Job ist.“
Ich nicke nur, weil es nichts bringt, mit ihm über seine Aufgabe zu sprechen. Also stehe ich auf und folge ihm. „Waren Sie die ganze Zeit da?“
„So in etwa.“
„Dann haben Sie auch gesehen wie....“
„Ja, das habe ich.“ unterbricht er mich, bevor ich aussprechen muss, was ich im Club getan habe.
Verlegen sehe ich zu Boden. „Ich habe Sie nicht bemerkt.“
„Ich bin dazu ausgebildet, nicht gesehen zu werden.“
Wir schweigen, während er mich stützend zur Limousine bringt, die in der nächsten Strasse abgestellt ist. „Weiss Damian, wo ich bin?“
„Ja.“ Bevor ich ihm die nächste Frage stellen kann, spricht er weiter. „Er ist nicht begeistert.“
„Das kann ihm egal sein. Schliesslich sind wir nicht mehr zusammen.“
„Sie sind ihm nicht gleichgültig.“
„Wo ist er?“ höre ich mich auf einmal fragen.
„In der Schweiz.“
„Oh.“ Ich brauche eine Sekunde, um einen klaren Gedanken zu fassen und um den Schmerz zu verdauen, der eben mein Herz zugedrückt hat. „Geschäftlich oder Privat?“
„Privat.“
„Oh.“ sage ich wieder und ich muss schwer schlucken.
„Vielleicht