Damian - Vertrauen. Madlen Schaffhauser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Madlen Schaffhauser
Издательство: Bookwire
Серия: Damian
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742727398
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der ganzen Fahrt sitze ich steif auf dem Rücksitz und ergebe mich meinen Tränen. Ich dachte, dass ich irgendwann keine mehr haben würde, doch sobald ich mich ein wenig gefasst habe, rollen sie von Neuem.

      Ich kann nicht glauben, dass er mich derart ausgenutzt und belogen hat. Dass ich nur eine kurze Abwechslung für ihn war. Oder möchte ich es einfach nicht wahrhaben? War es vielleicht von vornherein ein Spiel für ihn?

      Ich höre die Frauen von der Benefizgala, wie sie auf der Toilette über mich gesprochen haben und mich als Zeitvertreib und Spielzeug betitelten. Lagen sie etwa doch richtig damit?

      In den vergangenen Wochen war ich unglaublich glücklich, wie seit langer Zeit nicht mehr und ich habe wirklich angenommen, er wäre es auch. Ich dachte sogar an eine gemeinsame Zukunft, doch so leicht kann man sich irren. Wahrscheinlich war er glücklich, wobei dieser Begriff vielleicht nicht der richtige Gefühlsausdruck für ihn ist.

      Meine Gedanken rasen wild im Kreis herum. Ich wünschte, ich könnte sie ausschalten, in der hintersten Ecke meines Bewusstseins verschliessen und sie vergessen, weil die Erinnerungen an Damian und unsere gemeinsame Zeit viel zu schmerzhaft sind. Aber es möchte mir nicht gelingen. Ständig sehe ich ihn vor mir. Mal liebend, mal lachend, mal kalt, mal distanziert.

      Wann wird das endlich aufhören? Wann wird dieser Schmerz, der in meinem Herzen wütet, erlöschen? Wie soll es jetzt weitergehen? Kann ich noch immer bei ihm arbeiten oder muss ich mir einen neuen Job suchen? Wie komme ich mit dieser neuen Situation klar? Kann ich ihm noch unter die Augen treten, ohne dass ich an uns denken muss?

      Ich starre aus dem Fenster, versuche mich auf die Umgebung zu konzentrieren, die nun, da wir uns London nähern, heller wird. London, die Stadt, in der ich ihn kennengelernt habe. London, wo er wohnt und arbeitet. London, wo ich ihm wieder begegnen werde, egal ob ich es möchte oder nicht.

      Sollte ich vielleicht alles zusammenpacken und weiterziehen, so wie ich es schon einmal gemacht habe? Ich werde wieder von vorne beginnen müssen, doch das sollte nicht zu schwierig werden. Schliesslich wäre es nicht das erste Mal. Nur ist da das Problem, dass ich nicht von hier weg möchte.

      Pietro biegt in Miras Strasse und hält den Rolls Royce vor ihrem Wohnblock. Eigentlich müsste ich jetzt aussteigen und in mein Zimmer gehen, aber ich brauche noch einen Moment.

      Pietro sagt nichts. Er drängt mich nicht, den Wagen zu verlassen, damit er endlich nach Hause kann, um eine Mütze Schlaf zu bekommen. Nein, er bleibt geduldig sitzen, schaut nur kurz in den Innenspiegel und richtet seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne.

      Als ich mich letztendlich soweit gefangen habe, um nach oben zu gehen, steigt er schnell aus und hält mir die Tür auf. „Alles in Ordnung?“ fragt er unsicher.

      Ich schüttle nur den Kopf. „Danke fürs herbringen.“ äussere ich mich leise.

      „Soll ich Sie noch begleiten?“

      „Es geht schon.“ Ich drehe mich um und öffne die Tür ins Treppenhaus.

      Es ist bereits nach drei, während ich in mein Schlafzimmer komme. Ich überlege mir, ob ich die Kleider ausziehen soll, entscheide mich dann jedoch dagegen. Ich bin zu erschöpft und müde, um noch irgendwelche Bewegungen zu machen.

      Aber als ich dann auf meinem Bett liege, kann ich noch lange nicht einschlafen. Immer wenn ich die Augen schliesse, sehe ich ihn vor mir, was mir ständig neue Tränen in die Augen treibt.

      Irgendwann muss ich dann doch in den Schlaf gesunken sein, denn jetzt scheint die Sonne durch den nicht ganz geschlossenen Vorhang. Es dauert ein paar Sekunden, bis mir alles wieder einfällt und wie ein spitzer Pfeil durch mein Herz schiesst. Viel zu wuchtig kommen die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück.

      Mühsam rapple ich mich aus dem Bett und gehe hinüber ins Bad. Dort stelle ich mich unter den heissen Wasserstrahl und hoffe, dass mir die Dusche hilft zu vergessen. Leider vergebens. Meine Haut färbt sich bereits rot, weil das Wasser brennt, nur dass ich es kaum spüre, weil der Schmerz, der in meiner Brust tobt, viel stärker ist.

      Ich wage es kaum in den Spiegel zu sehen, trotzdem werfe ich einen kurzen Blick hinein und erschrecke über mein Äusseres. Meine Augen wirken leblos. Die dunklen Ringe unter ihnen werde ich nicht mal mit reichlich Make-up kaschieren können. Glücklicherweise ist heute Samstag. Ich brauche also nicht vor die Tür zu gehen. Vielleicht werde ich Mira und Alan über den Weg laufen, aber das werde ich schon irgendwie hinkriegen. Ich bin nur froh darüber, dass ich ihn nicht sehen muss.

      Zwei Tage habe ich Zeit, um mich an die neue Situation zu gewöhnen und die werde ich nutzen. Ich werde am Montag als eine ganz andere Jessica zur Arbeit gehen. Als eine Jessica, die sich nicht zum Narren halten lässt. Als eine Jessica, die nicht ihr Herz an ihren Chef verloren hat. Ich werde mich nicht unterkriegen lassen. Nicht mehr.

      Mit dieser neugewonnenen Energie ziehe ich eine schwarze Freizeithose an, ein abgetragenes T-Shirt und gehe in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Nachdem ich mir eine Tasse von dem dunklen Getränk eingeschenkt habe, setze ich mich auf die Couch und geniesse die Stille in der Wohnung. Wahrscheinlich sind meine Mitbewohnerin und ihr Freund schon zur Hochzeit gefahren. Das bedeutet, dass ich heute niemandem mehr begegnen werde, was mir gerade sehr gelegen kommt.

      Ich höre mein Telefon im Zimmer trällern, doch ich habe keine Lust dranzugehen. Später kann ich noch immer zurückrufen, wenn ich mag. Ich lehne mich zurück und geniesse immer wieder einen kleinen Schluck von dem heissen Kaffee, der jedes Mal langsam meine Kehle hinabrinnt und ein angenehmes Gefühl hinterlässt.

      Das Klingeln in meinem Zimmer verstummt und die erwünschte Stille kehrt zurück. Nur leider hält das keine Minute an, dann beginnt mein Handy von neuem eine Melodie zu spielen. Ich brauche nicht nachzusehen, wer es ist. Nur für einen Menschen habe ich diesen Ton gewählt. Damian.

      Was möchte er von mir? Wurde gestern nicht alles gesagt, was es zu sagen gibt? Möchte er mich vielleicht noch weiter erniedrigen? Oder möchte er mir mitteilen, dass ich meine Sachen bei ihm abholen soll? Das werde ich, aber nicht heute.

      Ich halte mir die Ohren zu, damit ich das Klingeln nicht mehr hören muss und als es dann wieder verstummt, gehe ich schnell in mein Zimmer, um das Telefon auszuschalten. Meine Handtasche liegt noch immer an der Stelle, wo ich sie gestern achtlos hingeworfen habe, krame mein Smartphone heraus und entsperre das Display. Es sind über zehn unbeantwortete Anrufe und über fünf Nachrichten eingegangen. Allerdings mache ich es aus, bevor ich nachsehen kann, von wem die Anrufe und Mitteilungen sind.

      Zurück in der Küche sehe ich mich nach etwas Essbarem um und muss enttäuscht feststellen, dass es nichts gibt, was mir irgendwie zusagen könnte. Ich beschliesse also in den Supermarkt zu gehen, obwohl ich darüber überhaupt nicht begeistert bin, aber ich brauche etwas für meinen Magen.

      Schon eine halbe Stunde später schiebe ich den Einkaufswagen vor mir her. Ich werfe hinein, was mir gerade in die Finger kommt, wobei ich erst an der Kasse bemerke, dass ich überhaupt nichts für eine gesunde Ernährung eingepackt habe. Normalerweise achte ich immer darauf, doch an diesem Morgen kein einziges Mal. Wahrscheinlich widerspiegelt mein heutiger Einkauf meine Laune. Denn alles was ich mir besorgt habe, deutet unmissverständlich auf Frust hin. Genauso wie ich mich fühle.

      In jeder Hand halte ich eine Tasche und mache mich wieder auf den Weg in die Wohnung. Ich biege gerade um die Ecke und die Tafel der U-Bahn kommt in Sicht, als ich jemanden meinen Namen rufen höre. Mein Körper spannt sich sofort an, weil ich im ersten Augenblick annehme, es könnte Damian sein. Wer sonst sollte mir hier über den Weg laufen? Als ich dann die weibliche Stimme deutlicher höre, drehe ich mich um und die Anspannung fällt augenblicklich von mir.

      „Hey Jessica. Dachte ich doch, dass du es bist.“ Bernice, die im Kundendienst von Meyer Enterprises arbeitet, begrüsst mich mit einem freundlichen Lächeln.

      „Hallo Bernice.“

      „Warst wohl einkaufen?“ Sie deutet auf die Taschen an meinen Seiten. „Bist du mit der Tube hier?“

      „Ja. Mira ist mit Alan auf einer Hochzeit. Also muss ich das Zeug halt auf diese Weise