Ein Hauch von Vorsehung. Ava Patell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ava Patell
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746718651
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sah darauf und lächelte. »Sie begreifen schnell, Schätzchen. Das gefällt mir. Danke. Ich gebe es an Mr. Sorokin weiter.«

      Kaden konnte Nikolaj in seinem Büro sehen. Er telefonierte und Kaden wurde langsam klar, wie das hier lief. Darea war sozusagen der Puffer, der dafür sorgte, dass niemand über diese Türschwelle trat, der es nicht unbedingt musste, damit Nikolaj in Ruhe seine Arbeit machen konnte. Wie ein Uhrwerk, schoss es Kaden durch den Kopf, während er zurück an seinen Tisch ging. Er merkte kaum, wie die Zeit verging. Die Tischlampe schaltete er eher unbewusst ein, auch wenn sie ein angenehmes, helles Licht spendete. Kaden schaffte es, den ersten Vertrag durchzuarbeiten. Es war interessant, was genau alles in so einem Vertrag festgehalten wurde. Was offensichtlich festgehalten werden musste . Keine Drogenexzesse, sonst gab es Strafen. Keine anzüglichen Videos ins Netz stellen, sonst gab es Strafen. Keine Musik ins Netz stellen, ohne vorher mit der Firma zu sprechen, also mit Nikolaj, sonst gab es Strafen. Kein Wunder, dass diese Verträge alle so dick waren! Kaden merkte erst, wie spät es war, als sich sein Magen schmerzhaft zusammenzog und er eines mit Erschrecken feststellte: Er hatte den ganzen Tag weder etwas getrunken noch gegessen. Er hatte es schlicht und ergreifend vergessen.

      Sein Blick ging zur Uhr. 19:12 Uhr stand dort. Schwer schluckte er. Sein nächster Blick ging zu den übrigen Ordnern. Das würde wohl bis Montag warten müssen. Oder arbeitete man hier auch samstags?

      Kaden runzelte die Stirn und rief sich den Vertrag ins Gedächtnis, den er unterzeichnet hatte. Nein. Reguläre Arbeitszeit war von Montag bis Freitag. Es sei denn, es gab dringliche Termine, die anstanden. War das dringlich? Er würde am Montag darum bitten, ihm Zettel auf die Ordner zu kleben mit einem Datum, zu wann die Aufgaben erledigt sein mussten. Das konnte er einfach nicht wissen. Oder wusste Darea so etwas? Dann musste er Nikolaj gar nicht danach fragen.

      Kaden beschloss, für heute Feierabend zu machen. Also schlüpfte er in seinen Mantel, bewaffnete sich mit den ganzen Taschen, in denen sich sündhaft teure Kleidung befand und verließ dann das Firmengebäude. Auf seinem Weg nach Hause vertiefte er sich in der Bahn in eines der Bücher von Darea. Abrechnung und ihre Tücken . Nicht sehr spannend und es war schwierig zu lesen mit all den Zahlen. Er musste es ja auch wirklich verstehen und so las er oft die Seiten zwei oder drei Mal, bis er den Inhalt begriff und kam dann kurz vor neun endlich in seiner Wohnung an.

      Kaden schob die Reste vom gestrigen Mittagessen in die Mikrowelle und wartete gar nicht darauf, dass es richtig heiß war. Er hatte inzwischen so einen Hunger, dass sogar sein Sofakissen sehr appetitlich aussah. Die Dusche sparte er sich für morgen früh auf und fiel wie ein Stein ins Bett.

      Und dieses Muster sollte sich in den nächsten Tagen als Routine einspielen. Früh aufstehen. Ins Büro fahren. Auf dem Weg dorthin Fachliteratur lesen. Unterlagen auf seinem Schreibtisch vorfinden. Die Ordner kamen tatsächlich von Darea. Und sie klebte jetzt immer kleine Post-its oben auf mit einem Datum. Manchmal stand dort auch das Wort Sofort! in einer eleganten Handschrift. Es gab Gespräche in der Firma, bei denen Kaden immer dabei sein musste. Zu Außenterminen jedoch wurde er nicht mitgenommen und er konnte es verstehen. Es wirkte sicherlich nicht so gut, einen schweigsamen Gast an einem Tisch eines Nobel-Restaurants zu haben. Schon gar nicht, wenn es ums Geschäft ging.

      Kaden fand das sogar sehr passend, denn so hatte er die Zeit, die Arbeit nachzuholen, die sich mittlerweile auf dem Schreibtisch türmte. Wie arbeitete man so etwas nur ab ohne massive Überstunden? Er vergaß darüber häufiger, etwas zum Mittag zu essen und blieb bis spät in die Nacht im Büro. Zuerst hatte er versucht, die Demotapes nebenbei zu hören. Was einfach nicht funktionierte. Entweder konzentrierte er sich so auf die Musik, dass er nicht richtig wahrnahm, was er las oder er korrigierte Verträge, ohne die Musik richtig zu hören. Und so hängte Kaden einfach abends um 19 Uhr eine Stunde hinten dran und hörte in dieser Zeit Musik. Teilweise sehr komische Musik.

      In dieser Zeit sah er sich auch den Terminplan für den nächsten Tag an. Und für die nächste Woche, auch wenn sich dort noch etwas ändern konnte. Und mit einem Mal waren es schon zwei Wochen, die er für Nikolaj arbeitete, ohne direkt etwas mit ihm zu tun zu haben. Zwei Wochen, die so voller Arbeit steckten, wie er es noch nie erlebt hatte.

      Er war diese Art von Arbeit einfach nicht gewohnt. Diese hohe, geistige Anforderung, die ihn wirklich forderte und etwas von ihm verlangte. Das war etwas, was schon sehr lange nicht mehr vorgekommen war. Alleine, dass Kaden immer wieder vergaß, etwas zum Mittag zu essen, war der beste Beweis und das, obwohl er sonst immer in alle Richtungen dachte. Vermutlich lag es daran, dass er einfach müde war. Zu wenig Schlaf bekam. Der lange Fahrtweg. Diese Unmengen an Arbeit. Das alles sorgte dafür, dass er an diesem späten Nachmittag einfach einnickte. Die Kopfhörer im Ohr. Die Stirn auf dem Unterarm, die Hand noch an der Maus und die Musik lief leise weiter.

      Es war Darea, die um kurz vor halb sieben an Nikolajs Bürotür klopfte und sie öffnete, ohne auf eine Antwort zu warten.

      Er sah von einem der Verträge auf, die vor ihm lagen und sah direkt in grüne blitzende Augen. »Darea?«

      Sie trug ihre Handtasche in der linken Hand und hatte sich ihren eleganten und teuren Mantel über den Arm gelegt. »Ich mache jetzt Feierabend. Und du solltest das auch tun.«

      »Ja. Gleich.« Er schlug die Akte zu und rieb sich übers Gesicht.

      Sie rührte sich keinen Millimeter von der Stelle und sah ihren Vorgesetzten weiterhin an.

      »Was ist noch?«, fragte er, weil er selbst hinter seiner Hand Dareas Anwesenheit spürte. Als er die Hand sinken ließ und in Dareas Augen sah, stutzte er jedoch. »Du siehst aus, als hätte ich deinen Geburtstag vergessen.«

      Sie schnalzte mit der Zunge. »Wie lange arbeitet Mr. Williams jetzt schon für dich?«

      »Zwei Wochen«, antwortete Nikolaj, lehnte sich nun zurück. Darea wollte auf irgendetwas hinaus. Sie hatte diesen ganz besonderen Blick aufgelegt, wartete aber dennoch einen Augenblick. Fast hätte sie geseufzt.

      »Wann warst du das letzte Mal in seinem Büro?« Sie stützte jetzt ihren freien Arm in die Hüfte. Eine absolut typische Darea-Geste.

      »Das war vor zwei Wochen. Als ich ihm sein Büro gezeigt habe. Darea, worauf willst du hinaus?«

      Sie zog die Augenbrauen zusammen. So leicht würde sie Nikolaj nicht von der Angel lassen. Dazu war sie zu sehr Darea. »Nik, wie häufig schaut man nach einem frisch geborenen Lämmchen, was denkst du?«

      Nikolaj runzelte die Stirn über diesen selbst für Darea ungewöhnlichen Spitznamen. »Du möchtest, dass ich nach ihm sehe.«

      Ihre Augen blitzten. »Nein, ich möchte, dass du darüber nachdenkst, was du tust. Es ist eine Sache, ein neugeborenes Lamm sich selbst zu überlassen. Es kann durchaus auch alleine laufen lernen. Nicht zuletzt, wenn es sich ein Beispiel an den anderen Lämmern im Stall nimmt. Aber es ist etwas ganz anderes, wenn man diesem Lamm auch noch Steine in den Weg legt und es in Arbeit ertränkt.« Sie hatte das Kinn hoch gereckt. Noch ein letzter, fester Blick und dann verließ sie das Büro ohne ein weiteres Wort.

      Nikolaj sah ihr nach und blieb lange so sitzen, den Blick auf die Tür gerichtet, durch die Darea verschwunden war. Nach und nach verschwand auch ihr weihnachtlicher Duft. Natürlich wollte sie, dass Nikolaj nach seinem neuen Schützling sah. Aber ihr Wunsch ging darüber hinaus. Nikolaj kniff die Augen zusammen, schloss die Akte und schob sie in die Kiste, die neben seinem Schreibtisch stand. Dann erhob er sich, griff am Garderobenständer seinen Mantel und löschte das Licht, bevor er sein Büro verließ und den Flur hinunterlief. Leise klopfte er an Kadens Bürotür, aber niemand reagierte. Ein dünner Fetzen Licht fiel unter der Tür hindurch, die Nikolaj kurzerhand öffnete. Im Büro sah es wüst aus. Das konnte man nicht anders sagen. Überall standen Kisten herum, der Schreibtisch lag voll, eine Ecke mit Büchern, die andere mit Akten, die nächste mit CD-Stapeln. Und irgendwo dazwischen, halb auf seinem Laptop, lag Kaden. Kopfhörer in den Ohren, das Licht des Laptops beleuchtete sein Haar bläulich. Die Luft hier drinnen war auch verbraucht. Man konnte Arbeit zwar nicht riechen, aber die Müdigkeit machte Kadens Duft schwerer. Ganz so, als ob die herben Komponenten stärker hervortreten würden. Er trat näher, legte seinen Mantel über dem Stuhl vor dem Schreibtisch