Ein Hauch von Vorsehung. Ava Patell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ava Patell
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746718651
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Es roch in dem Laden nach Leder. Nicht unangenehm. Eher teuer.

      Darea schnaubte und wirbelte herum, deutete mit einem ihrer schlanken Finger auf Kaden. »Also schön, passen Sie mal auf. Sie als Assistent von Nikolaj Sorokin verkörpern das Plattenlabel bei wichtigen Terminen. Sie werden ihn begleiten, Sie werden Künstler treffen. Wichtige Künstler! Sie haben sicher keine Ahnung, wie wichtig in dieser Welt Dinge wie Kleidung und generell Oberflächlichkeiten sind. Uhren, Schals, Schuhe. Sie hinterlassen Eindrücke und auf die kommt es in diesem Business nun einmal an, denn es sind diese Dinge, an die man sich nach den Treffen noch erinnert.« Dareas Blick lag fest auf ihm. »Das mag Ihnen alles neu sein, aber ich werde es nicht zulassen, dass Nikolaj Ihretwegen wie ein Idiot dasteht.« Erst jetzt senkte sie den Finger, den sie bis eben noch gegen seine Brust gestoßen hatte, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen.

      »Dann hätten Sie vielleicht nicht zulassen sollen, dass ich diesen Vertrag unterschreibe. Ich hab von dem ganzen Kram nämlich tatsächlich keine Ahnung«, meinte Kaden. Sie konnte ja sagen, was sie wollte. Aber schöne Kleidung würde an diesem Umstand auch nichts ändern.

      Darea stöhnte auf. Statt sich beraten zu lassen, wiegelte sie auch hier die Verkäuferin kurz entschlossen ab und steuerte auf das Regal mit den passenden Schuhen zu.

      »Ich habe es Ihnen doch schon einmal gesagt. Ich vertraue Nikolaj und das sollten Sie auch tun. Die da«, sagte sie und deutete auf einen Ausstellungsschuh, sah dann zu der Verkäuferin, die den Wink verstand.

      »Sie kennen ihn ja auch.« Die Verkäuferin fragte nach Kadens Schuhgröße und kam dann mit einem Karton zurück.

      Darea deutete darauf. »Anziehen.« Kaden sah sie missmutig an. »Bitte«, fügte sie noch hinzu, als erinnerte sie sich mit einem Mal daran, dass sie hier nicht bei der Armee waren und Höflichkeit durchaus angebracht war. »Sie werden Ihn auch kennenlernen.«

      »Hm.« Den Kommentar, dass Kaden dazu länger als einen Tag durchhalten würde müssen, verkniff er sich lieber. Stattdessen schlüpfte er ergeben in die Schuhe.

      »Und?«, fragte Darea. »Sind sie bequem? Passen sie?«

      Kaden stand auf und ging ein paar Schritte. Dann nickte er. »Ja. Passt.«

      »Gut.« Sie nickte der Verkäuferin zu. »Ohne Karton bitte. Behalten Sie die auch gleich an.« Sie trat an die Kasse, um zu bezahlen.

      Kaden ließ die Schultern sinken und zog es vor, gar nicht erst mit an die Kasse zu gehen. Die blau-schwarzen eleganten und doch sportlichen Lederschuhe, die er jetzt an den Füßen trug, kosteten sicherlich ein Vermögen und er wollte nicht wissen, wie viel genau.

      Darea bezahlte auch hier mit der inzwischen glühenden Kreditkarte.

      »So«, sagte sie und verließ die Boutique, gefolgt von Kaden, »jetzt mal ganz ehrlich. Hatten Sie heute ein Frühstück oder waren Sie zu aufgeregt, um etwas zu essen?«

      »Ich hatte einen Orangensaft.«

      Darea nickte. »Erste Regel in unserer Firma. Nie ohne Frühstück den ersten Termin angehen. Wir holen uns jetzt was zu essen.«

      »Oh Gott. Bitte zwingen Sie mich nicht dazu. Ich kann nichts essen.«

      »Irgendetwas müssen Sie essen. Diese Termine, zu denen Sie Mr. Sorokin begleiten werden, können Stunden dauern und wenn Sie zwischendurch Hunger bekommen und Ihnen der Magen knurrt, wäre das tödlich.«

      »Wenn ich einem Kunden, einem Klienten ... äh, Künstler auf den Schoß kotze, wohl auch, oder?«

      Darea sah ihn skeptisch an. »Ja. Und Sie halten durch?«

      »So etwas bin ich gewohnt.«

      Der Weg zurück zur Firma verlief weitgehend schweigend. Darea tippte wie eine Furie auf ihrem Smartphone herum und Kaden sah aus dem Fenster. Der Bourdon Boulevard blieb hinter ihnen zurück. Schon bald tauchte das große Firmengebäude wieder vor ihnen auf und Philip hielt am Straßenrand.

      Als Darea schließlich Nikolajs Büro betrat, gefolgt von Kaden, da staunte der Firmenbesitzer nicht schlecht. Er wusste ja, was sie alles konnte, aber hier hatte sie wieder einmal ein Wunder vollbracht. Von dem grausamen Anzug war nichts mehr zu sehen. Überhaupt war nichts mehr zu sehen, was an einen Anzug erinnerte. Zurückgeblieben war ein sportlich modernes Ensemble.

      »Sehen Sie, Mr. Williams, das ist vorteilhafte Kleidung«, sagte Nikolaj lächelnd. »Ich zeige Ihnen jetzt Ihr Büro.« Er führte Kaden ein Stück den breiten Flur hinunter. »Es liegt nicht weit von meinem entfernt und gehörte Ihrem Vorgänger.«

      »Oh. Okay.« Kaden folgte ihm. »Was ist mit ihm passiert?«

      »Passiert?«

      »Na, er ist nicht mehr da.« Kaden schleppte noch immer die Tüten mit sich herum.

      »Oh, ach so. Er wurde gekündigt. Die Einzelheiten sind vertraulich. Nur so viel: Es hatte nichts mit dem Job an sich zu tun.« Nikolaj deutete auf eine Tür. »Da sind wir. Hier können Sie sich einrichten«, sagte er und trat ein. »Auf dem Schreibtisch finden Sie Ihr neues Arbeitshandy sowie einen Laptop. Die entsprechenden Zugangsdaten liegen ebenfalls bereit.« Nikolaj schob seinen Hemdsärmel ein Stück zurück, um auf seine Armbanduhr zu sehen.

      Kaden sah sich in dem Raum um. Das Büro war deutlich kleiner als das Nikolajs. Ein großer Schreibtisch hatte darin Platz, der in einer L-Form in dem kleinen Raum stand. Auch hier gab es große Fenster, die viel Licht hereinließen. Es gab ein paar Ablagen, einen gemütlich aussehenden Schreibtischstuhl und auch hier, dunkles Holz, viel Silber. Elegant. Modern.

      »Ich bekomme extra ein Arbeitshandy?« Einen Moment stutzte Kaden, doch nicht wegen des Handys, sondern wegen des Duftes, der ihm in die Nase stieg und kaum merklich innehalten ließ. Meeresduft. Der Wald am Herbstmorgen. Die fruchtige, frische Note. Ihm war noch nie ein Duft wie dieser untergekommen. Innerlich schüttelte er den Kopf, um diesen Gedanken zu verscheuchen, was gar nicht so einfach war, denn dieser Duft nahm ihn gefangen. Es war etwas Herbes dabei, das er nicht benennen konnte. Männlich. Und erfolgreich. Ja. Das traf es. Für eine Sekunde fragte er sich, warum er genau jetzt all dies wahrnahm. Vermutlich, weil ein Teil seiner Anspannung nachließ, ihm jetzt also den Raum gab, andere Dinge wahrzunehmen außer blanker Panik. Kaden stellte die Tüten an die Seite und legte eine Hand auf die Lehne des Lederstuhls. Er trat an das Fenster und sah hinaus, hinunter auf die Straße, wo die Menschen ganz klein aussahen.

      »Ja. Das werden Sie brauchen. Ich möchte, dass Sie zum 11-Uhr-Termin in Konferenzraum 3 anwesend und vorbereitet sind.« Das waren 38 Minuten zur Vorbereitung. »Wir treffen Lucas Jains, einen unserer Künstler. Auf dem Rechner finden Sie eine Datenbank, sie liegt auf dem Desktop und wird von Darea ständig erweitert. Sie enthält all unsere Künstler und alles, was für Sie wichtig ist.«

      »Okay.« Erst jetzt griff Kaden nach dem kleinen Karton auf dem Schreibtisch. »Wow.« Ein nagelneues Handy.

      Nikolaj lächelte ein dünnes Lächeln. »Willkommen in der Firma, Mr. Williams.« Granatapfel, Vanille. Darunter Mandelmilch und Baumwolle. Wie viele Menschen es wohl gab, die Baumwolle nicht riechen konnten, da sie so dezent zutage trat? Für Nikolaj war sie ganz eindeutig da, wenn auch an diesem Tag verschleiert. Längst war er zu dem Schluss gekommen, dass ein Deodorant daran einen großen Anteil tragen musste. Er sah in die fremden Augen und nickte leicht, bevor er sich umwandte und das Büro verließ. Hinter sich zog er die Tür ins Schloss. Er lief den Gang zurück und fand Darea hinter ihrem Schreibtisch. Sie warf ihm einen fragenden Blick zu.

      »Du weißt genau, ich kann deine Blicke nicht immer gut deuten, also sag, was du zu sagen hast, Weib«, sagte er grinsend im Vorbeigehen und ließ seine Bürotür offen. Dareas Schritte folgten ihm.

      »Wie ich dich kenne, wirst du ihn gleich voll einspannen.«

      Nikolaj lachte leise. »Natürlich. Dafür ist er doch hier.«

      »Er ist aber nicht wie die anderen, Nik. Er wird mehr Zeit brauchen«, warnte sie. Es lag ein Unterton in ihrer weichen Stimme, den er nur sehr selten bei ihr zu hören bekam. Niklolaj schnaubte leise und sah in ihre Augen.

      »Darea.