dert. Sie wirkte entrückt und sprach mit tiefer Stimme zu den Men‐ schen. Zielsicher zählte sie auf, wer lebend aus dem Krieg zurückkom‐ men würde und wer nicht. Sie konnte in ihrer „Trance“ die Schlachten detailliert beschreiben und damit die Menschen in Angst und Schre‐ cken versetzen. Die Zuhörer hatten nach der Rückkehr der Überle‐ benden dann die Möglichkeit, die Aussagen von Baba Wanga mit de‐ ren Erzählungen abzugleichen und es stellte sich heraus, dass alles zutreffend gewesen war.
Abb. 5: Propagandameldung der deutschen Wehrmacht über den erfolgten Angriff der Luftwaffe auf Belgrad vom 6. April 1941.
Der Adler No. 9, 29. April 1941
1942 konnte sie genauso zutreffend auch vorhersehen, dass ein Soldat, der sie wegen einer Auskunft besucht hatte, zurückkehren und sie heiraten würde. Auch das traf ein. Ihr Ehemann Dimiter Gu‐ schterow kam ein Jahr nach dem ersten Besuch zu Wanga zurück und hielt um ihre Hand an.
Nach ihren ersten großen „Erfolgen“, sprachen sich ihre Fähigkei‐ ten langsam herum und es blieb nicht aus, dass auch berühmte Men‐ schen sie aufsuchten. Während ihrer gesamten Tätigkeit zog es Pro‐ minente, die wir hier im Westen gar nicht alle kennen, zu ihr. Sie konnte nicht nur treffende Vorhersagen über vermisste Personen und zukünftige Ereignisse erteilen, sondern auch viele Erfolge bei der Hei‐ lung vermeintlich unheilbarer Krankheiten vorweisen. Dies erreichte sie mit seltsamen Rezepten und „Hausmittelchen“. Doch davon später mehr.
Abb. 6: Zar Boris III.
Ein berühmter Vorhersage‐erfolg, der sich kurz nach den beiden an‐ deren erwähnten Prophezeiungen ereignete, fand im April 1942 statt, als Wangas Großmutter Tina mit einem berühmten Mann eintrat, dem sie eindringlich nahelegte: „… Und gib Acht, dass du dieses Datum nicht vergisst: 28. August!“
Bei dem berühmten Mann handelte es sich um den bulgarischen Za‐ ren Boris III, der ein Jahr nach der Vorhersage am 28. August 1943 verstarb.
Boris wurde am 30.01.1894 in Sofia geboren und war ein Zar aus dem Hause Sachsen‐Coburg und Gotha. Er verbündete sich 1941 mit den Achsenmächten im Krieg gegen Griechenland und Jugoslawien, weigerte sich aber 1943 die Deportation von 48.000 bulgarischen Ju‐ den ins KZ Auschwitz zuzulassen. Das passte Hitler natürlich über‐ haupt nicht. Und noch wütender wurde er, als Boris sich außerdem weigerte, den Krieg gegen die Sowjetunion zu erklären, wovon sich Hitler versprach, die drohende Kriegsniederlage noch abwenden zu können.
Im August 1943 bestellte Hitler daher den Zaren nach Berlin, doch er konnte ihn nicht umstimmen, denn Boris wollte nicht gegen die Russen kämpfen, die Bulgarien aus der 500 Jahre andauernden türki‐ schen Herrschaft befreit hatten. Nach seiner Rückkehr nach Bulgarien starb Boris bei einer Wanderung im Rila‐Gebirge plötzlich und uner‐ wartet. Es wurde vermutet, dass der Grund ein Herzversagen war, doch der Polizeibericht schloss damals nicht aus, dass man den Zaren vorsätzlich vergiftet hatte. Er starb am 28. August 1943, genau wie Wanga es vorhergesehen hatte.
Abb. 7: Blick auf das Rila‐Kloster vom Goljam Mramorec (2602 m), in dem Boris beigesetzt wurde.
Auf weitere Vorhersagen, die sich bewahrheitet haben oder noch bewiesen werden müssen, werde ich später eingehen.
Was im Zusammenhang mit dem Besuch berühmter Personen noch interessant ist, ist auch die Tatsache, dass im Nachhinein viel‐ fach behauptet wird, dass Personen wie Hitler, Stalin, Jacky Kennedy und andere auch bei uns bekannte Prominente die Dienste der Wanga in Anspruch genommen hätten. Vielfach gibt es dafür keine Belege. Man muss deswegen deren Besuch vielleicht nicht ausschließen, denn es ist davon auszugehen, dass ein solcher Besuch von der Weltpresse zerpflückt worden wäre und daher natürlich tunlichst in höchster Heimlichkeit abgelaufen sein musste. Wer könnte es diesen Promis auch verdenken?
5. Staatliche Einmischung
„Im Kommunismus wurde der Glaube an Esoterik in Bulgarien offi‐ ziell verboten, doch das Regime hat Vanga oft für Ziele der Partei in‐ strumentalisiert. Die Menschen, die sie besuchen durften, wurden von den Parteifunktionären und von der Staatssicherheit gründlich über‐ prüft und ausgesucht.“
(Todor Ovtcharov, http://fm4.orf.at/stories/1765426/)
Nachdem Wanga zunächst nur für ihre Nachbarn und Freunde, dann auch für Prominente ihre Dienste angeboten hatte, wurde auch das Regime auf sie aufmerksam. Wie Todor Ovtcharov bereits in sei‐ nem Bericht anmerkte, waren Dinge, die mit Esoterik zu tun hatten, nicht nur nicht gerne gesehen, sondern sogar verboten. Wanga hielt sich selbst eigentlich auch nicht für eine Esoterikerin, sondern war streng gläubig, dennoch stieß ihre Tätigkeit bei den höheren Stellen nicht auf Begeisterung. Sie würde also überwacht und kontrolliert.
Unter diesem Druck, berichtet Wikipedia, verkündete sie den Menschen „unkontrollierbare Prophezeiungen“, die sich erst wieder besserten, nachdem der Druck nachließ.
Nach dem Tod ihres Mannes und aufgrund ihrer Berühmtheit, zog sie nicht nur die einfachen Bauern aus der Gegend, sondern auch In‐ tellektuelle, Promis und Schriftsteller an, die sich von ihr nicht nur Vorhersagen machen ließen, sondern sich mit ihr sogar anfreundeten.
Die größten Vorteile zog die Parteielite aus Wangas Fähigkeiten, denn sie wurde auf ihre Treffsicherheit untersucht und es wurde ge‐ filtert, wer zu ihr vorgelassen wurde. Dadurch musste man mit sehr langen Wartezeiten rechnen. Die bulgarische Akademie der Wissen‐ schaften richtete ein „Institut für Suggestologie“ ein, das ihre Fähig‐ keiten analysierte und dabei herausfand, dass die Trefferquote bei
„nur“ 80% lag. Abgesehen von der Untersuchung verlangte der Staat aber von den Besuchern auch Gebühren für die Prophezeiung, woraus sich eine nette Einnahmequelle ergab. Viele Parteiangehörige zeigten sich in der Öffentlichkeit auch gerne mit der „Seherin von Petritsch“.
6. Wangas letzte Tage
Wanga war eine sehr religiöse Frau, die außerdem mehrere Tau‐ send Ehrenpatenschaften für Kinder übernommen hatte. Daraus er‐ wuchs der Wunsch, eine kleine Kapelle oder Kirche zu bauen, in der solche Zeremonien abgehalten werden konnten. Durch eigene Mittel und extra dafür erhaltene Spenden ließ sie schließlich eine Kirche bauen, die 1994 unter dem Namen „Sweta Petka Balgarska“ geweiht wurde. Wie Krasimira Stojanowa in ihrem Buch jedoch hervorhebt, war das Endergebnis überhaupt nicht das, was sich Wanga vorgestellt hatte und sogar die Einheimischen mieden die Kirche, weil sie ihnen nicht gefiel. Selbst der Klerus erkannte die Kirch nicht an, sodass dort auch keine religiösen Zeremonien abgehalten wurden. Die Kirche zieht heute lediglich Touristen an.