Einige Sekunden steht er im Türrahmen und sieht mich einfach nur nachdenklich an. Doch dann schließt er sie wieder und kommt auf das Bett zu. Seufzend lässt er sich auf die Kante sinken und greift nach meiner Hand.
„Geht es dir gut?“, fragt er mich schließlich.
Einen Moment sehe ich ihn an, ehe ich mich aufrichte und leise seufze.
„Ich muss den Schreck noch ein wenig verarbeiten, aber mir geht es gut“, erkläre ich ihm und zucke mit den Schultern.
Er wirft mir einen skeptischen Blick zu, als würde er sicher gehen wollen, dass es auch mein ernst ist. Doch ich lasse keinen Zweifel daran. Daher beuge ich mich ein Stück nach vorne und küsse ihn sanft. Gerade kommt es mir so vor, als könnte ich ihn nur so davon überzeugen, dass er sich keine Sorgen um mich machen muss.
„Du brauchst dir keine Gedanken zu machen“, flüstere ich dennoch.
„Das mache ich aber, da ich weiß, wie das hätte ausgehen können. Und das werde ich so lange, bis ich weiß, was hier los ist.“
Ich spüre die Anspannung, die von ihm ausgeht. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken während ich überlege, wie ich dafür sorgen kann, dass er sich ein wenig entspannt. Doch es ist egal, was mir in den Sinn kommt, ich bin mir sicher, dass es nichts bringen wird.
Am liebsten würde ich ihm sagen, dass er es der Polizei überlassen soll, damit sie herausfinden, was hier los ist. Doch ehrlich gesagt bin ich mir gerade nicht sicher, ob die da wirklich etwas unternehmen können. Außerdem ist er ein Seal.
Er weiß, was er macht. Das hat er mir vorhin schon bewiesen und die Tatsache, dass seine Teamkollegen so schnell hier waren, beruhigt mich irgendwie.
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, sagt er nun und zieht so meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Dir wird nichts passieren. Aber ich will, dass du dich die nächsten Tage krankmeldest.“
Überrascht sehe ich ihn an.
„Wieso das?“
Ich bin verwirrt und kann es auch nicht für mich behalten.
„Solange ich nicht weiß, was hier vor sich geht, will ich kein Risiko eingehen. Und das würde ich dann eindeutig. Doch ich bin mir sicher, dass diese Männer auch dafür verantwortlich sind, dass mein Haus nur noch eine Ruine ist. Schon alleine aus diesem Grund müssen wir vorsichtig vorgehen.“
Er lässt keinen Zweifel daran, dass er es so meint, wie er es gesagt hat.
Mit leicht geöffnetem Mund sehe ich ihn an. Ja, dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen. Schließlich ist alles in derselben Nacht geschehen. Doch es aus seinem Mund zu hören ist etwas völlig anderes.
Einige Sekunden betrachtet er mich, bevor er seine warme Hand an meine Wange legt.
„Ich bin ein Seal, daher muss ich mir leider diese Frage stellen“, stellt er nun fest.
Ich nicke, da ich nicht genau weiß, was ich darauf erwidern soll. In meinem Kopf gehen unzählige Dinge herum, sodass ich nicht einmal weiß, wo ich gerade überhaupt anfangen soll. Aber wenigstens vor mir selber kann ich zugeben, dass ich es mir nach dem Mist auch nicht zutraue, zur Arbeit zu gehen. Daher bin ich ganz froh darüber, dass er anscheinend der gleichen Meinung ist.
„Guten Morgen“, begrüße ich Riley, als ich am nächsten Tag in die Küche komme.
Es dauert ein paar Sekunden, doch schließlich dreht er sich in meine Richtung und betrachtet mich mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Morgen“, verkündet er gut gelaunt. „Hast du gut geschlafen?“
„Nachdem ich endlich zur Ruhe gekommen bin, ja.“
Nachdenklich sieht er mich einen Moment an. Doch dann bedeutet er mir, dass ich mich setzen soll und reicht mir eine Tasse Kaffee.
„Wo ist Brady?“, frage ich ihn, nachdem ich mich einmal umgesehen habe. Weit und breit kann ich ihn jedoch nirgends entdecken oder hören.
„Er ist gerade bei seinem Wagen und will es untersuchen.“
„Untersuchen?“
Einen Moment sieht er mich so an, als würde er darüber nachdenken, ob er es mir wirklich sagen kann. Doch dann seufzt er.
„Er will sich vergewissern, dass er keinen Sender an seinem Fahrzeug hat.“
Es dauert einen Moment, bis seine Worte bei mir angekommen sind. Doch dann sehe ich ihn mit großen Augen an.
In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Er braucht es nicht zu sagen. Ich weiß auch so, was er mir damit sagen will. Auch wenn ich noch immer etwas unter Schock stehe, bin ich nicht doof.
„Oh Mann“, entfährt es mir, obwohl ich es eigentlich für mich behalten wollte.
Doch in dem Moment, in dem er noch etwas von sich geben will, dringt das leise Klingeln meines Handys an meine Ohren.
„Wer ist das?“, erkundigt sich Riley, nachdem ich einen Blick auf das Display geworfen habe.
„Meine Schwester. Da muss ich rangehen. Ich möchte nicht, dass sie sich auch noch Sorgen macht.“
Ich werfe ihm einen entschuldigenden Blick zu, bevor ich nach der Tasse greife und aus dem Zimmer verschwinde.
„Hi“, begrüße ich sie, nachdem ich die Tür zum Gästezimmer hinter mir geschlossen habe.
„Hi. Hast du Lust, dich heute mit mir zum Mittag zu treffen?“
„Heute ist schlecht“, murmle ich.
Gleichzeitig hoffe ich, dass sie nichts von der Unsicherheit bemerkt, die mich gerade fest im Griff hat.
„Oh“, sagt sie nur.
„In den nächsten Tagen geht es bestimmt“, erkläre ich schnell, bevor sie noch etwas dazu von sich geben kann.
„Darf ich den Grund erfahren?“
Tief atme ich durch, während ich überlege, was ich ihr erzählen kann. Zumindest werde ich ihr nichts von der Schießerei berichten, das steht fest. Doch irgendetwas muss ich ihr geben.
„Ich hatte gestern ein Date und wir treffen uns nachher wieder“, beginne ich also und berichte ihr von Brady.
Vor meinem inneren Auge kann ich sehen, wie sie sich ein Stück nach vorne beugt und mir aufmerksam zuhört, bis ich geendet habe. Dabei behalte ich jedoch für mich, dass er ein Navy Seal ist.
Ich weiß nicht genau wieso, doch meine Schwester ist nicht sehr gut auf sie zu sprechen. Dabei kann ich mich nicht daran erinnern, dass sie mal mit einem zusammen war und auch sonst kennt sie niemanden. Doch ich habe auch keine Lust es jetzt herauszufinden.
„Das ist ja wunderbar. Wann lerne ich ihn kennen?“ Vor Aufregung ist ihre Stimme so schrill, dass ich mein Handy ein Stück vom Ohr entfernt halte, damit ich nicht taub werde oder einen Tinnitus bekomme.
„Das ist alles noch ganz frisch. Daher würde ich es lieber erstmal ruhig angehen lassen“, erwidere ich, als die Tür aufgeht und Brady auf der Bildfläche erscheint.
„Aber ich will ihn sehen“, erklärt sie nun mit beharrlicher Stimme.
„Irgendwann wirst du das. Jetzt muss ich aber auflegen, die Arbeit ruft.“
Mit diesen Worten unterbreche ich die Verbindung, ohne darauf zu warten, dass sie noch etwas sagt.
„Ich wollte nicht stören“, erklärt er und deutet dabei auf das Telefon.
„Keine Sorge, meine Schwester wird es überleben.“