»Nein, das werde ich nicht tun.«
»Nun, sieh dich vor; für das ganze Leben kann man nicht garantieren.«
»Nastasja Filippowna«, versetzte der Fürst leise und mitleidig, »ich habe Ihnen vorhin gesagt, daß ich Ihr Jawort als eine Ehre für mich ansehe und daß Sie mir eine Ehre erweisen und nicht ich Ihnen. Sie haben dazu gelächelt, und ich habe gehört, daß auch um uns herum gelacht wurde. Ich habe mich vielleicht sehr lächerlich ausgedrückt und bin vielleicht auch selbst dabei eine lächerliche Person gewesen; aber es ist mir immer so vorgekommen, als ob ich ... als ob ich verstehe, worin die Ehre besteht, und ich bin überzeugt, daß ich die Wahrheit gesagt habe. Sie wollten sich soeben zugrunde richten; sich unwiederbringlich zu grunde richten; denn Sie würden sich das später nie verzeihen, obwohl Sie keine Schuld trifft. Es ist unmöglich, daß Ihr Leben schon gänzlich zerstört sein sollte. Was hat es denn für eine Bedeutung, daß Rogoschin zu Ihnen gekommen ist und daß Gawrila Ardalionowitsch Sie hat betrügen wollen? Warum sprechen Sie beständig davon? Dessen, was Sie getan haben, sind nicht viele Menschen fähig, das wiederhole ich Ihnen; und was Ihren Entschluß, mit Rogoschin wegzufahren, anlangt, so haben Sie ihn in einem Krankheitsanfall gefaßt. In einem solchen Anfall befinden Sie sich auch jetzt, und Sie täten am besten, zu Bett zu gehen. Sie würden schon morgen Wäscherin werden und nicht bei Rogoschin bleiben. Sie sind stolz, Nastasja Filippowna; aber vielleicht sind Sie schon bis zu dem Grade unglücklich, daß Sie sich wirklich für schuldig halten. Sie bedürfen vieler Pflege, Nastasja Filippowna, und ich werde Sie pflegen. Ich habe heute vormittag Ihr Bild gesehen, und es kam mir vor, als würde ich ein bekanntes Gesicht wiedererkennen. Ich hatte sofort eine Empfindung, wie wenn Sie mich riefen ... Ich ... ich werde Sie mein ganzes Leben lang achten, Nastasja Filippowna«, schloß der Fürst und errötete, als käme er auf einmal zur Besinnung und merkte, vor welchen Leuten er das sagte.
Ptizyn hielt schamhaft den Kopf gesenkt und blickte auf den Fußboden. Tozki dachte im stillen: »Er ist ein Idiot, weiß aber instinktiv, daß man durch Schmeichelei am ehesten zum Ziel kommt!« Der Fürst bemerkte auch Ganjas funkelnden Blick aus der Ecke her, mit dem dieser ihn förmlich verbrennen zu wollen schien.
»Nein, ist das einmal ein guter Mensch!« rief Darja Alexejewna ganz gerührt.
»Ein gebildeter Mensch, aber ein verlorener Mensch!« flüsterte der General halblaut.
Tozki nahm seinen Hut und schickte sich an aufzustehen, um still zu verschwinden. Er und der General wechselten Blicke miteinander, um zusammen fortzugehen.
»Ich danke dir, Fürst; so hat bisher noch nie jemand mit mir gesprochen«, sagte Nastasja Filippowna. »Man hat mich immer kaufen wollen; aber zur Frau hat mich noch kein anständiger Mensch nehmen mögen. Haben Sie es gehört, Afanasi Iwanowitsch? Wie denken Sie über das, was der Fürst gesagt hat? Sie werden wohl meinen, es sei beinahe unschicklich ... Rogoschin, warte du noch mit dem Fortgehen! Aber ich sehe, du willst ja auch noch gar nicht weg. Vielleicht komme ich doch noch mit dir. Wohin wolltest du mich denn bringen?«
»Nach Jekateringof«, rapportierte Lebedjew aus seiner Ecke, während Rogoschin nur zusammenfuhr und die Augen aufriß, als glaube er falsch gehört zu haben. Er war ganz stumpfsinnig geworden, wie wenn er einen furchtbaren Schlag über den Kopf erhalten hätte.
»Aber was redest du denn, was redest du denn, meine Beste? Du leidest ja wirklich an Anfällen! Hast du denn ganz den Verstand verloren?« rief Darja Alexejewna erschrocken.
»Hast du es denn im Ernst geglaubt?« erwiderte Nastasja Filippowna lachend und sprang vom Sofa auf. »Sollte ich denn ein solches Kind zugrunde richten? Da würde ich ja gerade so handeln wie Afanasi Iwanowitsch; das ist so ein Kinderfreund! Wir wollen fahren, Rogoschin! Halte dein Päckchen bereit! Daß du mich heiraten willst, macht dabei nichts aus; das Geld gib mir trotzdem! Ich nehme dich vielleicht jetzt noch gar nicht. Hattest du gedacht, wenn du mich heiratest, würdest du das Päckchen behalten können? Dummes Zeug! Ich kenne keine Scham! Ich bin Tozkis Konkubine gewesen ... Fürst, wen du jetzt nötig hast, das ist Aglaja Jepantschina und nicht Nastasja Filippowna; sonst kommt es noch dahin, daß Ferdyschtschenko mit Fingern auf dich weist! Du fürchtest dich nicht; aber ich würde mich fürchten, daß ich dich zugrunde richtete und du es mir nachher vorwürfest! Und wenn du erklärst, ich erwiese dir eine Ehre, so weiß damit Tozki Bescheid. Du aber, Ganja, hast Aglaja Jepantschina verpaßt: weiß du das wohl? Hättest du nicht mir ihr ein Handelsgeschäft machen wollen, so hätte sie dich bestimmt genommen! Ja, so seid ihr Männer alle; aber man muß sich für eins von beiden entscheiden: ob man mit unanständigen oder mit anständigen Frauen zu tun haben will. Sonst entsteht unfehlbar Verwirrung ... Seht mal, der General starrt mich mit offenem Mund an ... y«
»Das ist ja das reine Sodom, das reine Sodom!« sagte der General achselzuckend.
Auch er stand jetzt vom Sofa auf; alle waren wieder auf den Beinen. Nastasja Filippowna schien sich in einem Zustand der Raserei zu befinden.
»Ist es denn möglich?« stöhnte der Fürst händeringend. »Das hattest du wohl nicht erwartet? Ich besitze vielleicht auch selbst meinen Stolz, wenn ich auch ein schamloses Weib bin! Du hast mich vorhin eine vollkommene Frau genannt; das ist eine schöne Vollkommenheit, wenn ich mich in ein Sumpflokal begebe, bloß um mich rühmen zu können, daß ich eine Million und eine Fürstenkrone mit Füßen getreten habe! Wie kann ich unter solchen Umständen eine passende Frau für dich sein? Afanasi Iwanowitsch, ich habe tatsächlich eine Million zum Fenster hinausgeworfen! Wie haben Sie nur denken können, ich würde es für ein Glück halten, Ganja und Ihre fünfundsiebzigtausend Rubel zu heiraten! Behalte deine fünfundsiebzigtausend Rubel für dich, Afanasi Iwanowitsch (du bist nicht einmal bis auf hunderttausend gegangen; Rogoschin hat dich überboten!), und Ganja werde ich selbst zu trösten wissen; es ist mir da ein Gedanke gekommen. Jetzt aber will ich mich amüsieren; ich bin ja eine Straßendirne! Ich habe zehn Jahre lang im Gefängnis gesessen; jetzt kommt für mich die Zeit des Glücks! Nun, wie steht's, Rogoschin? Mach dich fertig; wir wollen fahren!«
»Wir wollen fahren!« brüllte Rogoschin, fast rasend vor Freude. »Heda, ihr alle ... Wein her! Oh, ach!«
»Sorge nur für Wein; ich werde trinken! Wird auch Musik da sein?«
»Gewiß, gewiß! Nicht herangehen!« schrie Rogoschin wütend, als er sah, daß Darja Alexejewna sich Nastasja Filippowna nähern wollte. »Sie gehört mir! Alles gehört mir! Sie ist meine Königin! Ich habe es erreicht!«
Er konnte vor Freude kaum atmen; er ging um Nastasja Filippowna herum und schrie allen zu: »Nicht herankommen!« Sein ganzes Gefolge war nun in den Salon eingedrungen. Die einen tranken, andere schrien und lachten; alle waren in höchst animierter, ungezwungener Stimmung. Ferdyschtschenko machte Versuche, sich ihnen anzuschließen. Der General und Tozki machten wieder eine Bewegung, um möglichst bald zu verschwinden.
Auch Ganja hatte den Hut in der Hand; aber er stand schweigend da und schien sich von dem Bild, das sich da vor seinen Augen entrollte, noch nicht losreißen zu können.
»Nicht herankommen!« schrie Rogoschin.
»Aber was brüllst du denn?« schalt ihn Nastasja Filippowna lachend. »Ich bin hier noch die Wirtin in meiner eigenen Wohnung; wenn ich will, kann ich dich immer noch mit Rippenstößen hinausjagen lassen. Noch habe ich das Geld nicht von dir angenommen; da liegt es; gib es her, das ganze Päckchen! Also in diesem Päckchen sind hunderttausend Rubel? Pfui, wie schmutzig es aussieht! Was hast du, Darja Alexejewna? Sollte ich ihn denn wirklich zugrunde richten?« (Sie wies auf den Fürsten.) »Wie kann er denn heiraten? Er braucht ja selbst noch eine Wärterin; der General dort, der wird nun seine Wärterin sein; sieh nur, wie er um ihn herumscharwenzelt! Schau her, Fürst, deine Braut hat das Geld genommen, weil sie eine Dirne ist; und du wolltest sie heiraten! Aber warum weinst du denn? Es ist dir wohl schmerzlich, wie? Aber meiner Ansicht nach solltest du lachen«, fuhr Nastasja Filippowna fort, der selbst zwei große Tränen auf den Wangen funkelten. »Vertraue auf die Zeit; es geht alles vorüber! Besser, man bedenkt das jetzt, als später ... Und warum weint ihr denn? Da, auch Katja weint! Was hast du denn, liebe Katja? Ich lasse dir und Pascha viel