Fjodor Dostojewski: Hauptwerke. Fjodor Dostojewski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fjodor Dostojewski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754189153
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und preßte die Lippen aufeinander. Fürst N., Jewgeni Pawlowitsch, Fürst Schtsch. und die jungen Mädchen unterbrachen sämtlich ihre Gespräche und hörten zu. Aglaja schien erschrocken zu sein, Lisaweta Prokofjewna es geradezu mit der Angst zu bekommen. Das Verhalten der Jepantschinschen Damen, der Mutter und der Töchter, war recht sonderbar: sie waren selbst der Ansicht gewesen, es sei am besten, wenn der Fürst den Abend über schweigend dasitze, und hatten ihm dies auch anempfohlen; aber sowie sie gesehen hatten, daß er völlig vereinsamt und mit seinem Schicksal ganz zufrieden in einer Ecke saß, waren sie auch sofort in Aufregung geraten. Alexandra hatte vorgehabt, zu ihm hinzugehen und ihn vorsichtig, quer durch das ganze Zimmer zur Gesellschaft heranzuholen, das heißt genauer zum Fürsten N., der neben der alten Bjelokonskaja saß. Und kaum hatte der Fürst von selbst zu reden angefangen, als sie sich noch mehr beunruhigten.

      »Daß er ein vortrefflicher Mensch war, darin haben Sie recht«, sagte Iwan Petrowitsch mit Nachdruck und nunmehr ohne zu lächeln; »ja, ja, er war ein prächtiger Mensch! Ein prächtiger, wertvoller Mensch!« fügte er nach einem kurzen Stillschweigen hinzu. »Man kann sagen, ein höchst achtungswerter Mensch«, fuhr er nach einer neuen Pause mit noch größerem Nachdruck fort, »und ... und es ist eine Freude, zu sehen, daß Sie Ihrerseits ...«

      »Hatte dieser Pawlischtschew nicht so eine Affäre ... eine sonderbare Affäre ... mit einem Abbé ... mit einem Abbé ... ich habe vergessen, mit was für einem Abbé; aber es sprachen damals alle davon«, sagte der Würdenträger, indem er in seinem Gedächtnis nachsuchte.

      »Mit dem Abbé Gouraud, einem Jesuiten«, kam ihm Iwan Petrowitsch zu Hilfe. »Ja, so geht es mit unsern vortrefflichsten, würdigsten Männern! Denn er war doch von guter Familie, besaß Vermögen, hatte den Rang eines Kammerherrn, und wenn er ... im Dienst geblieben wäre ... Und da ließ er nun Dienst und alles im Stich, um zum Katholizismus überzutreten und Jesuit zu werden, und noch dazu beinah ganz offen, mit einer Art von Begeisterung. Wirklich, er ist gerade zur rechten Zeit gestorben ... ja; das wurde damals allgemein gesagt.«

      Der Fürst war außer sich.

      »Pawlischtschew ... Pawlischtschew wäre zum Katholizismus übergetreten? Das ist unmöglich!« rief er erschrocken.

      »Nun, nun, ›unmöglich‹!« lispelte Iwan Petrowitsch gelassen. »Das ist denn doch zu viel gesagt, mein lieber Fürst, das müssen Sie selbst zugeben ... Übrigens, Sie schätzen den Verstorbenen so außerordentlich hoch ... und er war auch wirklich der beste Mensch, und gerade diesem Umstand schreibe ich es in der Hauptsache zu, daß dieser Gauner Gouraud mit seinen Bemühungen Erfolg hatte. Aber ich könnte Ihnen ein Lied davon singen, wieviel Mühe und Schererei ich damals von dieser Geschichte gehabt habe ... und besonders mit eben diesem Gouraud! Stellen Sie sich vor«, wandte er sich plötzlich zu dem Würdenträger, »sie wollten sogar Ansprüche auf die Hinterlassenschaft erheben, und ich mußte damals sogar zu den allerenergischsten Maßregeln greifen ... um sie zur Räson zu bringen ... denn auf solche Dinge verstehen sie sich meisterhaft! Geradezu mei-ster-haft! Aber die Geschichte spielte, Gott sei Dank, in Moskau, so daß ich mich gleich an den Grafen wenden konnte, und da haben wir sie ... zur Räson gebracht ...«

      »Sie glauben nicht, was Sie mir für eine schmerzliche Überraschung bereitet haben!« rief der Fürst wieder.

      »Das tut mir leid; aber im Grund sind das alles, strenggenommen, harmlose Dinge, die auch einen harmlosen Ausgang genommen hätten, wie immer; davon bin ich überzeugt. Im vorigen Sommer«, wandte er sich wieder an den Würdenträger, »ist die Gräfin K., wie man sagt, ebenfalls im Ausland in ein katholisches Kloster getreten; unsere Landsleute haben eben keine Widerstandskraft, wenn sie sich einmal mit diesen ... geriebenen Kunden einlassen ... namentlich im Ausland.«

      »Ich meine, das ist alles eine Folge unserer ... Schlaffheit«, murmelte unter Kaubewegungen der Alte im Ton der Überlegenheit. »Na ja, sie haben so eine eigene Manier zu predigen ..., eine elegante Manier ..., und verstehen, die Leute einzuschüchtern. Auch mich haben sie, als ich einunddreißig Jahre alt war, in Wien eingeschüchtert, kann ich Ihnen versichern; nur ergab ich mich ihnen nicht, sondern lief vor ihnen davon, haha! Ich bin wirklich vor ihnen davongelaufen.«

      »Ich habe gehört, Väterchen, daß Sie damals mit der schönen Gräfin Lewizkaja von Wien nach Paris durchgingen und Ihren Posten verließen, und nicht vor einem Jesuiten flohen«, bemerkte die alte Bjelokonskaja.

      »Na, eigentlich doch vor einem Jesuiten; es kommt doch so heraus, daß ich vor einem Jesuiten floh!« erwiderte der Alte, bei der angenehmen Erinnerung lächelnd. »Sie sind, wie es scheint, sehr religiös, was man jetzt bei einem jungen Menschen so selten an trifft«, wandte er sich freundlich an den Fürsten Ljow Nikolajewitsch, der mit offenem Mund zuhörte und immer noch ganz überrascht war; der Alte wünschte offenbar, den Fürsten näher kennenzulernen; dieser begann ihn aus gewissen Gründen sehr zu interessieren.

      »Pawlischtschew war ein heller Geist und ein Christ, ein wahrer Christ«, sagte der Fürst plötzlich; »wie konnte er nur einen unchristlichen Glauben annehmen? Der Katholizismus ist geradezu ein unchristlicher Glaube!« fügte er mit blitzenden Augen hinzu, indem er vor sich hinschaute und alle Anwesenden gleichsam mit einem Blick zusammenfaßte.

      »Na, das ist denn doch zuviel gesagt«, murmelte der Alte und blickte Iwan Fjodorowitsch erstaunt an.

      »Wieso soll denn der Katholizismus ein unchristlicher Glaube sein?« fragte Iwan Petrowitsch, sich auf seinem Stuhl umwendend. »Und was für ein Glaube ist er denn?«

      »Erstens ist er ein unchristlicher Glaube!« erwiderte der Fürst in großer Erregung und mit übermäßiger Schärfe. »Das ist das erste; und zweitens ist der römische Katholizismus sogar schlimmer als der Atheismus selbst; das ist meine Meinung! Ja, das ist meine Meinung! Der Atheismus predigt nur das Nichts; aber der Katholizismus geht weiter: er predigt einen entstellten Christus, einen durch Verleumdung und Beschimpfung karikierten Christus, das reine Gegenteil von Christus! Er predigt den Antichrist, das schwöre ich Ihnen, das versichere ich Ihnen! Das ist meine persönliche, langgehegte Überzeugung, die mir schon viel Pein bereitet hat ... Der römische Katholizismus glaubt, daß ohne eine universale Herrschgewalt die Kirche auf Erden nicht bestehen kann, und ruft: ›Non possumus!‹ Meiner Ansicht nach ist der römische Katholizismus überhaupt kein Glaube, sondern einfach eine Fortsetzung des weströmischen Kaisertums, und es ist bei ihm alles, vom Glauben angefangen, dieser Idee untergeordnet. Der Papst hat ein Land in Besitz genommen, einen irdischen Thron bestiegen und das Schwert ergriffen; seitdem geht alles in dieser Art weiter; nur haben sie zum Schwert noch die Lüge, die Intrige, den Betrug, den Fanatismus, den Aberglauben und das Verbrechen hinzugefügt; sie haben mit den heiligsten, aufrichtigsten, schlichtesten, wärmsten Empfindungen des Volkes gespielt; alles, alles haben sie für Geld, für gemeine weltliche Macht hingegeben. Und das wäre nicht die Lehre des Antichrists?! Wie hätte da nicht der Atheismus von ihnen ausgehen sollen? Der Atheismus ist von ihnen ausgegangen, geradezu aus dem römischen Katholizismus! Der Atheismus hat zuallererst mit ihnen selbst angefangen: konnten sie denn auch sich selbst Glauben schenken? Er gewann dann aus dem gegen sie bestehenden Widerwillen Stärke; er ist ein Produkt ihrer Lüge und geistigen Kraftlosigkeit! Der Atheismus! Bei uns sind es bisher nur die höheren Schichten, die ihre Wurzel verloren haben und nicht mehr glauben, wie Jewgeni Pawlowitsch neulich sehr schön gesagt hat; aber dort, in Westeuropa, hören schon gewaltige Massen des eigentlichen Volkes auf zu glauben, früher aus Unwissenheit und Unwahrhaftigkeit, aber jetzt schon aus Fanatismus und aus Haß gegen die Kirche und gegen das Christentum.«

      Der Fürst hielt inne, um Atem zu schöpfen. Er hatte furchtbar schnell gesprochen. Er war blaß und hatte keine Luft. Alle wechselten Blicke miteinander; aber endlich begann der Alte herzlich zu lachen. Fürst N. nahm seine Lorgnette heraus und betrachtete den Fürsten unverwandt. Der deutsche Dichter kam aus seiner Ecke hervorgekrochen und näherte sich mit einem unangenehmen Lächeln dem Tisch.

      »Sie ü-ber-trei-ben sehr«, sagte Iwan Petrowitsch, dieses Wort in die Länge ziehend, in etwas gelangweiltem Ton; es klang sogar so, als ob er sich über etwas schämte; »auch in der dortigen Kirche gibt es höchst achtungswerte, tu-gend-hafte Vertreter ...«

      »Ich habe nie von einzelnen Vertretern