Er zog los und war für drei Tage weg, also konnte ich mit meiner Zukunftsplanung anfangen.
Ich hatte mich zufällig mit meiner Nachbarin unterhalten und ihr gesagt, dass ich ein schönes neues Haus suche, möglichst in der Nähe. Wie der Zufall es wollte, sollte in der Parallelstraße ein Haus frei werden. Ich hatte einen Termin mit den Vormietern. Kaum war der holde Gatte weg machte ich den Besichtigungstermin und bat meine Freundin Iris mitzukommen.
Wir kannten uns bereits seit fünfzehn Jahren, sie war meine beste Freundin. Damals wohnten wir Tür an Tür und sahen uns täglich. Obwohl sie voll berufstätig war, einen Mann und ein Kind hatte, verbrachten wir viel Zeit miteinander; ihr Mann Klaus hatte kein Problem damit. Im Gegenteil! Wir vier verbrachten Feiertage gemeinsam, machten Ausflüge. Ihre Tochter, die kleine Nancy, hatte ich ins Herz geschlossen. Wir machten Nächte zum Tag, quatschen, lachten, machten Blödsinn. Wir waren damals unzertrennlich.
Als Peter in mein Leben kam, zog ich ans andere Ende der Stadt. Dann band ich mich immer mehr in sein Geschäft ein, Carlotta kam auf die Welt, wir gründeten die Werbeagentur, kurzum, unsere Treffen wurden seltener, schade! Umso mehr freute ich mich, sie heute zur Besichtigung des Hauses dabei zu haben.
Iris hielt mit ihrem Auto an, stieg aus. Wir fielen uns erst einmal in die Arme und drückten uns, ich freute mich sehr sie wiederzusehen. Unsere Freundschaft ließ sich durch nichts auseinanderbringen. Da standen wir nun vor dem Haus: Es war in einem unbeschreiblich schlechten Zustand. Das Badezimmer hatte noch niemals einen Farbanstrich gesehen und offensichtlich noch dieselben Fliesen und dieselbe Wanne, seit 1933! Die Küche war ebenfalls in einem schrecklichen Zustand. Es gab nur ein Wort:Furchtbar! Dennoch, das Haus hatte Atmosphäre und obwohl ich viel Geld reinstecken musste, ich wollte es. Ich hatte mich in dieses Haus verliebt, dieses oder keins, das musste es sein.
Iris war etwas verwundert: »Mensch Chiara, da musst du aber viel machen, meinst du, das ist es wert! «
Und wie dieses Haus das wert war!
Ich konnte in meinem alten Haus nicht schlafen, hatte immer das Gefühl, böse Geister wären darin. Ich fand das alte Haus zu groß, zu unpersönlich und überhaupt nicht schön. Dieses Haus aber, das hatte alles. Schöne Zimmer – keine Säle, anders, als das alte Haus. Hier konnte man richtig gemütlich leben und erst der Garten, ein Traum! Ein Hexengarten, völlig verwildert, absolut mein Geschmack. Und im Übrigen war es bedeutend günstiger. Wenn man also mit dem Vermieter noch ein bisschen handeln kann? Dann hätte ich ein neues Zuhause, indem ich mich mit Carlotta wohlfühlen konnte. Carlotta könnte mal bei Papa sein und mal bei mir. Ich wusste eins: In diesem Haus, wollte ich alleine leben, nur mit Carlotta!
Die Vormieterin gab mir eine Adresse und Telefonnummer und ich wollte das Ganze so schnell als möglich in Angriff nehmen.
Dann ging es los…Ich rief meinen holden Gatten an.
Er wollte gerade mit Gefühlsduselei kommen, aber ich unterbrach ihn und sprach drauflos. Er brauche jetzt nicht mit irgendeinem Schauspiel anfangen, es sei nun der Punkt gekommen, wo es mir Unterkante-Unterlippe steht. Ich wollte kein weiteres Geschmuse hören, sondern endlich die Wahrheit! Ich wusste, dass er mal wieder eine Andere hat, Lügen ist zwecklos. Jetzt war es an der Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. Ich hatte mich entschieden und zwar gegen ihn!
»Weißt du Peter, nur weil du Peter bist, kannst du dir nicht die Rosinen rauspicken! Ich habe auch ein Recht auf ein würdiges Leben. Ich möchte nicht mehr leiden. Ich habe keine Lust mehr auf dein ewiges Fremdgehen, auf deine Lügen, deine Betrügereien, du stehst einfach nicht zu mir! Du bist für alle da, nur nicht für mich. «
»Hey, was ist denn los, ich verstehe nur Bahnhof, also, wenn das für dich ein Problem ist, dass ich in München bin, warum sagst du nichts? «
»Pass auf, es gibt nichts mehr zu sagen, es ist vorbei! Ich mag nicht mehr, dieses zweite Leben, welches du lebst, daran möchte ich nicht mehr teilhaben! Werde glücklich mit Jane – Moni – Bärbel oder wie sie heißen, aber nicht mehr mit mir. Mir reicht es! Ich denke, ich habe immer versucht dir eine gute Frau zu sein, habe dir geholfen, war für dich da, habe immer und immer wieder verziehen und geglaubt, du würdest dich ändern. «
Innerlich durchzuckte es mich…Ich sagte mir: Nur nicht schwach werden. Lass dich nicht von ihm einlullen, bleibe dir treu! Denke an alle deine Verletzungen! Bleib energisch!
Dann setzte ich meinen Satz fort: »Ich habe sogar mehrere Therapien durchgezogen, weil ich immer dachte, ich sei schuld! Ich habe das Gefühl, du kannst nicht anders. Mittlerweile glaube ich, dass du niemanden vertrauen kannst, nicht einmal, dir selber. Offensichtlich bist du deswegen immer auf der Suche und brauchst immer wieder einen neuen Kick, aber mir reicht es nun. Ich brauche nämlich keinen Kick. Ich möchte nur noch eins, meine Ruhe und meinen Frieden. Lieber bleibe ich alleine, dann weiß ich, dass ich nichts zu erwarten habe!« Plötzlich war es ruhig auf der anderen Seite, es kam ein Schluchzen. »Chiara ich liebe dich doch, ohne dich kann ich nicht leben! «
Ich konnte das Gequatsche nicht mehr hören.
»Aber mit mir offensichtlich auch nicht! Ansonsten würdest du mich nicht immer wieder verletzen. Du hast das Fass, zum Überlaufen gebracht, ich will meinen Mann nicht teilen. «
»Aber das kannst du mir doch nicht antun! «
Mist, genau davor hatte ich Angst. Genau das sagte er immer und dann kippte ich um. Also tief Luft holen und drüber stehen. Dieses Mal nicht!! »Tut mir leid, Peter, ich will nicht mehr, werde glücklich - schöne Grüße an deinen Nachbarsitz und eine erfüllende Liebesnacht! « Dann hängte ich ein.
Jetzt sollte es mir besser gehen, aber ich heulte wie ein Schlosshund. Irgendwann, kam ich wieder zu mir. Das Telefon klingelte am laufenden Band. Erst mein Handy, dann das Festnetz, so ging es zwei Stunden lang. Ich wusste, wer dran war. Ich musste mich ablenken! Ich fuhr nach Hause, da sah ich Maurice. Er kam mir entgegen, sah gleich, was los war, »Was ist los, Chiara? «
»Ich habe heute versucht Peter zu erklären, dass es aus - Schluss und vorbei ist, das ist aber nicht ganz so einfach!«
»Wollen wir beide ein Glas Wein auf meiner Terrasse trinken? «
»Nein, ich bin doch total verheult! «
»Na komm, jetzt trinken wir ein Glas Wein, dabei erzählst du mir alles. «
Maurice war wirklich nett, ich willigte ein. Wir unterhielten uns bis das Morgenlicht fast durchkam. Es war schön mit einem Mann zu sprechen, der einem auf Augenhöhe begegnete und mich nicht runtermachte oder quälte, einer der zuhörte. Der das Gefühl vermittelte, dass er sich freute mit mir zusammen zu sitzen.
Gab es doch andere Männer?
Ich konnte es fast nicht glauben, ich war bislang immer nur an Männer geraten, die mich als Sexualobjekt gesehen hatten, die nur kurz nett waren, weil sie mich so schnell wie möglich in die Kiste haben wollten. Aber dieser Mann hörte zu; er war nur freundlich. Das war schön, und bald, ging es mir schon besser. Ich war überrascht von Maurice; ich hatte das Gefühl, dass wir beide uns sehr ähnlich waren. Wir beide liebten Italien, das Essen, den Wein. Ich hatte sogar festgestellt, dass wir dieselben Bücher lasen, was für ein Zufall! Und doch waren wir beide verschieden, ich temperamentvoll und impulsiv, er ruhig und gelassen. Es schien, als wäre er in seiner inneren Mitte angekommen. Ich dachte an unsere zahlreichen Treffen. Jetzt kannten wir uns schon sechs Jahre! Wenn die Situation Spontanität verlangte konnte er sofort umschalten. Wilde Mischung! Er konnte gut zuhören und bei Bedarf einen Ratschlag geben. Egal, um was es ging, er hatte immer eine Idee und seine Vorschläge, hörten sich immer umsetzbar an.
Nun wollte ich langsam, aber sicher los. Mir war schon etwas leichter ums Herz. Ich war nicht mehr so traurig.Ich drückte Maurice und sagte ihm, dass mir das Gespräch sehr gutgetan hat. Ich bedankte mich und fragte ihn, wann er in Urlaub fährt. »Morgen Nachmittag! «
Plötzlich zog ein Kribbeln in mir auf. Was war das?
Ich ging los.