"Träumen wir?" Teagau, eigentlich Peter Teagau, Lehrer, stand fragend vor Frederico Tenderbilt. Erschrocken fuhr Frederico hoch und blickte in das...
...böse Gesicht des Ritters. Niemand hatte bemerkt, dass er das Dorf erreicht hatte, niemand hatte mit seinem Kommen gerechnet. Plötzlich, ohne Warnung, stand er vor ihnen, sein Breitschwert, auf dem sich die Sonne spiegelte, in siegessicherer Arroganz in die Hüfte gestützt und darauf lehnend.
"Wäre es nicht besser, wenn du dem Unterricht folgen würdest?"
Die Frage verhallte, niemand reagierte, die Gesichter waren starr auf den Ritter gerichtet und niemand war in der Lage, etwas zu sagen. Da stand er vor ihnen, der Todesengel, seine Anwesenheit bewies, dass ihre Lebenszeit begrenzt war. Wer noch am Morgen an die Unsterblichkeit geglaubt hatte, sah sich jetzt eines Besseren belehrt. Jeder konnte nur hoffen, dass es seinen Nachbarn traf, gegen den er eigentlich nichts hatte, aber wenn schon jemand sterben musste, dann lieber er. Obgleich man zugeben musste, dass der Ritter, was das anging, sehr gerecht war. Er zog niemanden vor, er tötete wirklich jeden, den er vorfand.
"Damit du dich besser im Stoff zurechtfinden kannst, schreibst du am besten einen Aufsatz über das Thema..."
Mit einer ungeahnten Geschwindigkeit, die aus ständiger Übung erwachsen sein musste, schwang der Ritter das Schwert, auf dem er kurz zuvor noch geruht hatte, hoch und ließ es kreisen. Seine Aktion wurde mit dem üblichen Geschrei und dem üblichen Tod belohnt. Es brauchte nicht lange, das ganze Dorf leer zu fegen. Es hatte länger gebraucht, es aufzubauen. Als er sich später neben seinem Pferd in den Sand setzte, spiegelte sein Schwert nicht mehr das Licht der Sonne. Es war ein Zeichen, dass er hart gearbeitet hatte.
"...und darüber hinaus wirst du auch nachsitzen." Teagau lächelte gemein.
Wie kam ein normaler Mann dazu, solche Verwüstung und Tod anzurichten? Was hatte ihn dazu veranlasst? Der Ritter saß noch immer im Staub und blickte auf den Horizont, die Sonne ging langsam unter. Ein wundervoller Anblick. Er liebte es, der Sonne beim Untergehen zuzusehen. Eigentlich war er sehr romantisch. Er wäre bestimmt ein netter Kerl geworden. Aber etwas war dazwischen gekommen. Diese gottverdammten Lehrer. Wenn diese Lehrer nicht gewesen wären, er hätte vielleicht ein friedliches Leben führen können. Doch es war ganz anders geworden.
Frederico hasste Unterricht, er hasste Schulen und er hasste Lehrer. Wofür waren sie gut? Sie versauten einem nur die Zukunft. Von den Nachmittagen ganz zu schweigen!
Kapitel 5
Es war unerfreulich, wirklich unerfreulich. Percy Tenderbilt, Vater des Sir Henry Tenderbilt, schüttelte den Kopf. Man bekam kein gutes Personal mehr heutzutage. Und der Mann hatte so seriös gewirkt. Es war zu schade. Er nickte den Beamten zu und schloss leise die Tür.
Eines Morgens wachte Percy Tenderbilt auf, streckte sich, gähnte und warf beim Aufstehen einen Blick in den Garten. Es verschlug ihm fast die Sprache. Er hatte sich nie um den Garten gekümmert, das sah man ihm an. Das Unkraut wucherte, in dem Beet, wo einst Rosen in allen möglichen Rottönen geblüht hatten, befanden sich eindeutige Spuren von Maulwürfen, der Garten war ein Fiasko. Es war Zeit, etwas daran zu ändern. Ein Gärtner musste her. So beauftragte Percy seinen Butler sich umzuhören. Mit seinen Beziehungen war er in der Lage, einen geeigneten Menschen für den zu besetzenden Posten zu bekommen.
Der Gärtner kam. Sein Name war Gregor Malchikow. Er war ein netter Kerl, dieser Gregor Malchikow, immer nett, immer freundlich. Und, was das Wichtigste war, er war ein phantastischer Gärtner. Der Garten erblühte in neuem Glanze. Nach ein paar Monaten fragte sich Percy, warum es nicht immer so gewesen. Wahrscheinlich benutzte Malchikow einen anderen Dünger als man es zuvor getan hatte. Tatsächlich benutzte er einen sehr ungewöhnlichen Dünger, wie sich später herausstellte. Zu dieser Zeit erfuhr man auch, dass er die ganze Zeit über ein Doppelleben geführt hatte.
Lächelnd stand Mathilda Kendell an der Theke der Dorfschänke in Hooverdoon. Sie lachte und trank ein Pint nach dem anderen. Der Mann neben ihr lachte auch, niemand kannte ihn, er machte einen netten Eindruck, wahrscheinlich nur auf der Durchreise. Mathilda Kendell mochte ihn und er sie. Bald gingen sie. Sie stiegen erst im Gasthof ab, verließen dann wenig später das Dorf. Man nahm an, dass sie geheiratet hätten, wenn man sich auch wunderte, dass Mathilda kein Lebenszeichen mehr sandte.
Eigentlich war der Pfarrer in Ganderwood ein freundlicher Mensch. Eines Abends klopfte ein kleiner Mann an seine Tür, er fragte, ob er ihm Einlass gewähren würde, er wollte sich aufwärmen. Der Pfarrer tat es. Er unterhielt sich den ganzen Abend nett mit dem Fremden. Erst am Sonntag, als niemand die Glocken läutete, begann man sich zu fragen, wo der Pfarrer war.
Auf einer Landstraße in der Nähe von Brindige hielt ein steckbrieflich gesuchter Verbrecher mit einer List einen Wagen an. Er tat so, als hätte er einen Unfall gehabt und erschlich sich so eine Mitfahrgelegenheit. Er hatte vor, seinen Fahrer auszurauben und dann umzubringen, seine Spezialität. Danach wollte er untertauchen, was er auch tatsächlich tat.
Während die Bevölkerung der umliegenden Dörfer langsam aber sicher dezimiert wurde, blühte der Garten der Tenderbilts in völlig neuem Glanze, in Farben, die ihresgleichen suchten. Hätte sich Gregor Malchikow nicht an einem Wochenende frei genommen, um 'noch etwas Dünger zu besorgen' und hätte sich nicht ausgerechnet an diesem Wochenende ein Pferd losgerissen und wäre durch das Rosenbeet getrampelt, Percy wäre nie auf die Idee gekommen, sich selbst näher mit dem Beet zu beschäftigen.
Da er aber die von dem Pferd zerstörte Arbeit seines Gärtners diesem nicht zeigen wollte, beschloss er, das Gröbste selbst wieder auszubessern, zusammen mit seinem Butler. Nicht genug damit, dass die beiden selbst Hand anlegten, sie fanden auch eine! Beim Umgraben.
Percy war sehr verwundert. Sie gruben weiter und fanden den zugehörigen Arm. Langsam schwante den beiden, was der wundervolle Dünger ihres Gärtners gewesen war, eine etwas kostspielige Angelegenheit. Was sollten sie jetzt tun? Malchikow war der beste Gärtner, den sie je gehabt hatten, aber er hatte so seine Eigenarten, wie sie nun festgestellt hatten. Außerdem würde es auf sie zurückfallen, wenn er einfach die Nachbardörfer ausrottete und dann später weiter zog, um anderswo vor sich hinzumorden, während sie hier leben mussten. Außerdem kam er womöglich auf die Idee, sie als Dünger zu verwenden.
Percy rief also, schweren Herzens, die Polizei. Es brach ihm das Herz, als sie auf der Suche nach den Leichen (es fanden sich 23 im Garten und noch drei hinter der großen Hecke) den Garten umgruben und die Arbeit von Monaten zerstörten, in zweifacher Hinsicht. Percy überlegte, ob man vielleicht einen Vertrag mit einem Bestattungsunternehmen schließen konnte...
Jedenfalls blühte es im Garten nie wieder so, wie in diesem Sommer, in dem Gregor Malchikow ruhig vor sich hinmordete. In der Chronik über die Tenderbilts äußert sich Stefano di Calbrizzi folgendermaßen zu diesem Thema:
"In diesem Sommer stellte sich heraus, dass Percy Tenderbilt einen wahnsinnigen Mörder eingestellt hatte, der aus purer Mordlust die Hälfte der umliegenden Dörfer ausgerottet hatte, die Leichen grauenvoll zerstückelte und sie, damit sie nicht gefunden wurden, auch noch im Garten der Tenderbilts vergrub. Da es sich bei diesem Mörder um den Gärtner handelte, fiel es ihm nicht schwer, auf diesem Wege die Opfer seiner grauenvollen Taten verschwinden zu lassen!"
Ungesagt bleibt in dieser Übersicht, dass unter den Opfern auch ein bekannter Mörder war, der mit Vorliebe Raubmord beging. Ebenfalls wird hier unterstellt, dass Gregor Malchikow wahnsinnig seine Opfer suchte und sie dann aus Angst vor Entdeckung im Garten vergrub. Dies ist eine völlige Verdrehung der Tatsachen, da Malchikow ein leidenschaftlicher Gärtner war und seine langjährige Arbeit auf einem Friedhof in der Nähe von Blackmor Castle ihn zu der Erfahrung hatte