„Sie haben also keinen Beruf? Sind immer auf Wanderschaft? Kein Zuhause, kein Geld? Super Einstellung. Das wäre kein Leben für mich.“, stellte sie klar.
Paul lächelte.
„Sie wissen nicht, was ihnen entgeht. Arbeiten sie hier alleine?“
„Ja. Ich backe alles selbst und bediene die Kundschaft. Es macht mir Spaß. Es war immer schon mein Traum, ein eigenes Cafe zu haben.“
„Und sie haben es geschafft. Hut ab. Zielstrebig.“
„Ja. Wenn ich mir was in den Kopf gesetzt habe, dann ziehe ich es durch. Eigentlich habe ich was ganz anderes studiert.“
„Was haben sie studiert?“
„Management. Aber ich habe bald bemerkt, dass es nicht das ist, was ich eigentlich möchte.“
Lilly schaute nachdenklich über den Meeresspiegel.
„Es war reine Zeitverschwendung. Aber warum erzähle ich ihnen dass eigentlich alles. Ich kenne sie ja kaum.“
„Weil ich ein guter Zuhörer bin.“, stellte Paul fest.
„Ich würde gerne hier übernachten. Können sie mir etwas empfehlen?“
Lilly nannte ihm drei Adressen, bei denen er es versuchen sollte. Garantieren konnte sie ihm nichts.
„Dann werde ich mich mal auf die Suche nach einer Unterkunft machen. Vielen Dank für die Tipps. Wir sehen uns bestimmt morgen wieder. Gute Nacht, Lilly.“
Dabei schaute er sie seltsam an.
„Gute Nacht.“
Paul entfernte sich und drehte sich noch einmal zu ihr um. Lilly beobachtete ihn, bis er nicht mehr zu sehen war.
„Was war das denn, ich habe einem Fremden von mir erzählt.“, sagte sie zu sich selbst.
Eigentlich gab sie so schnell nichts preis von sich. Warum auch. Es geht ja niemanden etwas an.
Inzwischen war es dunkel geworden. Lilly schloss ihr Cafe zu und ging in die Wohnung, die über ihrem Cafe lag. Sie hatte damals das Haus zu einem günstigen Preis erwerben können. Die Wohnung im Obergeschoss war klein, aber wunderschön. Sie hatte einen kleinen Balkon, auf dem man auch das Meer sehen konnte. Aber heute Abend fiel sie gleich todmüde ins Bett. Sie hatte viel zu tun. Als sie im Bett lag, dachte sie an Paul. Wo war er schon überall und was hatte er alles gesehen? Aber dieses Leben wäre nichts für sie. Urlaub machen ja, aber zwei Jahre herumreisen, nein. Mit diesen Gedanken schlief sie ein.
Am nächsten Morgen stand Lilly wieder rechtzeitig auf. Sie frühstückte auf dem Balkon und beobachtete die Fischerboote, die weit draußen auf See lagen. Gleich musste sie wieder in die Backstube. Heute hatte sie was besonderes vor. Sie hatte sich ein neues Rezept ausgedacht und wollte es gleich in die Tat umsetzen. Hoffentlich schmeckte der neue Kuchen auch. Dazu hatte sie vor, kleine Törtchen mit leckerem neuen Belag zu verzieren. Also ging sie nach dem Kaffee an die Arbeit.
Das Cafe öffnete sie heute etwas später. Erst gegen 13.00 Uhr. Denn bis dahin wollte sie mit ihren neuen Kreationen fertig sein.
Als sie die Köstlichkeiten in die Vitrine stellte, entdeckte sie auf der Terrasse des Cafes ein Gast sitzen.
Sie öffnete die Tür.
Der Fremde
„Ich öffne er um 13.00 Uhr.“ rief sie.
„Schade. Ich hätte Lust auf was Süßes.“
Es war Paul. Er drehte sich um und lächelte sie an.
„Sie schon wieder?“
„Begrüßen sie immer so ihre Kundschaft?“
„Nein, natürlich nicht. Was wollen sie?“
„Etwas Süßes und einen Job.“
„Ich habe keinen Job für sie.“
„Können wir nicht endlich dieses blöde sie lassen? Ich dachte, du brauchst Hilfe beim Bedienen der Kunden. Ich habe schon in mehreren Bars bedient. Ob es Kuchen, Kaffee oder Drinks sind. Das ist kein Unterschied. Und freundlich bin ich auch. Also. Wie sieht es aus. Versuchst du es mit mir?“
„Du bist ganz schön hartnäckig. Also gut. Du kannst nachher gleich anfangen. Du wolltest was Süßes? Such dir etwas aus.“, schüttelte Lilly lachend den Kopf.
„Warum tu ich mir das an.“, sagte sie noch leise zu sich selbst.
Aber Paul hatte es gehört.
„Weil ich charmant, liebenswert, nett und gutaussehend bin.“
„Gar nicht eingebildet, was?“
Paul suchte sich eins von den neuen Törtchen aus.
„Wow. Das ist köstlich. Du bist eine Künstlerin. Ich möchte unbedingt noch eins. Das hier möchte ich gerne haben.“
Paul zeigte auf ein anderes und Lilly legte es ihm auf den Teller.
„Und, wie schmeckt es dir?“
„Es ist himmlisch. Deine Törtchen allein wären schon ein Grund, hier zu bleiben.“
Dabei schaute er sie länger an, als gewöhnlich. Lilly konnte seinen Blick aber nicht deuten.
„Warten wir ab, wenn du heute Abend fertig bist. Ob du dann immer noch hier bleiben möchtest?“
Ihre Blicke trafen sich wieder.
Bald schon kamen die ersten Gäste und bestellten. Paul war tatsächlich eine große Hilfe und Bereicherung. Er war charmant und höflich zu den Gästen und schnell. Schneller als sie, im Bedienen der Gäste. Das sollte schon was heißen.
Die Gäste waren hoch zufrieden. Vor allem auch die weiblichen.
„Da haben sie einen guten Fang gemacht.“, stellte eine Kundin fest.
Ja wirklich. Sie hatte nichts an Paul auszusetzen. Er machte seine Arbeit ausgezeichnet. Lilly musste zugeben, dass es Spaß machte, mit ihm zusammen zu arbeiten.
Am Abend, als beide alles erledigt hatten und auf der Terrasse noch einen Drink nahmen, fragte Paul sie.
„Warst du zufrieden mit mir?“
Dabei schaute er sie wieder so merkwürdig an.
„Ja. Ich muss zugeben, bedienen kannst du wirklich. Es hat Spaß gemacht.“
„Dann kann ich bleiben?“
„Solange du willst.“, nickte sie mit dem Kopf.
„Prima, dann muss ich mir nur noch eine billigere Unterkunft suchen. Das Zimmer, dass ich jetzt habe ist mir zu teuer und auch nur noch für zwei Nächte frei.“
„Ok. Dann wünsch ich dir viel Erfolg. Es wird schwierig werden.“, meinte Lilly.
„Dann muss ich im Freien zelten. Hab ich schon oft, wenn ich nichts gefunden habe.“
„Aber hier gibt es keinen Campingplatz. Wie soll das gehen?“
„Werde schon eine Möglichkeit finden.“
„Es ist schon spät geworden, möchtest du etwas kleines mit mir essen? Ich habe was vorbereitet. Muss es nur kurz in den Ofen schieben. Wenn du willst, kannst du in meine Wohnung mitkommen. Wir setzen uns auf den Balkon, da hat man die gleiche Sicht wie von hier. Denn meine Wohnung ist gleich hier oben.“
Lilliy zeigte nach oben auf den Balkon.
„Das ist praktisch. Gerne komme ich mit. Hunger hätte ich nämlich schon.“, lächelte Paul.
„Also komm.“
Lilly nahm ihn mit in ihre