Diese Rodriguez wurde allerdings durch einen Kopfschuss getötet. Nein, sie tötete sich selbst. Nur warum? Wo liegt die Verbindung zwischen dem Sieb und dem Loch im Kopf?
»Verdammt‼«, keift Eden und stampft wie ein Kleinkind mit einem Fuß auf. Es passt ihr keineswegs, dass sie nicht weiterkommt. Die Akte gibt einfach zu wenig her. Sie will endlich wissen, was da bei diesen beiden Frauen lief. Das bedeutet, dass sie in die FBI Zentrale muss, um die vollständige Akte zu sichten. Wiederrum bedeutet das, dass sie schnell wieder gesund werden muss, damit sie arbeiten gehen kann. Das wird also ihr nächstes Ziel sein. Gesund werden und arbeiten gehen.
Go
Am nächsten Morgen, brezelt Eden sich etwas auf und betritt voller Stolz die Garage. Als sie die Night Rod dort wartend stehen sieht, grinst sie von einem Ohr zum anderen. Leichtfüßig schreitet sie auf die Maschine zu. Sie schwingt das eine Bein auf die andere Seite, senkt ihren Körper und nimmt auf dem weichen Leder Platz. Mit geschlossenen Augen genießt sie für einige Momente dieses Gefühl. Sie erfreut sich an dem Gedanken, dass sie nun kraftvolle und beeindruckende Pferdestärken zwischen den Beinen hat.
Eden umgreift den Lenker, drückt ehrfürchtig den Start-Knopf und hört nach einem kurzen surren, ein so tiefes und starkes Blubbern, dass sie das Gefühl bekommt, vor Freude und Stolz gleich durch die Decke zu springen. Unter ihr und zwischen ihren Beinen, blubbert es kraftstrotzend. Sie spürt, dass ihr Black Devil darauf wartet, endlich gefahren zu werden.
»Ja, mein Süßer. Wir sind ja schon unterwegs«, haucht Eden respektvoll, hievt die Maschine aus dem Ständer und klappt diesen ein.
»Auf auf und davon!«, flüstert sie leise, rollt ein paar Meter aus der Garage und dreht dann am Gas.
»Eden, huhu Eden«, hört sie plötzlich eine quiekende Stimme. Sie blickt in die Richtung. Schlagartig bekommt sie Herpes, als sie Jill grinsend und Hände wedelnd auf sich zulaufen sieht. Mit rollenden Augen dreht sie am Gas und fährt, ohne Rücksicht auf Jill zu nehmen, auf die Straße. Diese bleibt wie angewurzelt stehen. Entgeistert starrt sie ihr hinterher. Was ist? Hat Eden sie zuvor noch nie stehen gelassen? War sie immer und zu jeder Zeit etwa für sie da? Mag ja gut und gerne sein, aber diese Eden gibt es nicht mehr! Eine neue Eden wohnt nun in dieser Straße und diesem Haus. Eine Eden die Fleisch isst und Porzellanpuppen hasst.
Stunden um Stunden vergehen, in denen Eden ihre Black Devil genießt und die Umgebung von San Francisco wie ein Schwamm gierig aufsaugt. Sie will so viele Informationen wie nur irgendwie möglich erhalten, um endlich wieder arbeiten zu können. Sie will im gewissen Grad ihr altes Leben wieder zurückerlangen. Sie will endlich wissen wer sie ist und welche Aufgabe sie hier in diesem Leben hat.
Eden genießt den Fahrtwind und den Stadtsmog. Besser als diese idyllische grüne Horrorheimat, die sie zu Hause erwartet. Das hier ist das Leben! Das und nichts anderes! Kein grüner Rasen, mit weißem Gartenzaun und einheitlichen Briefkästen. Hier spielt das Leben und der Tod. Genau das ist es, was Eden sehen und spüren will. Egal was Ryan ihr versucht zu erzählen. Sie spürt, dass sie hierher gehört. Hier in Soma und dort.. dort in Downtown! Überall in Frisco gehört sie hin, aber nicht da wo jetzt ihr zu Hause ist. Sie muss da raus! Definitiv! Das wird sie auch, aber erst wenn sie bei vollem Verstand ist. Erst muss sie zu sich selbst finden und erst dann kann sie ihre Koffer packen. Egal wie sehr sie Ryan damit verletzen wird. Es geht hier schließlich um sie und nicht um ihn.
Physisch und psychisch vollkommen befriedigt, parkt Eden ihren Teufel am Straßenrand, lässt das Blubbern verstummen und atmet tief durch. Sie fummelt in ihrer Hosentasche herum und zieht eine Schachtel Zigaretten heraus. Sicherlich auch etwas Neues bei der neuen Eden. Zigaretten! Die alte hätte ihren Körper sicherlich nicht mit Nikotin missbraucht. Aber die Neue macht es und genießt den Moment, wie der erste Zug in ihrer Lunge verschwindet. Zwar muss sie stark husten, weil ihr Körper diesen Dreck nicht drin haben will, hat ihn aber nach ein paar Zügen unter Kontrolle. Sie dreht sich auf dem Sitz um und legt sich rücklings auf das Leder. Mit einem Arm unter dem Kopf, blickt sie in den Himmel. Sie genießt das Bild, wie ihre Augen die Hochhäuser um sie herum aufnehmen.
»Verdammt Marley, bleib hier du scheiß Köter‼«, hört sie plötzlich jemanden brüllen. Sie blickt zur Seite und sieht einen schwarz-weißen Pointer in ihre Richtung laufen. Hinter dem Hund eine farbige Frau, die ihm panisch hinterherrennt.
»Bleib hier‼«, brüllt sie wieder. Eden kommt ein schrecklicher Gedanke, als sie das halbe Kalb auf sich zuwalzen sieht. Mit einem Satz springt sie von der Harley und streckt eine Hand nach dem Hund aus.
»Stop‼«, keift sie das arme Tier an. Sie hat keine Lust, dass der Hund ihr auf der Maschine in den Schoß springt und mit seinen Krallen eventuell den Lack ruiniert.
Wie auf Befehl hört der Hund, bremst seinen schnellen Gang ab und dribbelt dann im schlaksigen Schritt weiter auf sie zu. Als er bei Eden ankommt, steckt er plötzlich seinen Kopf zwischen ihre Beine. Verwirrt blickt sie zu ihm herunter. Sie hebt den Kopf, als sie sehen kann, dass die farbige Frau plötzlich abrupt stehen bleibt. Mit großen Augen wird sie von ihr angestarrt. Ihr wirrer Blick wandert zwischen ihr und dem Hund hin und her. Dann scheint sie sich wieder gefangen zu haben, weil sie die Leine in ihrer Hand etwas kräftiger nimmt und auf sie zugeht.
»Bitte entschuldigen sie! Das tut mir wirklich leid‼«
»Was macht der da?«, pfeffert Eden wütend herum und blickt zu dem Pointer herunter. Er hat seinen Kopf noch immer zwischen ihren Beinen stecken. Dabei wedelt er so stark mit dem Schwanz, dass er jedem Army-Hubschrauber mit dieser rotierenden Bewegung Konkurrenz machen kann.
»Verstecken spielen«, antwortet die Frau kurz, zückt die Leine und zieht den Hund von Edens Beinen.
»Verstecken spielen? Dieses Kalb kann man doch gar nicht übersehen‼«, schimpft sie weiter. Um das Fell auf der Hose loszuwerden, klopft sie sich auf den Innenseiten ihrer Schenkel herum.
»Nein, aber er denkt, dass er nicht gesehen wird.«
»Sie sollten das Kalb besser erziehen. So etwas kann böse enden.«
»Das weiß ich selber, aber er lässt sich von mir nichts sagen. Er hat immer nur auf sein Frauchen gehört. Sie war seine ganze Welt.«
»Dann sollte die was dagegen machen. Bestellen sie ihr schöne Grüße von mir. Ich werde ihr die Rechnung der Reinigung schicken‼«, schimpft Eden und klopft nochmal auf der Hose herum.
»Gerne. Die Adresse lautet, San Francisco National Friedhof, Lincoln Boulevard eins. Neve Preston steht auf dem Grab. Schönen Tag noch‼«, schmeißt die farbige Frau Eden sichtlich wütend entgegen und dreht sich auf der Stelle um. Erschlagen blickt diese ihr hinterher und könnte sich selbst für ihren dummen Kommentar ohrfeigen. Wie konnte sie nur? Wie konnte sie nur so einen Spruch ablassen? Aber woher sollte sie das denn wissen? Sie konnte es doch gar nicht wissen! Woher denn auch??
Peinlich berührt und beschämt, dreht sich Eden zur Harley um und vergisst sofort die Rechnung der Reinigung. Natürlich vergisst sie diese. Sie vergisst sie aber auch, weil ihr im Bruchteil einer Sekunde etwas einfällt. Neve Preston? Neve Preston?? Schlagartig hat sie das Bild der jungen Frau vor den Augen, die sie letzte Nacht in Polizeiuniform auf dem Computerbildschirm angelächelt hat.
Hektisch dreht sich Eden um und eilt der Frau mit dem Hund hinterher. Diese verschwindet hinter dem Zaun eines Basketballplatzes und setzt sich auf eine Bank, an der ein ebenfalls farbiger Mann steht. Neben ihr sitzt eine Frau, deren Hand einen Kinderbuggy hält.
Abrupt bleibt Eden stehen, als ihr ein Gedanke kommt. Offensichtlich kennt die Frau diese Neve Preston. Sie könnte Informationen haben, mit denen sie weiterarbeiten könnte. Aber wie kann sie an diese herankommen? Sie kann jetzt schlecht zu dem Platz gehen und sie über die ehemalige Polizistin