Eden öffnet befriedigt die Augen, kaut weiter und hat eine Frau im Blickfeld, die zwei Tische weiter sitzt und sie skeptisch anschaut. Sie scheint Eden schon die ganze Zeit zu beobachten. Ihren Gesichtszügen nach zu urteilen, kann sie Edens Freude über so einen Burger keineswegs teilen.
Die Frau blickt sie leicht angewidert an und schüttelt kaum sichtbar den Kopf. Eden will sich aber nicht aus ihrer Stimmung rausreißen lassen und schaltet um. Ihr ist es egal wie das jetzt rüberkommt, sie will einfach nur noch ihre Ruhe haben und einen Burger nach dem anderen genießen.
»Hast du ein Problem??«, pfeffert sie der Frau entgegen, die sie noch immer angewidert beobachtet. Sie ist circa Anfang dreißig und offensichtlich Südländerin. Ihre exotisch braune Haut verrät dies.
»Was gibt es denn so blöd zu glotzen??«, schmeißt ihr Eden gereizt an den Kopf. Sie fühlt sich derzeit in ihrer Privatsphäre gestört. Soll sie der guten Frau noch ein Fernglas reichen? Dann kann sie jedem Salatblatt dabei zusehen, wie es in ihrem Mund verschwindet.
Die Frau blickt Eden direkt in die Augen. Eden kann sehen, dass die Frau auf einmal von einer Welle tobender Wut erfasst wird. Sie sieht, wie sich die Kiefermuskeln der Frau bewegen. Scheinbar fühlt sie sich angegriffen oder provoziert. Soll sie ruhig, es war von Eden schließlich auch so gemeint. Sie will in Ruhe essen und keine Gaffer vor sich sitzen haben.
Die Südländerin atmet tief ein und wirft ihren Blick auf das Tablett, das vor ihr steht. Sie betrachtet alles ganz genau und greift dann nach dem Cheeseburger. Sie wickelt ihn auseinander, schaut ihn mit einem merkwürdigen Blick an und beißt zögernd ab. Mit langsamen Bewegungen beginnen ihre Zähne dieses Nahrungsmittel zu zerkleinern und zu einem matschigen Brei zu verarbeiten.
Belustigt beobachtet Eden die Frau dabei, wie die plötzlich den Mund aufreißt und die matschigen Überreste auf das Tablett zurückspuckt. Angewidert wischt sie sich die Lippen ab. Sie hebt den Burger und inspiziert das Ding kleinlich.
»Das nennt man einen Cheeseburger‼« Eden kann sich diesen Kommentar keineswegs verkneifen. Die Frau reagiert nicht auf diese Aussage. Stattdessen klappt sie den Brötchendeckel auf. Mit zitternden Fingern matscht sie in dem Senf-Ketchup Gemisch herum und zieht etwas Grünes heraus. Skeptisch begutachtet sie diese Zutat und schlabbert mit dem guten Stück in der Luft herum. Angeekelt beobachtet sie das Teil.
»Gurke‼«, wirft ihr Eden herüber. Sie könnte sich bei dem Schauspiel vor Lachen kringeln. Wie angeekelt die Frau dieses kleine Stück Gemüse anschaut. Sie scheint sich jeden Augenblick übergeben zu müssen. Ihr Gesicht wird tatsächlich blass.
Mit einer schnellen Bewegung, schmeißt sie die Gurke auf das Tablett zurück und wischt sich die rot-gelbe Mischung von den Fingern. Sie steht vom Platz auf und steuert samt Tablett auf Eden zu. Neben ihrem Tisch bleibt sie stehen und blickt sie von oben herab äußerst wütend an. Dann holt sie Luft, spuckt mitten auf den Cheeseburger und pfeffert Eden das Tablett quer über den Tisch.
»Guten Appetit‼«, faucht sie raunend und verschwindet auch schon aus dem Schnellrestaurant. Eden blickt flüchtig auf die matschigen Überreste des Cheeseburgers. Ihr Blick wandert zu den Fenstern des Restaurants, wo sie sehen kann, dass die junge Frau zu einem schwarzen Wagen geht. Sie öffnet die Tür, blickt flüchtig hoch und dann treffen sich die Blicke der Frauen.
Ohne es kontrollieren zu können, spürt Eden plötzlich, wie ihr Herz zu rasen beginnt, als sie der Frau auf dieser Distanz direkt in die dunklen Augen blickt. Diese sind so unglaublich warm und weich, dass Eden sich auf einmal wie ertappt fühlt und merkt, dass ihr die Röte ins Gesicht schießt. Aber warum? Warum löst die fremde Frau diese Reaktion bei ihr aus? Warum eigentlich bei einer Frau? Sie ist mit einem Mann verheiratet! Warum passiert in ihrem Körper dann also etwas ungewohntes, was sie so bisher bei Ryan noch nicht empfunden hat? Sie weiß ja nicht wie sie früher auf ihren Ehemann reagiert hat, aber jetzt ist er ihr einfach zu wider. Sie ist gelangweilt und genervt von ihm. Aber diese Frau, diese fremde Frau, hat etwas an sich, was sie unglaublich interessiert und ungewöhnlich anzieht. Sie kriegt ihre Augen einfach nicht von der Südländerin und beobachtet, wie diese ihr einen recht hasserfüllten Blick zuwirft und in das Auto steigt. Sie lässt den Motor an und fährt rückwärts aus der Parklücke. Ein Lächeln brennt sich auf Edens Gesicht fest. Mit quietschen und qualmenden Reifen fährt die Frau vom Parkplatz. Es stört sie nicht, dass sie einem anderen Wagen die Vorfahrt nimmt und fast einen Unfall verursacht.
»Beeindruckend«, murmelt Eden leise vor sich hin, dreht sich zu ihrem Essen zurück und widmet sich für die restliche Stunde dem köstlichen Fast Food.
Kurz nach Mitternacht, schleicht sie ins Schlafzimmer, hebt die Decke leicht an und rutscht vorsichtig auf ihre Seite des Ehebetts. Sie deckt sich zu, kuschelt sich gemütlich ins Kissen und erschrickt, als sie Ryans Stimme leise und verschlafen neben sich hört.
»Du riechst nach Fleisch«, grunzt er offensichtlich wütend. Eden lächelt nur.
»Das war ja auch Sinn und Zweck dieser Fressorgie«, lacht sie und schert sich nicht weiter um die Aussage ihres Mannes. Sie fühlt sich gut. Ihr Körper fühlt sich gut. So gut, dass sie schon nach wenigen Augenblicken eingeschlafen ist. Sie schläft so tief und fest, dass sie mitten in der Nacht schweißgebadet hochschreckt. Ihr Oberkörper schwimmt in ihrem eigenen Schweiß. Eden versucht regelmäßig zu atmen, gibt aber nach einigen Sekunden unterlegen auf. Sie gibt sich der unregelmäßigen Atmung hin und beginnt mit ihrem Kopf zu arbeiten. Auch wenn sie Angst hat, dass sie gleich tot ins Bett zurückfällt, weil sie keine Luft bekommt, beginnt ihr Gehirn von ganz alleine zu arbeiten. Sie hat geträumt. Das weiß sie! Nur was sie geträumt hat, weiß sie keineswegs. Sie versucht sich den Traum ins Gedächtnis zurückzurufen, aber ihre Gehirnwindungen lassen das nicht zu. Es muss irgendetwas aus ihrer Vergangenheit gewesen sein, das spürt sie. Trotzdem weiß sie nicht, was ihr Gehirn derzeit verarbeitet. Sie weiß nur, dass sie wegen zwei Wörtern aufgewacht und hochgeschreckt ist. Black Devil! Diese beiden Worte ließen sie aus dem Traum erwachen. Was soll sie aber damit? Wieso Black Devil?
»Verdammt‼«, keucht sie schwer atmend und blickt zu Ryan hinüber. Der liegt ruhig neben ihr und sägt das halbe Schlafzimmer auseinander. Herrgott, wie kann man neben so einer schnarchenden Kettensäge nur schlafen?
»Arschloch‼«, flucht sie leise über das Sägegeräusch ihres Mannes und krabbelt aus dem Bett. Sie schiebt ihren klitschnassen Körper unter die Dusche, um diesen klebrigen Film abzuwaschen. Hellwach, aber doch verschlafen, schleicht sie durchs Haus, macht sich einen Kaffee und steht im Türrahmen zu ihrem Horrorzimmer. Der letzte Beutel steht dort noch immer. Ohne Umwege steuert sie darauf zu und tritt mit aller Kraft dagegen.
»Verdammte Mistgeburten‼«, keift sie über diese ekeligen Puppen, dreht sich um und verharrt mitten in der Bewegung. Black Devil! Black Devil‼ Black Devil‼! Sie grinst! Jetzt weiß sie, wo sie diese Worte herhat und was sie damit anfangen kann.
Mit dem großen Zeh drückt sie den Knopf des Computers, schaltet ihn ein und setzt sich auf den Stuhl. Seelenruhig und Kaffee trinkend, wartet sie, bis er hochgefahren ist und bedankt sich bei ihrer unbewussten Auffassungsgabe. Ihre Night Rod hat nämlich einen kleinen Klebeschriftzug auf dem Tank, mit dem Namen Black Devil. Damit wird sie weiterkommen, das weiß sie.
Überzeugt davon, dass ihr diese beiden Worte sehr von Nutzen sein werden, ruft sie erneut die FBI Dateien auf und gibt in die Zeile des Passwortes, den Namen ihrer Maschine ein. Es dauert etwas, bis sie stolz auf sich sein kann. Zugriff. Jetzt kann sie die restliche Nacht durch ihre Arbeit wandern und versuchen, sich an irgendetwas zu erinnern.
Es sind erstaunlich wenige Dateien. Weniger als sie annahm. Von daher dauert es nicht lange, bis sie die alphabetisch aufgelisteten Akten durchgearbeitet hat, aber ernüchtert feststellen muss, dass diese schon alle abgeschlossen sind. Nichts deutet auf einen Funken Erinnerung hin. Nichts! Ihr Gehirn nimmt keine Information auf, mit denen sie arbeiten kann, weil schon alles unter Verschluss ist. Warum hat sie dann aber noch diese alten Kamellen auf dem Computer?