Bildung in Kombination mit Mündigkeit ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben und Denken. Erst dann können wir das große Ganze sehen und Sachverhalte korrekt beurteilen.
4.1. Umgang mit Medien
Während Mündigkeit das Fundament für einen politisch engagierten Bürger darstellt, ist Wissen das Grundgerüst. Und das wird hauptsächlich aus gewöhnlichen Massenmedien bezogen wie Fernsehen, Internet, Zeitungen und Bücher. Aber was wissen wir über die Medien und den richtigen Umgang mit ihnen? Leider lässt die Medienkompetenz des Durchschnittsbürgers sehr zu wünschen übrig, weswegen darüber gesprochen werden sollte. Ich möchte an dieser Stelle vor allem das Thema Nachrichten behandeln, da Nachrichten in der politischen Bildung der Gesellschaft die größte Rolle spielen.
Erst einmal sollte man sich von dem Gedanken verabschieden, es gäbe sowas wie Objektivität. Es kann niemals - nie - wirklich objektive Nachrichtenmedien geben, alleine schon deshalb, weil alle Redaktionen ihre Nachrichten auswählen müssen (Gatekeeping). Darüber hinaus gibt es das Agenda Setting - Themenschwerpunkte werden gesetzt. Die Medien übernehmen ja in der Regel ihre Nachrichtenmeldungen von Nachrichtenagenturen, was nicht schlimm wäre, wenn z. B. die deutschen Medien nicht fast ausschließlich vier westliche Nachrichtenagenturen nutzen würden - von Objektivität kann also gar keine Rede sein. Im Grunde ist es nämlich so: Erst konstruieren die Nachrichtenagenturen ihre Realität und basierend darauf, konstruieren die Medien ihre Realität. Man könnte auch schon die (ehrliche) Selektion und Schwerpunktsetzung als Propaganda betrachten, aber subjektive Einflüsse kann kein Mensch abschalten. Jeder sieht die Welt durch einen Filter (selektive Wahrnehmung) und dieser formt unsere Gedanken, unsere Sicht auf die Welt. Dieser Filter möchte z. B. kognitive Dissonanzen vermeiden, weswegen viele Menschen alles, was ihrem Weltbild widerspricht, nicht wahrhaben wollen. Halb so schlimm, wenn jeder nach bestem Wissen und Gewissen berichten würde, aber ob das wohl zutrifft?
Neben den klassischen Meldungen gibt es Kommentare, Analysen, Interviews, Reportagen und andere journalistische Darstellungsformen, die von persönlichen Einflüssen geradezu leben. Da ist es nicht weit her mit Objektivität. Und wie der irisch-US-amerikanische Philosoph und Kommunikationswissenschaftler Ernst von Glasersfeld richtig bemerkte, ist Objektivität ohnehin nur „die Illusion, dass Beobachtungen möglich seien ohne jemanden, der beobachtet“. Kommt noch Manipulation hinzu, ist das der Super-GAU für die Objektivität.
Des Weiteren sollte sich jeder von der Idee der „freien und unabhängigen“ Medien verabschieden. Gerade im Westen werden private Medien gerne als „frei und unabhängig“ bezeichnet, die für hochwertige Berichterstattung stehen, während staatliche Medien a priori als reine Propaganda-Maschinen abgestempelt werden. Dabei sagen die Besitzverhältnisse erst einmal nichts über die Qualität der Berichterstattung aus. Das ist die schon erwähnte Eigenschaft unmündiger Menschen - anstatt auf den Inhalt wird nur auf den Informationsüberbringer eingegangen. Abgesehen vom Schwarz-Weiß-Denken. Ob nun staatlich oder nicht, jedes Medium hat einen Besitzer, Redakteure oder eventuell andere Leute, die die Redaktionspolitik bestimmen. Vielleicht sogar große Geldgeber. Wer die Redaktionspolitik letztlich bestimmt, ist unterschiedlich, doch gibt es immer mindestens eine Person, die ihre Ansichten und Interessen durchsetzt. Unparteiisch ist schließlich niemand, der eine Meinung besitzt. Welchen Unterschied macht es nun, ob der Besitzer der Staat ist oder ein Privatmann? In beiden Fällen kann man weder von Unabhängigkeit noch von Freiheit sprechen. Unabhängig vom Staat kann man sein, ja, mehr aber auch nicht, denn jede hierarchisch organisierte Struktur zieht Abhängigkeit und bestimmte Spielregeln nach sich. Was bringt uns diese „Unabhängigkeit“ schon, wenn bloß Propaganda produziert wird? Gleichzeitig bedeutet der staatliche Besitz nicht automatisch plumpe pro-staatliche Propaganda, es gibt auch vergleichsweise objektive staatliche Medien und sogar welche, die gegen den eigenen Staat hetzen, wie z. B. der große russische Radiosender Echo Moskau. Das eine schließt das andere nicht aus. Dennoch hört man oft einfache Bürger von der „freien Presse“ im Westen schwadronieren - trotz Propaganda und fehlender Pressevielfalt. Der Inhalt scheint überhaupt keine Rolle zu spielen, die Fassade entscheidet: Hauptsache „frei und unabhängig“. Aber Propaganda ist Propaganda, egal ob staatlich oder nicht. Man sollte schon über die Medienbesitzer Bescheid wissen und Quellenkritik ist wichtig, aber eben nicht alles. Das Entscheidende ist Vielfalt (!) innerhalb der Medienlandschaft, die man für sich nutzen kann. Fehlt die Vielfalt, handelt es sich um einen beliebig von oben gelenkten Staat bzw. eine Meinungsdiktatur, wenn man so will.
Ich möchte an dieser Stelle den großen deutschen Journalisten Paul Sethe zitieren, der folgende Worte schrieb: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Wer würde dem widersprechen? Dass Wirtschaft, Medien und Politik ein unzertrennlicher Verbund sind, kann getrost als offenes Geheimnis bezeichnet werden - und ist außerdem durch unzählige Studien längst belegt. Man darf sich einfach nicht von schönen demokratischen Begriffen einlullen lassen, die Ehrlichkeit, Objektivität und Wahrheit heucheln.
Medien sind für die herrschende Klasse schlicht viel zu wichtig, um sie sich selbst zu überlassen. Wie unschwer zu erkennen ist, entspricht die öffentliche Meinung im Großen und Ganzen der Berichterstattung der Leitmedien - in jedem Land. Die Medien formen nicht nur das Weltbild der breiten Masse, sie bestimmen sogar, worüber die Massen überhaupt erst nachdenken. Was man nicht erfährt, darüber denkt man meistens nicht nach und hinterfragen lassen sich unbekannte Informationen auch nicht. Über die neuste Schlagzeile der BILD-Zeitung spricht aber gleich das ganze Land. Die Medien haben die Massen also mehr oder weniger unter Kontrolle.
Ein weiteres Indiz für die Unfreiheit der Medien ist, dass sie in jedem Land weitestgehend die Meinung der Regierung vertreten - bei den wichtigen Fragen. Man denke nur an Themen wie die EU, der Ukraine-Konflikt, die russische Politik, die westlichen Interventionen in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen und anderen Ländern, der Syrienkrieg usw. usf. Kurz gesagt, die für den Westen fundamentalen Themen. Wenn die Positionen vereinzelt auseinander gehen (solche seltenen Medien-Beiträge gibt es tatsächlich), dann gibt es dafür wohl gute Gründe. So kann scheinbar ernste Kritik ein Ventil für kritische Bürger sein und ein Feigenblatt für den pseudo-demokratischen Staat. Die einen machen ihrem Ärger Luft und die anderen erfreuen sich an der „Pressefreiheit“. Dabei werden die Erkenntnisse der vereinzelten ehrlich-kritischen Beiträge von denselben Medien weiter konsequent ignoriert! Noch dazu wird solche Kritik verspätet geäußert. Während der Westen aktiv an einer Destabilisierung arbeitet (Krieg oder Farbrevolution), sind die Medien stets ruhig; nachdem alles vorbei ist, tauchen plötzlich kritische Stimmen auf, die die damalige Berichterstattung mit Informationen widerlegen, die eigentlich längst bekannt sind. Genauso lief es mit der Flüchtlingswelle nach Deutschland: Erst eine Willkommens-Hysterie wegen „gut qualifizierten Fachkräften“ aus dem Orient, dann die zwangsläufige Ernüchterung. Kritik kann theoretisch auch dazu genutzt werden, das Volk auf eine falsche Fährte zu locken oder zumindest abzulenken (TTIP?). Neben der wichtigen Kritik gibt es noch die oberflächliche und irrelevante Kritik, vor allem an konkreten Politikern und Parteien, die von den Journalisten gerne zelebriert wird. Banalitäten werden dabei in den Vordergrund gerückt, während das System, von dem sowohl die Politiker als auch die Journalisten zehren, unangetastet bleibt. Vereinzelte kritische Medienbeiträge sind also kein Zeichen für eine funktionierende Demokratie, sondern dienen der Systemstabilisierung.
In Deutschland existieren keine relevanten Medien, die bei den besagten essentiellen Themen aus der Reihe tanzen. Oder kennen Sie auch nur eine einzige Zeitung oder einen Fernsehsender, den man als oppositionell bezeichnen könnte? Wir haben kleinere Medien, die oppositionell berichten, aber die sind nun einmal so klein und so selten, dass sie kaum eine Rolle für die öffentliche Meinung spielen. Und das ist das Problem: Pressefreiheit bringt nichts, wenn es keine vielfältige Medienlandschaft gibt.
Im Übrigen: Falls die breite Berichterstattung doch nicht mit Regierungsinteressen konform geht, dauert es nicht lange bis entweder die herrschende Regierung gestürzt wird oder die Medien geschlossen, zensiert oder verstaatlicht werden. Beispielhaft wäre hier die Situation in Russland und der Ukraine zu nennen: Russland brachte seine Oligarchen-Medien unter staatliche Kontrolle, während die Ukraine die mediale