Der Fluch des Nazigoldes. Anselm Weiser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anselm Weiser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741807343
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wie Hunderte neben ihm, in den reißenden Fluss. Nicht alle erreichten das rettende Ufer. Wer konnte es sich in einer solchen Situation leisten Ertrinkenden zu helfen? Es galt, rette sich wer kann!

      Sonst nicht empfindsam, schauderte es E. R. bei der Erinnerung an die entsetzlichen Szenen, die sich abgespielt hatten. Er war nur stolz auf seine Heldentat. Er hatte einem Mann, der nicht mehr genug Kraft hatte um sich an Land zu ziehen, die Hand gereicht und ihn herausgezogen. Es war eher eine Reflexbewegung als eine überlegte Hilfeleistung. Diese Situation galt ihm, wenn er dies als notwendig empfand, als Beweis von Stielhammers Opferbereitschaft. E. R. benötigte solche Selbstbetrügereien.

      Die Ereignisse dieses Tages, das Wegwerfen von Uniform, Soldbuch und Erkennungsmarke, waren das symbolische Ende von Sturmbannführer Dr. Franz Stielhammer. Den gab es ab jetzt nicht mehr. Wer er in Zukunft sein würde, wusste er nicht. Er ging instinktiv in Richtung Donau. Der Auwald bot ihm Schutz. Die Amerikaner hatten genug mit den Tausenden Gefangenen zu tun. Er war keiner von ihnen. Er hielt sich versteckt und wartete bis es dunkel wurde. Dann ging er die Donau aufwärts, bis er auf ein kleines Haus stieß, in dem noch Licht brannte. Der Bauer ließ ihn übernachten und gab ihm am Morgen, als er weiter wollte, Hose und Jacke eines abgetragenen Anzuges. Als ihm der Mann noch ein altes Hemd reichte, sagte er, er habe eines. »Mit diesem Hemd wirst du auffallen, so etwas trägt kein armer Schlucker und kein einfacher Soldat« war der gute Rat. Da fiel ihm der Spruch ein, »der wechselt seine Meinung wie ein anderer sein Hemd.«

      Er war im Begriff nicht nur die Meinung zu wechseln, sondern auch sein Ich! Sollte er den Amerikanern in die Hände fallen, würde er einen Idioten mimen. Eine Woche später traf er im Schloss im Grünen ein. Frau Elisabeth, die Witwe des Generals, war nicht erfreut ihn wiederzusehen. Sie musste ihn, da amerikanische Offiziere im Haus einquartiert waren, verstecken. Das Versteckspiel missfiel ihm, und nach zehn Tagen überredete er die Hausherrin, ihn als ihren Neffen auszugeben. Niemand fragte nach Papieren.

      Auf eine schriftliche Anfrage in Dresden erfuhr er später, dass seine Mutter, der Stiefvater und sein Stiefbruder bei dem verheerenden Luftangriff vom Februar 1945 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit umgekommen waren. Bei mehr als fünfundzwanzigtausend verkohlten Leichen war es nicht möglich, die Personalien festzustellen. Mit Bedauern wurde ihm mitgeteilt, dass auf längere Zeit keine Sterbeurkunden ausgestellt werden können. Eigenartig unberührt nahm er diese Nachricht hin, und spontan kam ihm der Gedanke, in die Identität seines jüngeren Halbbruders zu schlüpfen. Es war zu diesem Zeitpunkt nicht schwierig, sich unter dem Namen Ewald Rudloff polizeilich anzumelden. Sein Wissen und seine finanziellen Mittel aus dem Baseler Dollarkonto halfen ihm dabei.

      Er begann ein zweites Jurastudium in Heidelberg. Für seine neue Identität nahm er diese Belastung gern auf sich. Schließlich schloss er 1952 das Studium mit dem Doktortitel ab. Es war für ihn trotz der schwierigen Nachkriegsjahre die schönste Zeit seines Lebens.

      Dass er seinen Schatz im Silbersee - wie dieser später von den Medien genannt wurde - ruhen ließ, war nicht nur eine Vorsichtsmaßnahme - er benötigte ihn noch nicht.

      Allerdings ärgerte es ihn heute noch, dass er sich - Jahre später - mit zehn Prozent Finderlohn zufrieden gegeben hatte. E. R. schnaubte verdrießlich. Den Schatz zu heben, ohne großes Aufsehen zu erregen, war zu jener Zeit unmöglich.

      So hatte er im ersten Jahr seines Aufenthaltes in Basel Kontakt mit seinem späteren Schwiegervater Dr. Simon Karpinski aufgenommen und ihn von seinem Wissen um den Schatz unterrichtet. Diesem teilte er mit, dass er Informationen von anonymer Seite - die Quelle dürfe er nicht verraten - erhalten hatte. Er hätte Dr. K., wie Karpinski unter den Mitgliedern der Seilschaft genannt wurde, mit seinem Wissen unter Druck setzen können. Er zwang ihn, das Mandat zu übernehmen. Obwohl das ein schönes Honorar und einen Schwiegersohn einbrachte, kam es Karpinski nicht gelegen. Das mit dem Schwiegersohn, fand E. R., war kein guter Schachzug. Er hasste Vera von Jahr zu Jahr mehr und ihre häufig gestellte Frage, »wer bist du eigentlich« blieb ohne Antwort. Ihm lag die Antwort auf der Zunge, aber er konnte sie ihr nicht geben. Wenn sie es wüsste, würde sie sich wünschen, nicht geboren worden zu sein.

      E. R. schaltete die Stehlampe wieder an. Eine Fliege, die laut summte, an seinem Ohr vorbeiflog und sich am Lampenschirm niederließ, unterbrach seinen Gedankengang. Am liebsten hätte er mit dem Revolver, den er noch in der Hand hielt, nach ihr geschossen. Wenn es Vera gewesen wäre, hätte er lustvoll abgedrückt.

      Was war aus ihm geworden? Ein alter Mann, der langsam müde wurde. Müde allein mit den quälenden Erinnerungen. Das verdrängen fällt ihm schwerer und dann immer wieder die Angst entlarvt zu werden. Das Lügen und sich verstellen müssen kostet Kraft. »Ich werde es ihr sagen« ging es ihm plötzlich durch den Kopf. »Ihr die Last des Wissens aufbürden, als Rache für ihre Erniedrigungen. Sie kann dieses Wissen nicht weitergeben, ohne sich selbst zu schaden, ohne die Familie zu zerstören. Das wird sie nicht tun. Sie mag zwar stark genug sein es zu ertragen, es wird ihr wie ein Dorn im Fleisch sitzen. Vera - mit ihrem Selbstbewusstsein, ihrer Selbständigkeit, ihrer verdammten Lebenslust und ihren Erfolgen. Mit ihren siebenundfünfzig Jahren immer noch eine schöne Frau, die mit ihrer erotischen Ausstrahlung noch für jüngere Männer anziehend wirkte. Ich hätte sie vor siebenunddreißig Jahren nicht heiraten dürfen. Ich hätte spüren müssen, dass sie die Stärkere ist.«

      E. R. gab, um seinen Ärger und seine Wut zu zügeln, einen Schuss auf eine der beleuchteten Scheiben ab. Er traf ins Schwarze und verspürte die erhoffte Erleichterung. Gedanklich kehrte er an den Anfang seiner Überlegungen zurück. »Sollte dieser verfluchte Steiner durch das unbeherrscht ausgerufene Himmelzwirn an etwas erinnert worden sein? Unmöglich! Und wenn, dass ich nicht Ewald Rudloff bin, lässt sich nicht beweisen. Wer ist dieser Steiner überhaupt? Es wird nicht schwer sein, das erforschen zu lassen, seine Vergangenheit zu durchleuchten. Selbst wenn er Verdacht geschöpft haben sollte, gab es doch keine Beweise und keine Zeugen mehr. Dafür habe ich gesorgt.«

      Seine momentane Situation verhinderte die Auseinandersetzung mit seinem zweiten Hobby, der Kunst. Jetzt beschäftigte ihn Ralf Steiner. Er kam nicht mehr dazu, sich im Raum nebenan genussvoll die Gemälde und Kunstwerke seiner Bildergalerie anzusehen. Er hatte all diese Gemälde seiner Schwiegermutter abgeluchst. Bei der Auflösung der Restbestände überführte sie alle kritischen Werke in das sogenannte Museum ihres Schwiegersohns. Mit diesen Bildern und Kunstgegenständen konnte man heute nicht mehr an die Öffentlichkeit. So avancierte Ewald Rudloff zum Kunstliebhaber. Gern begab er sich in sein Museum und betrachtete stundenlang die Kunstwerke. Er war stolz darauf, sie zu besitzen. Die meisten Bilder stammten von bekannten Malern. Dass diese Bilder einmal jüdischen Familien gehörten, die sie billig abgeben mussten, um ihr Überleben zu organisieren, störte ihn nicht.

      Dr. Simon Karpinski und seine Frau Johanna arbeiteten im Rahmen der Seilschaft mit seinem Vater zusammen. Die Nationalsozialisten versuchten dem Kunstraub einen legalen Anstrich zu geben, um ihn als Barvermögen für die Rüstung auszugeben. Nazigrößen wurden plötzlich Kunstsammler und legten eigene Sammlungen an. Nun hatte E. R. auch eine eigene Sammlung.

      E. R. spürte Hunger. Er stand auf und als er den Revolver an seinen angestammten Platz in den Waffenschrank legte, sagte er laut und pathetisch, ohne eine Spur Selbstironie,

      »ich bin der Hüter des Grals« und zu dem Revolver gewandt fügte er hinzu, »du mein einziger Freund und treuer Vasall.«

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