Das Leben ist ´ne Session. Frank Gahler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Gahler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844257328
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poppig, mit Plateauschuh und schicker Bühnengarderobe – war ja irgendwie „IN“ damals – Abba lässt grüssen! Wir jedenfalls spielten – wie gesagt das erste Mal vor mehr als hundert Leuten – als ginge es um unser Leben.

      Die Massen tobten - und nachdem wir nach der dritten Zugabe nass geschwitzt von der Bühne torkelten war auch unser Repertoire vollkommen erschöpft. Ach je - ich glaube die armen sächsischen Kollegen wollten lieber` ne ausgedehnte Kneipentour mit Charles Bukowski machen, als NACH uns auf die Bühne zu gehen.

      War jedenfalls das erste Mal, das wir (ohne Häme)`ne Band atta geschickt haben. Neben schamhaft roter Ohren ein sehr geiles Gefühl, von ca. 1000 Leuten gefeiert zu werden. Wir gehörten dazu, mehr und mehr. Und je mehr Leute zu Monokel - Happenings kamen, desto nervöser wurde die Staatsmacht. Als würde das alles nicht schon genügen, fingen wir auch noch an uns Gedanken – eigene Gedanken – zu machen. Nüscht gegen John Mayall, Canned Heat, die Allman Brothers, Free oder Willie Dixon – im Gegenteil – aber wir wollten schon irgendwie eigene Songs mit eigenen Gedanken von der Bühne rotzen. Speiche hat mich immer dazu angetrieben, unsere Ideen zu eigenen Songs zu machen. Das machte natürlich die Quarkköppe von der WIR-PASSEN-AUF-DASS-KEINER-FRECH-WIRD Abteilung nicht gerade ruhiger. `Ne Band, die egal wo sie spielt, völkerwanderungsähnliche Zustände auslöst UND eigene Ideen verbreitet: Aba Achtung!!

      PET UND MICHA WERDEN ENTLASSEN

      Die Erinnerung ist ja im Allgemeinen mit uns gnädig, will sagen, dass selbst die unangenehmsten Lebenssituationen Jahre später verblassen und dann nur noch die hellen Stunden im Gedächtnis haften bleiben. So kommt es dann wohl auch, dass Männer sich meist nur an die „lustigen“ Streiche während ihrer Militärzeit erinnern und die saumäßigen Erniedrigungen verdrängen, oder Leute die Scheisse, die in der DDR so ablief, kaum noch wahrnehmen in ihrer Erinnerung, sondern sich in vielen Gesprächen fast nur noch an die sicher unleugbar vorhandenen Gemütlichkeiten dieser Zeit erinnern.

      Egal, trotz der Gnade einer geschönten Rücksicht erinnere ich mich noch sehr genau daran, wie unendlich unangenehm mir folgende Anekdote damals war: Nach irgendeiner Probe zupfte Basti mit verschwörerischer Miene an meinem obligatorischen Fleischerhemd, um mich dann schnell und heimlich in die nächste Eckdestille zu zerren. Ich war gespannt. Kaum lümmeln wir uns um so’n gammligen Stehtisch – nicht mal das erste Bier haben wir bestellt - schreitet auch schon seine Eminenz Speiche in’s Etablissement. Aha, denke ich mir – Termine, Absprachen, wichtige Fingerübungen, Rezeptetausch, Fahrkartenkontrolle oder die wollen mir jetzt auf die freche Fresse hau’n – mal sehen.

      Nachdem beide während des ersten Bieres ein Verhalten an den Tag legten, das mit Herumdrucksen eher unzulänglich beschrieben ist, hielt ich’s kaum noch aus und forderte die Schlingel auf, endlich zu sagen, was ihnen denn so offensichtlich das Bier verhagelte. Die ganze Sache war so einfach wie schockierend: Peter und Micha sollten ausgetauscht werden, nicht etwa untereinander, sondern gegen neue, bessere Kollegen.

      Rumms! Aha, so fühlt sich das also an, wenn man Entscheidungen mittragen soll, die einem nicht gefallen, unangenehm sind, zu denen man eine gehörige Portion Courage aufbringen muss. Bei Micha Werner fiel mir das ehrlich gesagt nicht sonderlich schwer, da ich nicht das Gefühl hatte, dass er mit ganzer Seele an Monokel hing. Aber Peter Schneider …?

      Pet hat die Band quasi gegründet, der zwar reichlich bräsige – aber immerhin Bandname „Monokel“ war seine Erfindung und als Typ, als Kumpel fand ich Peter auch äußerst famos. Junge, Junge. Das war `ne ungeahnt schlimme Situation, in der ich da steckte. Na gut, die neuen Kollegen wurden also ausprobiert und waren tatsächlich um einiges besser.

      Erstaunlich übrigens, wie gelassen und tapfer Micha und Peter das „Entlassungsgespräch“ in meiner Erinnerung aufgenommen haben. Einige Male noch in meinem Leben musste ich an solchen Entscheidungen teilnehmen, habe solchen furchtbaren Sitzungen beigewohnt und mich jedes Mal – zu mal später als Bandleader – elend gefühlt dabei, aber so schlimm wie dieses erste Mal wohl nie wieder.

      Ich stelle mir vor, dass `n Massenmörder bei seinem ersten Mord noch aufgeregt ist, ja vielleicht sogar noch Gewissensbisse hat. Wenn er dann aber seine siebte Leiche in den Fluss wirft, schon kaum noch was empfindet. Ich werde in diesem Buch mit Sicherheit nie wieder so ausführlich über solche Dinge berichten, aber da dies mein erster Mord war – und dann gleich noch `n Doppelmord – wollte ich dieser Anekdote etwas mehr Platz einräumen, zumal mir die Situation damals mehr an die Nieren ging, als ich supercooles Großmaul zugeben wollte.

      Die beiden Neulinge waren Detlef Nietz an der Klampfe und Ulf Voigt am Schlagzeug. Detlef hatte einen fabelhaften, sehr trockenen Humor und verlor quasi nie die Fassung. Seine Art Gitarre zu spielen kann man getrost als sehr kontrolliert und überlegt bezeichnen, was sich wohltuend mit Bastis druckvollem, bisweilen chaotischem Spiel ergänzte.Ulf Voigt galt eher als ernsthafter, intellektueller Denker – nicht unangenehm aber anstrengend. Genauso spielte er auch Schlagzeug.

      GALA WIRD ZUM KAPELLENLEITER

      Neue Besetzung bedeutete auch, dass die Neulinge als Mitglieder der Band beim Berliner Haus für Kulturarbeit (so hieß das tatsächlich) – irgend so’ne Unterabteilung beim Magistrat – na jedenfalls mussten die Jungs dort angemeldet werden. Tatsächlich habe ich zu der Zeit schon so einige organisatorische Kleinigkeiten für die Band geregelt, so dass es ziemlich logisch erschien, diese Sache auch zu erledigen. Wolfgang Friedrich hieß der für uns zuständige Ärmelschoner. Der erklärte mir zunächst, dass wir bei Umbesetzungen aber erst mal ne neue Einstufung machen müssen und:„Gala – ich schlage vor, dass du ab jetzt offiziell als Kapellenleiter fungierst.“

      „Wie? Was?“ „Klar, ich sehe, Du bist der einzige weit und breit, der sich kümmert und der ganz offensichtlich auch das Durchsetzungsvermögen und das Zeug dazu hat“

      Nach anfänglichem Sträuben fühlte ich Blödmann mich dann doch so geschmeichelt, dass ich auf dieses Ansinnen einging. Naja, wer hätte denn andererseits diesen Mülljob machen sollen. Basti und Speiche fanden diese Idee ebenfalls logisch und folgerichtig und ich, wie gesagt, war zu blöd zu erkennen, was da auf mich zukam. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich immer gerne mit der Behauptung provoziert, ich mache Musik, weil ich zu faul zum arbeiten wäre – har, har. Schnell stellte sich heraus, dass mir dieser Brocken selbst als Spaß im Halse stecken blieb!

      HAARE AB!

      Eines schönen Morgens wollten wir, d.h. mein Freund Peter, Thomas, Line und ich nach Potsdam fahren, weil dort ein Folk – Festival und somit einiges an lustiger Abwechslung und vielleicht Aufregung zu erwarten war. Oh jeh, wenn ich gewusst hätte…!

      Na auf alle Fälle steigen wir bestens gelaunt aus dem drolligen Vorstadtzug in Potsdam aus, als wir einen entfernten Bekannten, Alex, erblicken, der uns, gemessen an der Intensität unserer bisherigen Beziehung, viel zu überschwänglich begrüßte. Zunächst nahmen wir natürlich an, dass die unangemessene Herzlichkeit seinerseits mit dem offensichtlichen Alkoholpegel, der seine Sinne fest im Griff hatte, im unmittelbaren Zusammenhang stand. Weit gefehlt! Alexander eröffnete uns, dass er ein ordentliches Sümmchen in der Lotterie gewonnen hätte und darüber hinaus seinem Ausreiseantrag nach nunmehr zweieinhalb Jahren Wartezeit stattgegeben wurde. Anfang nächster Woche habe er das Land in Richtung Westen zu verlassen, und bis dahin wäre noch `ne menge Kohle unters Volk zu bringen.

      „Habt da nich Lust mia dabei `n bissken ssu helfen die Knete ssu fajubeln?“

      Und ob wir Lust hatten – einen sooo guten Freund kann man ja schließlich nicht allein lassen mit seinen Sorgen – oder? So zogen wir also wie marodierende Soldaten immer fröhlicher werdend durch die altehrwürdige Garnisonsstadt Potsdam. Irgendwann, ich glaube als wir dann endlich anfingen die dicksten Havanna – Zigarren voll zu sabbern, verließ Line ziemlich angewidert die „feine“ Gesellschaft, was der Ausgelassenheit der verbleibenden Männerrunde eher zuträglich war.

      Jedenfalls,