Die Frage, die ich mir stellen sollte ist, was möchte ich jetzt zum Ausdruck bringen und welche Möglichkeiten habe ich, um meinem wahren Selbst im Jetzt Ausdruck zu verleihen? Die Umstände zeigen, welche Möglichkeiten des Ausdrucks mir im JETZT möglich sind und diese bestimmen, inwieweit ich Materie dazu nützen oder nicht nützen kann, um mich zu erfahren und der Außenwelt mitzuteilen.
Im Gestern zu verweilen ist ein Umstand, den sich der Verstand einbildet, damit ich gewisse Erfahrungen machen kann. Mein Verstand gaukelt mir ein Jetzt-Erlebnis vor, indem ich Vergangenes ins Jetzt schleuse. Dabei wiederholt sich der vergangene Zustand im Jetzt und erlaubt mir immer und immer wieder dasselbe zu erleben. Ob dies nun eine schöne oder schmerzhafte Erinnerung ist, sei jetzt dahingestellt, Fakt ist, es ist bereits erlebt, schon vorbei, nichts Neues. Ich kann das alte Erlebte allerdings neu erleben, in dem ich wertfrei darauf zurückgreife und somit dem Erleben eine andere Tiefe, ein anderes Gefühl einpflege, es in seiner Urstruktur und wie ich das Erlebte eingeordnet habe, verändere. Genauso ergeht es mir, wenn ich positiv in die Zukunft schaue. Ich werde positivere Wahrnehmungen erleben, weil ich ein und dieselbe Erfahrung mit positiver Einstellung positiver wahrnehmen werde. Oder ich kann mich generell darin versuchen, verstärkt den Jetzt-Moment zu erleben. Die Bandbreite des Erlebbaren wird hier allerdings die größte sein.
Genauso erfahren wir den Sterbeprozess anhand unserer grundlegenden Einstellung. Erlebe ich im Moment des Sterbens angstvolle Gefühle und Glaubensstrukturen, die mich an Vergangenes erinnern, wird mein Sterbeprozess angstbesetzt sein und mein Bewusstsein mit Angst im Jetzt durchfluten. Und weil einem im Sterbeprozess nur wenig Möglichkeiten bleiben eine materielle Ausdrucksform zu benutzen, um sich bemerkbar zu machen und/oder am letzten Drücker umzulernen, dass Materie nur Mittel zum Zweck ist Bewusstsein neu auszurichten, verbleibt das Bewusstsein in Angst. Ein Bewusstsein, das von Angst durchdrungen ist, ist ein denkbar niedriges Bewusstsein und in seiner Dichte sehr schwer.
Weil das so ist und weil die Möglichkeit materiell weiter zu lernen ausbleibt, bekommt man ein riesengroßes Problem, das vorab noch nicht da war. Nämlich, dass man jetzt tatsächlich keine Möglichkeit der materiellen Umsetzung mehr hat.
Wie z.B. ein Apfel, den man sich geistig in allen Farben und Formen ausmalen und schmecken kann, wie sich seine Süße und Saftigkeit anfühlt, wie es sich anhört sobald man ihn anbeißt oder wie einem der Obstsaft über die Lippen rinnt, ob süß oder sauer, die Vorstellung ist perfekt. Was bringen einem all diese Fertigkeiten des Geistes und der Seele, wenn wir diese nicht dafür nützen können diese Vorstellungen materiell zu erleben? Wir niemals diesen wunderbaren Apfel physisch schmecken und in unseren Händen halten können?
Genauso bringt der Sterbeprozess sowie jeder Moment des Lebens jeden Menschen zu jeder Zeit in jedem Raum zu der gleichen Herausforderung. Unsere Wahrnehmungen mögen allesamt verschieden sein und keine einzige wird einer anderen je ums Haar gleichen, aber eines haben wir allesamt gemeinsam. Diesen Prozess Bewusstsein zu erlangen, wer wir in Wahrheit wirklich sind, ist unser aller Aufgabe, der wir weder im Leben noch im Sterben entgehen können.
Wir können diesen Prozess nur individuell erfahren, weil wir auf unterschiedlichen Bewusstseinsebenen dem Leben und dem Sterben begegnen. Daher sind diese Szenarien in ihrer Natur auch so unendlich gerecht und uneinheitlich individuell ausgerichtet. Gerecht daher, weil wir vor allem im Sterbeprozess erfahren, wie hoch die Latte bei uns selber liegt. Was Bewertung und Unfreiheit angeht. Wie weit wir Liebe erfahren und geben können und wie tief und ehrlich wir Liebe tatsächlich in Materie umwandeln können. In der Liebeserfahrung können wir erst begreifen, wie liebesfähig wir wahrhaft sind, denn in ihr erfahren wir, wie weit wir wertfrei annehmen, genießen und uns hingeben können. Dabei spielt es keinerlei Rolle mehr, in welcher Sache oder welcher Person. Es ist eine ganzheitliche Erfahrung, die uns vor Augen führt, wie weit wir in unserer eigenen Liebesfähigkeit bereits gekommen sind und ob wir wahrhaft zu lieben im Stande sind. Und überall dort, wo wir es noch nicht sind, werden wir unweigerlich auf uns selbst zurückgeworfen, indem wir verstehen, wo wir noch nicht gelernt haben wertfrei zu sein, wo wir noch immer urteilen und Trennung verbreiten. Ob man dies im Leben oder im Sterben erfährt spielt keine Rolle.
Der einzige Unterschied besteht in der Möglichkeit im Leben auf mehr materielle Ressourcen zurückgreifen zu können, um die Umsetzung von Liebe vorantreiben und körperlich erfahren zu können. Daher hören wir oft von Nahtoderfahrenen, dass sie ihr Leben um hundertachtzig Grad geändert haben.
Viel mehr im Moment, im Jetzt leben, einer Bewertungsgesellschaft nichts mehr abgewinnen und ein redlicheres, liebevolleres, aber vor allem sinnbezogeneres Dasein führen als zuvor. Der alte Trott wird abgeschüttelt, alte ausgetretene Pfade verlassen, um der Liebe im Leben neu zu begegnen, immerfort, wissend um die Kostbarkeit der geschenkten Zeit, die jeden Moment auch Sterben bedeutet. Die Illusion zeitaufhebend leben, ein wundervolles Erleben!
Welch ein Reichtum, dies zu verstehen und in jeder Pore seines Körpers verankert zu wissen, dass es nie niemals ein endgültiges Sterben geben kann, da jeder Sterbemoment einen Geburtsmoment beinhaltet. Wer diese dualen Gegensätze bewertet, wird daran zugrunde gehen, wer sie als eins und zusammengehörig begreift und danach lebt, existiert ewig.
Dieses Ewigliche zu begreifen, erfährt der Mensch dann als Freude. Als unbeschreibliche Freude und Dankbarkeit. Dies sind zwei unbestreitbare Komponente, die Liebe in sich birgt.
Bewertung macht unfrei und unglücklich, schafft Krieg und Zerstörung, weil Bewertung immer gegen die Natur angeht, alles natürlich Zusammengehörige in seiner Grund- und wertfreien Form hinterfragt, auseinander dividiert, voneinander trennt und als besser oder schlechter und demnach als nicht gleichberechtigt ansieht.
Und wer im Leben nicht lernt die Natur als das zu schätzen was sie ist, nämlich ganz und vollständig, wird es im Tod lernen müssen. Die Bewertung ist es, die uns das Leben und das Sterben zur Hölle macht.
Mehr als die Summe aller Einzelteile
Meine erste NTE erlebte ich kurz nach meiner Geburt. Meine Mutter versuchte mich im Drogenrausch in eiskaltem Wasser zu ertränken. Von den unzähligen Abtreibungsversuchen, die sie wie ein Exempel an mir statuierte, möchte ich gar nicht erst berichten.
Der zweite Tötungsversuch dauerte etwas länger, anhand der behördlichen Aktenunterlagen sechs Tage. Ob ich den Todeskampf als zweimonatiges Baby tatsächlich sechs Tage lang gekämpft hatte oder nicht, lässt sich allerdings heute nicht mehr genau sagen. Fakt ist, dass die immer wiederkehrenden Todeserfahrungen, die ich dank meiner leiblichen Mutter erfahren musste, als eine einzige langanhaltende NTE bezeichnet werden kann, die meine gesamte Kindheit, ja, mein ganzes Leben zutiefst geprägt hatte. So erlebte ich meine ersten neun Lebensmonate in der Intensiv- und Isolierstation, wobei mein Dasein davon zeugte mehr „dort“ als da gewesen zu sein.
Dem Tod ständig näher als dem Leben zu sein ist sehr prägend. Diese sehr frühen, lebensbedrohlichen, zum Teil auch aktenkundigen Ereignisse, die ich als Baby erleben musste und in eine einzige NTE zusammenfasse, hatten allerdings ihre Berechtigung. Denn diese sehr einprägsamen Erfahrungen ermöglichten mir, durch das Wissen der Dimensionenunterschiede und deren Übergänge, die Wahrheit von der Unwahrheit zu unterscheiden. Ich erkannte, in welcher Sphäre sich ein Wesen befand, ganz gleich ob im verkörperten oder bereits entkörperten Zustand, und welches Bewusstsein vordergründig die Fäden zog. Das Wissen, was hinter der Fassade steckt, und die erhabene, nicht menschliche Liebe, die mich über all die Zeit nährte, gaben mir stets die Kraft das dreidimensionale, materielle Leben, das mir noch bevorstand, zu überleben.
Nach einer traumatisierten Kindheit und Jugend im Kinderheim, in der ich einfach nur versuchte zu überleben, was mir dank meiner ersten NTE auch lange Zeit gut gelungen ist, folgte 1991 mit siebzehn Jahren ein Suizidversuch, den ich überleben sollte, um etwas sehr Wichtiges zu lernen. In meiner zweiten NTE erlebte ich meine ganz persönliche Hölle. Sie zu überdauern und zurück ins Leben zu finden lehrten mir Akzeptanz und dadurch Vergebung, sowie Erkennung und Offenbarung des Potenzials einzelner Menschen, um Sinn und Wert eines jeden Lebens schätzen und lieben zu lernen. Aber ganz besonders dieses Potential bei mir selbst