Vorgeschichte zur zweiten Nahtoderfahrung
Jegliche Versuche, mein Leben ausschließlich mit weltlich dreidimensionalen Sinnen wahrzunehmen, schlugen fehl. Eindrücklich bewiesen hatte sich dies, als ich mich mit siebzehn Jahren voll und ganz auf die materielle Welt einließ, um dazu zu gehören. Ich zerbrach an der Härte und der Kälte dieser Welt. Indem ich mir das Leben zu nehmen versuchte, wollte ich meinem Innersten Ausdruck verleihen, wieder nach Hause zu gehen. Heimwerts, dorthin, woher ich ursprünglich auch kam. Die Erde war kein Ort, an dem ich gerne weiterhin verweilen wollte und obendrein hatte ich immer ein Gefühl, als wäre mir ein schreckliches Missgeschick geschehen. Der Himmel hatte einen gravierenden Fehler begangen, indem er mich hierher geschickt hatte. Aber ich hatte einen freien Willen und demzufolge wollte ich diesen himmlischen Fehler wieder ausmerzen. Ich wollte nach Hause. Nach Hause zu telefonieren war mir zu wenig geworden. Ich wollte heim reisen. Und das Ticket durfte jeden Preis der Welt kosten.
Niemand sollte so stark sein müssen, das Leben auf Erden nur überleben und bewältigen zu können, weil er Einblicke in die höheren Welten- und Seinsebenen gewährt bekommt.
Für mich und meine Existenz hier waren diese unausweichlich, daher fragte ich mich immerzu, weshalb es überhaupt so wichtig war, dass ich in einem feststofflichen Körper leben sollte. Der Sinn darin wollte sich mir einfach nicht erschließen. Welchen Sinn machte mein Leben? Der Teil von mir, der im Körper verblieben war, fühlte sich als Opfer. Und dieser Teil wollte und konnte die Opferrolle, in die ich mich hineingedrängt fühlte, nicht abschütteln. Es war mir nicht möglich, dem weltlichen Teil von mir jenes höhere geistige Bewusstsein einzuflößen, das mir gestattet hätte, diese Opfermentalität zu transformieren. Jetzt weiß ich, dass ich all diese Ebenen nur deshalb erleben sollte, damit ich niemals aufhöre mich weiter zu entwickeln, niemals mehr das Leben minder bewerte, auch wenn es auf einer ganz grobstofflichen Bewusstseinsschwingung daherkommt. Es auf Grund tiefer Unbewusstheit der darauf lebenden Menschen vermeintlich oder tatsächlich Böses hervorbringt. Damit ich immerzu daran erinnert werde, wie begrenzt meine weltlichen Wahrnehmungen sind, sobald ich wieder in den Sog der Angst gezogen werde. Ich sollte mich dauernd zurückerinnern können, dass es nicht alles ist, was mir hier auf Erden aufgetischt wird. Dass ich mich noch verlocken und verleiten lasse von den Unwahrheiten und der Kleinkariertheit der menschlich weltlichen Verstandeskonstrukte. Ich sollte lernen, was es bedeutet bei mir zu bleiben, bei der Wahrheit, die ich tief in mir über so viele Jahre gelebt und kennengelernt hatte.
Ich selbst musste mir das wert sein, was ich anderen nicht wert war. Auch wenn mein Leben und ich selbst den anderen nichts wert sind. Mein Leben muss mir selbst wertvoll sein! Wie „niedrig“ es auch daherkommen mag. Ich kann es nur immer wieder wiederholen!
Ich erlebte Böses, Vernichtendes, kaum Lebensbejahendes und große Ablehnung, und dies hatte mich geprägt. Diese Wertlosigkeit hatte sich in mein Innerstes gegraben als Überzeugung und als Spiegel für all jene, die Wertlosigkeit sehen müssen, um wertlosen Umgang mit dem vermeintlich Wertlosen haben zu können. So wertlos zu leben und sich so wertlos behandeln zu lassen ist eine wahre Höllenerfahrung, die man direkt im Leben erfahren kann. Ich habe das scheinbar sehr viele Jahre meines Lebens genauso gewählt. Unbewusst natürlich. Wer bitte wählt ein solches Höllenleben bewusst und gerne? Und genau darum ging es ja in meinem Leben. Warum wählte ich unbewusst eine solche Gewalt? Heute weiß ich, man wählt nicht die Gewalt sondern die Erfahrung, um zu lernen. Ich säte die Ursache und erhielt als Wirkung dieser Ursache Gewalterfahrung.
„Du wirst noch gebraucht!“ Die Worte hallten in mir nach aus jener lauen Frühsommernacht im Jahre 1991, als wären es Pfeile, deren Flugbahn ein jähes Ende zu nehmen schien, in jenem Moment, in dem sie schonungslos in mich drangen. Mitten ins Herz. Mitten hinein in die tiefsten Tiefen bohrten sich bedeutungsschwanger jene Worte, die in ein friedvolles Vakuum gebettet, mir jene Sinnhaftigkeit des Lebens zuteil werden ließ, nach welcher ich mich zeit meines Lebens sehnte, sie am eigenen Leib erleben zu dürfen, sie aber niemals zu fühlen vermochte. Ich war gerade mal süße 17 Jahre alt und meines Lebens müde geworden. Woher kamen sie? Diese bedeutungsvollen Worte, voller Tiefe vernommen, mit einer Wärme und Gelassenheit, aber vor allem Klarheit ausgesprochen. Ich hörte sie in und außerhalb von mir, aber es gab keinen Mund, kein Gesicht, keine Gestalt, dem ich diese Worte hätte zuschreiben können. Sie waren einfach da, laut, unmöglich sie nicht wahrzunehmen, so präsent, als gäbe es nur diese Worte und sonst nichts. Als hätte es noch niemals je andere Worte gegeben als diese. „Du wirst noch gebraucht!“
Wenn es etwas in meinem Leben gab, dass ich vollstens begreifen lernen musste, dann, dass nichts einen Wert besitzt, nichts Freudvolles aus etwas entstehen kann, dem man keinen Sinn, keine Bedeutung, keinen Wert beimisst. Die Worte, welche ich vernahm in jener Nacht meines zweiten Sterbens, bedeuteten nichts für mich oder besser gesagt, sie bedeuteten alles. Sie bedeuteten nichts Gutes. In ihnen lag meine größte Angst. Mein Urtrauma. Denn alles, was ich mit ihnen verband, war ein tief in mir lebendiger Traum, der nie in der materiellen Welt Erfüllung fand. Ich wollte durch Liebe und Hingabe gebraucht werden. Doch ich wurde verbraucht. Gebraucht, um ausgezehrt zu werden, gebraucht, um anderen zu Diensten zu sein, gebraucht, um des Verbrauchens willen, gebraucht, um des Versteckens willen. Austauschbar, weil ich keinerlei Wert besaß, woraus Wertvolles zu schöpfen gewesen wäre. Und ich wollte nicht mehr gebraucht werden um des Verbrauchtwerden willens. Ich wollte gebraucht werden um des Geliebtwerden willens.
„Du wirst noch gebraucht!“ Ein paar leere Worte nur ... Worthülsen des Vegetierens, nichts weiter, nichts ahnend, dass ich sie in den nächsten zwei Tagen insgesamt drei Mal hören werde und alles nur, um zu verstehen. Um anzukommen, um willkommen zu sein, um die wahre Bedeutung von Wert und Sinn des Lebens zu erfahren. Ich konnte das Leben nicht mehr brauchen, und das Leben antwortete mir, in dem ich mich so fühlte, als würde ich vegetieren, bis das Leben mich ausspie. So gab mir das Sterben eine neue Chance, eine Möglichkeit nicht geahnten Ausmaßes, dem Sterben wahren Sinn und dem Wert des Lebens abzutrotzen. So musste ich sterben, um neu geboren zu werden. Um neu leben zu lernen. Um zu verstehen, was es bedeuten könnte, mich selbst zu brauchen, um irgendwann von Anderen wahrhaft liebend gebraucht werden zu können.
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