Skyline Deluxe. Marianne Le Soleil Levant. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marianne Le Soleil Levant
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738047240
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eine antike Sage.“

      „Eine symptomatische Beispielerzählung menschlicher Reaktionen, Schwächen, Eigenschaften. Eine Art Lehrstück?“

      „Angeblich soll die ganze Story im Kern wirklich geschehen sein. Die Irrfahrt des Odysseus, die Odyssee ist ja viel umfangreicher.“

      „Das gibt es in unserer Kultur auch. Aber das führt weg von uns. Du brauchst mich nicht bezirzen. Lass uns wieder schauen.“

      „Willst du meine Theorie nicht hören?“, war er mit Schauen eigentlich einverstanden, aber doch etwas in seiner Eitelkeit als großgeistiger Weltversteher gekränkt.

      „Setz dich zu mir herüber. Ich zeig dir, was du mir sagen wolltest.“

      Thomas setzte sich von Gegenüber auf ihre Seite des Tisches neben sie.

      Es machte einen deutlichen Unterschied, ob man das Ufer von sich wegtreiben sah, das was gerade passiert war, vergehen sah oder dasselbe Ufer auf sich zukommen, quasi in die Zukunft sah. Sie blickten jetzt beide nach vorne.

      Sie schwiegen.

      Es dauerte nur wenige Momente, bis in beiden ein wohlig, warmes Gefühl aufstieg. Es nahm zu und nach zwei, drei Minuten stieß Chi Thomas mit ihrem Ellenbogen leicht an und bedeutete ihm seine Hand unter den Tisch zu legen. Sie nahm sie mit der ihren. Sie galten den Gästen an den umliegenden Tischen ohnehin als Paar.

      Es waren Ausländer. Eine Japanerin und ein Farang.

      Keine Möglichkeit, Chi mit einer Thai, gar einem Freudenmädchen oder Heiratswilligen zu verwechseln. Die wenigen Touristen auf dem Boot kümmerten sich sowieso nur um sich selbst. Die Thai waren mit sich und ihren Familien beschäftigt. Was interessieren schon die Ausländer? Die chinesischen Familien beobachteten das ungewöhnliche Paar mit amüsierter Neugierde zwischendurch immer wieder. Offenbar harmlose feine Leute mit einem momentan ausgeprägtem Hang zu zweisamen Träumen. Man konnte es in ihren Augen erkennen. Auch von den anderen Tischen.

      Händchenhalten in der Öffentlichkeit mochte sich nicht ziemen, doch unter dem schamvollen Schirm der Tischplatte konnte es im Lichte des sinkenden Tages auf dem Chao Praya verständnisvoll übersehen werden. In Momenten einer Pause sahen sogar die Mädchen des Personals kurz hinüber und kicherten. Nicht lange und Chi zog Thomas' Hand an die Innenseite ihrer Schenkel. Das Fleisch war durch den feinen Stoff der Seidenhose gut zu spüren. Sie vibrierten in Schüben. Thomas bekam eine ziemlich konkrete Erektion. Er begann, sie zu streicheln. Nur ganz leicht erst kleine Kreise, ganz kleine. Dann ein paar Zentimeter. Langsam. Mit drei Fingern bald. Seine Erektion wurde fester. Er trug eine bequem weite Jeans mit festem Stoff. Die besten Copy-Levi's. Praktisch so gut wie die Originale. Da fiel es nicht so auf. Chi bebte. Den Blick entspannt in die Ferne gerichtet. Ihre Hormonströme befeuerte die Öffnung ihrer Wahrnehmungstore zusehends.

      Das Schauspiel des Flusses mit dem vorbeiziehenden Ufer vermischte sich im Rausch mit den wechselnden Düften, unzähligen Klängen und dem Lichtermeer aus Tempelbeleuchtung, Gaststätten, Etablissements, Wolkenkratzern, Brückenkonstrukten, Spiege­lungen und dem Sternenhimmel. Längst hatte Chi ihre Finger in Richtung Thomas' Schritt bewegt und nur liegen lassen.

      Er war steinhart.

      Gut zwanzig Minuten sprachen sie kein Wort. Manchmal blickten sie sich kurz an. Kurz. Mehr ertrugen sie noch nicht. Um gleich wieder in die Schau einzutauchen. Alles um sie herum trat hinter einem Schild aus warmen Flausch zurück, der sie einhüllte. Ein fluoreszierender Flaum aus buntem Licht und weichem Klang. Durchzogen von scharfen Adern heißen Chilis, die durch die Luft wehten. Alle, auch die Kellner, waren klug genug, sie nicht zu stören.

      Die Anlegestelle des Restaurantbootes kam ins Blickfeld. Erst fern erkennbar an den darum liegenden, charakteristischen Bauten, dann schleunigst sich nähernd. Chi seufzte.

      Sie streckte alle fünf Finger ihrer Hand sanft auf Thomas' Schenkel aus, zog sie einen Moment später hinüber zu seiner.

      Sie flüsterte in sein Ohr: „Du musst in spätestens zehn Minuten aufstehen. Besser du versuchst dich etwas zu beruhigen. -… try to come down a bit.“

      Chi nahm seine Hand und führte sie zurück auf seine Seite, ließ sie los und hob ihre vorsichtig und unauffällig wieder auf den Tisch. Thomas legte seine Hand auf den Tisch. Auch er seufzte.

      „Danke“, entkam es ihm.

      Volles Zehntelmillimeter Mundwinkellächeln.

      „Erzähl wieder ein bisschen über Subquanten. Das bringt dich runter.“

      „Stimmbandarbeit regt die Hormone eher an.“

      „Ja, aber das Formulieren lenkt dich ab. Gleich bringen sie die Rechnung.“

      Was man für Probleme bekommen konnte, wenn man keine hatte, vielmehr rundherum glücklich war, sogar weit glückseliger, als man es sich hätte träumen beziehungsweise planen lassen. Zum Beispiel eine auch aufgrund der an sich zu befürwortenden Größe des Geschlechtsteils schwer zu verbergende und auch sonst hervor­ragend erfreuliche Erektion. Eine Sache also, die nicht als für sich gesehen unerwünscht und einerseits nicht ohne Anlass, wie dem folgend, also angebracht und rein dem Befinden der beiden verpflichtet vollkommen angenehm war. Im Gesamtzusammenhang der öffentlichen Umgebung erschien sie, trotz der Natürlichkeit im Zustandekommen und dementsprechender Vertrautheit aller Menschen mit dem biologischen Effekt jedoch höchst unpassend und zum Auslöser quasi umfassender und sicher auf Seiten der ursächlichen Betreiber nicht geringerer Peinlichkeit geeignet.

      Was wäre eigentlich so schlimm daran, wenn sich die Liebe eines Paares in ihrer körperlichen Auswirkung nicht verstecken ließe? Musste man das? Liebe verstecken.

      Intime Körperreaktionen Fremder, seien sie auch noch so attraktiv, zählten für die meisten Menschen zu den nicht mitteilungswürdigen Ereignissen. Umgekehrt trachteten sie nicht danach die eigenen allgemein zu verbreiten. Unaufgefordert, wie das wohl die Regel wäre, die Öffentlichkeit damit zu konfrontieren, blieb fragwürdig und konnte nicht auf breite Zustimmung hoffen. Insgeheim freundete sich Chi belustigt mit der Vorstellung an, sie müssten gleich eine beim Betreten des Bootes noch nicht vorhandene Aus­beulung in Thomas' Hose an verdächtiger Stelle durch Verhalten und absolute Nichtbeachtung ignorieren, obwohl diese niemandem entgehen konnte, der nicht selbst gerade seine ganze Konzentration auf vielleicht ähnliche Umstände seines Partners oder anderweitig die Sinne sehr in den Bann ziehende Inhalte verwandte und deshalb wirklich nichts davon mitbekäme. Selbst aus den Augenwinkeln und besonders bei einem dem allgemeinen Interesse soweit ausge­setzten Paares wäre da nichts zu leugnen. Es bedürfte aller nur möglichen Diskretion.

      Chi selbst täte sich damit leichter. Es wäre ja nicht ihre Erektion. Ihr zu Ehren zwar, aber war das nicht ein Kompliment? So sehr sie verantwortlich sein mochte, so wenig konnte man ihr das Bestehen zu ungünstigen Bedingungen vorwerfen. Sie würde nicht so bald, wenn überhaupt jemals, nach Bangkok zurückkehren. Über Thomas hing wenigstens ein kleines Damoklesschwert, ein Damoklesdolch der langen Erinnerungsspannen chinesischer Geister, sollte er je einen der Anwesenden wiedertreffen. Mindestens das Personal würde noch Tage oder Wochen darüber lästern. Chi entschied ihren Teil zum Abklingen des in der Optik ein vorhersehbares Ärgernis gebärende Wohlbefinden sexueller Triebkraft beizutragen. Momen­tan vereinfachte das den Fortgang der abendlichen Ereignisse.

      Sie sträubte sich nicht. Sie hätte nicht beschreiben wollen, wie sehr ihr die ungewohnte Macht, seine Stoffwechselgirlanden zu steuern, gefiel. Wozu? Man genoss das lieber. Gewissensbisse brauchte sie nicht zu entwickeln, war sie doch bereit ihm in Aussicht stehende Erfüllungen zu bieten, sollte er sich bis dahin nicht total daneben benehmen oder mit Hilfe einer anderen unerwarteten Verfehlung dies zu verhindern wissen. Jetzt war es angezeigt, sich mit Rücksicht auf die Situation davon abzukehren. Das einzudämmen, darüber mitzubestimmen, machte nicht viel weniger Spaß.

      „Erzähl mir jetzt was über wunderbare Lebewesen“, nahm Chi mit Betonung auf jetzt den Faden wieder auf, um Thomas über seine lokalen Durchblutungsspitzen hinweg zu helfen.

      „Oder soll ich die Rechnung übernehmen?“ Das half.

      Hatte