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Автор: Stephan Kesper
Издательство: Bookwire
Серия: Hohenstein-Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750210738
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wohl Schulden hatte. Ich habe sein Mobiltelefon prüfen lassen. Die SIM Karte hat den Sturz überlebt. Daraufhin konnte der Mobilfunkprovider uns den Inhalt des SMS Konto und den Inhalt der Mobil-Box zusenden.«

      Sie doppelklickte und stellte die Lautsprecher neben ihrem Monitor lauter. Eine unangenehme Stimme ertönte: »Ok, Du Yuppi-Arsch, das ist Deine letzte Chance. Heute Abend bringst Du mir die Kohle oder Du bekommst Besuch von meinem Freund Alexej und seiner Kneifzange. Und glaub mir, er weiß damit umzugehen.«

      Hohenstein blickte seine Kollegin entgeistert an, wie konnte sie ihm das vorenthalten?

      »Na gut«, sagte Borell, »aber wir haben diese G7-Scheiße am Hacken und ich kann auf Sie beide nicht verzichten!«, danach jagte er durch den Flur davon.

      »Was soll das?«, fragte Hohenstein.

      »Sorry, ich wollte es Dir sagen. Dann hab ich es beim Tippen vergessen. War keine böse Absicht.«

      »Hmm«, das würde sie wieder gutmachen müssen. »War noch mehr da?«

      »Nichts Interessantes. Seine Freundin hat ihm zwei Mal draufgesprochen und ein paar SMS geschickt. Die Dateien liegen auf dem Server.«

      Den restlichen Nachmittag verbrachte Hohenstein mit den Daten des Mobiltelefons. Dann schrieb er eine E-Mail an die IT-Forensik, dass Cox' privater Computer abgeholt werden musste. Und er kümmerte sich um die Berichte, die er in der Wohnung von Cox mitgenommen hatte.

      Letztere bereiteten ihm große Schwierigkeiten. Er war in Mathematik nie gut gewesen. Er mochte die Beweisführung und die Logik, aber mit den Formeln hatte er sich nie anfreunden können.

      Als Brandner ihm, nachdem sie für sie beide Kaffee geholt hatte, über die Schulter sah, flüsterte sie: »Ach du Scheiße«.

      Hohenstein quälte sich gerade durch einen Bericht, der den Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Beobachtung von Trends im Börsenhandel beschrieb. Die Formeln ließ er aus und konzentrierte sich auf den Text dazwischen. Er musste sich jedes zweite oder dritte Wort von Wikipedia erklären lassen, was die Lektüre erheblich in die Länge zog. Dabei notierte er sich Fragen, die er Taxler stellen würde.

      Danach hatte er das Gefühl, hinlänglich zu wissen, worum es ging.

      Er schloss den Bericht und sah auf die erste Seite. Unter der Überschrift stand: »James Henry Cox«. Kein weiterer Name. Alle Berichte trugen nur diesen einen Namen.

      »Smartes Bürschchen«, kommentierte er.

      Brandtner sah zu ihm rüber, sie hatte tiefe Augenringe und sah müde aus.

      »Nataschenka, geh nach Hause.«

      »Ich bin noch nicht fertig«, stöhnte sie.

      Im Gegensatz zu Hohenstein hatte Brandtner ein funktionierendes Zuhause. Sie lebte seit mehreren Jahren mit ihrer Freundin zusammen, die einen kleinen Jungen aus einer vorherigen Ehe mitgebracht hatte. Sie bildeten einen Familien-Nukleus, der für Brandtner Dreh-, Angel- und Mittelpunkt ihres Handelns darstellte. Hohenstein freute sich für seine Kollegin, aber insgeheim beneidete er sie auch darum, weil er etwas Vergleichbares gehabt und verloren hatte. Brandtner hatte ihn diverse Male eingeladen, zu Geburtstagsfesten oder grundlosen Grillabenden. Einmal war er dazugekommen, hatte sich unter den vielen weiblichen Pärchen jedoch deplatziert gefühlt. Brandtner versprach daraufhin, das nächste Mal ein paar Schwule und vielleicht noch eine Hetero-Frau einzuladen. Zu einem nächsten Mal war es bisher nicht gekommen.

      Die Telefonnummer des Geldeintreibers wurde vom Mobilfunkprovider mitgeliefert. Sie stand im Dateinamen kodiert, neben Datum und Uhrzeit des Anrufs. Die Nummer gehörte zu einer zwielichtigen Person, die bereits mehrfach der Polizei aufgefallen war und dem »Glückspiel-Schrägstrich-Rotlicht-Milieu« zuzuordnen war: Peter Zamblowski.

      Brandtner knallte ihren Zeigefinger lautstark auf die Tastatur und sagte: »Genug für heute. Mir brennen die Augen.«

      »Willst Du noch diesen Zamblowski aufsuchen?«

      »Na gut, aber dann ist wirklich Schluss.«

      Hohenstein sah auf seine Uhr: 19:23.

      Als sie in den Hof des Polizeipräsidiums traten und plötzlich von klimatisierter Luft in die Hitze des Sommerabends kamen, fühlte Hohenstein sich wie mit einem Kissen geschlagen.

      »Meine Güte, wie heiß soll es denn noch werden?«

      Im Wagen sah er an Brandtner, die auf dem Fahrersitz saß, vorbei auf das Display und erkannte, dass die Außentemperatur bei 35 Grad lag.

      »Morgen soll es noch heißer werden. Sie reden von bis zu 40 Grad«, kommentierte sie seinen Blick.

      »Das geht doch gar nicht, nicht in Deutschland!«

      Brandtner schaltete freiwillig die Klimaanlage an. Sie fuhren in die Nähe des Hauptbahnhofs und parkten in zweiter Reihe neben einer Ausfahrt. Gleich daneben befand sich der Eingang zu einem Nachtclub mit dem Namen: »Ständer' Garanti«.

      Abgesehen davon, dass der Name einen Rechtschreibfehler und ein Deppen-Apostroph enthielt, Zweifel am Versprechen aufkommen ließ, der Club noch geschlossen war und das Haus einen so abstoßenden Eindruck machte, dass Brandtner am liebsten in Schutzkleidung angerückt wäre, stank es im Treppenhaus des Nebeneingangs so erbärmlich und widerlich, dass sie beide den Tag verfluchten, an dem sie bei der Polizei angefangen hatten.

      Die Tür war offensichtlich vor einiger Zeit aufgebrochen worden, es hatte sich aber niemand um eine Reparatur gekümmert. Stattdessen war jede weitere Tür im Haus doppelt und dreifach gesichert. Das machte das Treppenhaus zu einer Art demilitarisierten Zone, in der die Überreste von Sex, Drogenkonsum und Notdurft koexistieren.

      Sie stiegen in den zweiten Stock hinauf. Auf dem Weg dorthin schlief auf einem Absatz ein Mann in einem infernalisch stinkenden Schlafsack.

      Sie klingelten an der Tür. Nach einer Weile öffnete ein nahezu unbekleideter Mann. Kaum eins siebzig groß, muskulös und vielfach tätowiert.

      »Wat?«

      »Brandtner und Hohenstein, Kripo Frankfurt. Sind Sie Herr Zamblowski?«, Igor hielt ihm seinen Dienstausweis vor die Nase.

      »Ja, und?«

      »Können wir kurz hereinkommen? Hier draußen stinkt es fürchterlich.«

      »Ist der schon wieder da?«, der Mann ging zum oberen Rand der Treppe, sah auf den Schlafsack herab und fing an, laut zu brüllen: »Du krankes Arschloch, ich hab gesagt, dass Du verschwinden sollst!«

      Von unten kam nur ein raues Brummen.

      Zamblowski watschelte wieder in seine Wohnung und ließ die Tür offen, was die Kommissare als Einladung verstanden. Der Flur war dunkel und es stand nicht näher erkennbarer Kram herum.

      Das Wohnzimmer wurde von drei hohen Fenstern in Licht getaucht, auch wenn es durch vergilbte Gardinen stark gefiltert hereindrang. Ein großer Flachbildschirm lief und Zamblowski saß auf einer alten, durchgesessenen Couch, die älter als er selbst sein musste. Irgendjemand hatte sie mit schwarzem Stoff bezogen, der mit orangefarbenen Blüten bedruckt worden war.

      Vor der Couch stand ein Wohnzimmertisch mit braunen Kacheln als Oberfläche.

      Brandtner stürmte vor: »Wo waren Sie heute Morgen gegen sechs Uhr dreißig?«

      »Wieso?«, er schob mit einer kleinen Maschine Tabak in eine leere Zigarettenhülse und steckte sich die Seite mit dem Filter in den Mund.

      »Antworten Sie bitte«, sagte Hohenstein sanft.

      Zamblowski hob die Augenbrauen, ließ sich gegen die Rückenlehne fallen, rieb sich mit der Hand, in der er die Zigarette hielt das rechte Auge.

      »Da hab ich den Club geschlossen. Ist die morgendliche Routine. Die besoffenen Kunden rausschmeißen, die Fifi’s abkassieren, aufpassen, dass die Putzkolonne nix aus der Bar klaut und, wenn alle gegangen sind, Tür abschließen und ins Bett fallen.«

      »Kann das jemand bezeugen?«, fragte Brandtner.