Pumping Art. Andre Garfeld. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Garfeld
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844240139
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was mit der Kunstszene zu tun.“

      „Bist du ... Künstler?“

      Sie sieht dabei aber wieder Frank an.

      „Ich habe ein Fotoatelier in Hamburg. Lebensmittelfotografie. Was auf Packungen drauf kommt. Er ist mein Assistent.“

      „Lebensmittel?“

      „Fotos. Vorher machen wir die Dummys davon. Die echten Lebensmittel würden die Studiobedingungen nicht heil überstehen. Deshalb stellen wir Dummys von ihnen her. Spaghetti mit Sauce zum Beispiel. Aus Kunststoff.“

      „Und damit verdienst du Geld?“

      „Kann man so nicht sagen. Im Moment sind die Ausgaben höher als das, was reinkommt. Aber auch dafür fahre ich nach London. Als eine Art Investition ins Geschäft.“

      „Aha.“

      Und als wäre damit alles gesagt, steht er plötzlich auf und geht auf den Thresen im Hintergrund zu, an dem Bier ausgeschenkt wird. In englischen Pubs und Cafés gibt es keine Tischbedienung. Hier genausowenig. Peters Gang ist leicht schwankend. Er hat also nicht nur das Bier hier getrunken. Frank weiß, das er einen silbernen Flachmann einstecken hat, den er auf dieser Fähre mindestens einmal nachfüllen wird. Und das er immer noch etwas zusätzlich einwirft. Tabletten. Kicks. Eckis. Jedenfalls dockt er nun nach einem Slalom zwischen den Tischen regelrecht an dem Thresen an. Für ihn ein Stück Heimat.

      Das Mädchen gräbt in ihrer riesigen Umhängetasche und holt daraus Zigaretten und Feuerzeug hervor. Sie steckt sich eine an. Hält Frank die Packung hin. Er winkt ab.

      „Was genau ... machst du?“

      „Hierbei? Ich bin der Fahrer.“

      „Nur Fahrer?“

      „Keine Ahnung. Assistent.“

      „Wofür?“

      Frank will sich nicht mit dem Mädchen unterhalten. Er würde ihr nicht angeboten haben, mitfahren zu können. Egal ob hinter dem Zollgelände oder nicht. Das Mädchen ist ihm nicht ganz geheuer. Etwas stimmt mit ihm nicht. Nicht nur, daß es in dem Alter, mit einem solchen Outfit, alleine unterwegs ist.

      „Er soll der Assistent eines Fotografen sein, der das Atelier eines verstorbenen Malers fotografiert. Francis Bacon.“ Er weiß nicht, warum er das jetzt sagt. „Das ganze versiffte Ding soll kartographiert, fotografiert und archiviert werden, damit es original in Dublin wieder aufgebaut werden kann.“ Vielleicht sagt er es lediglich noch einmal für sich selbst. „So will es der Kunstmarkt.“

      „Er ist dann also auch Assistent?“

      „Ja.“

      „Ein Assistent, der seinen Assistenten mitbringt?“

      „Äh, ja.“

      Sie stößt Rauch steil vor sich in die Luft. Und bohrt ihre schwarz geschminkten Augen in seine. Das kann sie. Und das wirkt nicht kindlich. Ist sie vielleicht doch älter? Nein. Ist sie nicht. Vielleicht aber größer, als sie da in dem Sessel aussieht. Sie sitzt mit gekrümmtem Rücken da. An ihr ist nicht viel Weibliches.

      __8__

      Sein Vater trug ganztags Anzüge für seine Firma. Es gab ein Büro in der Innenstadt, mit vier Mitarbeitern. Sein Vater betrieb eine Finanzberatung. Wenn sein Vater nach Hause kam, verschwand er meistens zuerst in ein Arbeitszimmer, im Erdgeschoß neben dem großen Wohnzimmer. Und immer, wenn er wieder herauskam, sah er diesen Fußballtrainern ähnlich, die zum Spiel in vollem Anzug erscheinen, inklusive Krawatte, den sie im Verlaufe höchster Arbeitsamkeit, die sie mit ihrer Mannschaft auf dem Rasen teilen wollen, zur Hälfte ablegen, indem sie noch während der ersten Halbzeit das Jackett ausziehen oder aber so nach der Pause zur zweiten Halbzeit erscheinen, hemdsärmelige Entschlossenheit oder Kampfeswille oder irgendwas Ähnliches signalisierend. Bei Trainern mag das diese Wirkung haben. Bei seinem Vater hatte es das nicht. Aber oft genug kam er so die Küche, wenn Frank sich einen Moment dort aufhielt. Das sah jedesmal zufällig aus. Aber sein Vater kam immer zu schnell und zu gut vorbereitet auf sein Thema zu sprechen. Die Schule.

      Sein Vater bekam davon absolut nichts mit.

      Frank antwortete deshalb stets unverbindlich. Harmlos. Und auch deshalb aßen sie nur noch äußerst selten zusammen. Darauf achtete Frank.

      Und war dann echt angepißt, als sein Vater mit seinem AudiTT auf dem Parkplatz vor der Schule absichtlich achtlos parkte, ins Gebäude verschwand und mit einem der Lehrer sprach. Davon hatte er vorher nichts verlauten lassen. In der Pause hatte der Audi schon die Runde gemacht. Und Frank wäre lieber auf dem Bauch nach Hause gerutscht, als zu seinem Vater eingestiegen, falls der ihm das angeboten hätte. Aber da war der Wagen schon wieder weg.

      Nachmittags trafen sie sich in der Küche.

      Sein Vater im weißen Hemd, die Ärmel hochgeschlagen. Er müsse noch zu einem Meeting, sagte er. Aber vorher wolle er noch mit Frank sprechen. Er sei in der Schule gewesen und habe mit seinem Klassenlehrer gesprochen. Frank fragte erst gar nicht, was der Scheiß sollte. Schlimmer, als irgendwelche Auseinandersetzungen, war, keine zu haben. Genau das war aber der Stand der Dinge des letzten Jahres.

      „Ich wußte nicht, daß du Nachhilfe in Mathe und Physik gibst.“

      „Dann weißt du´s jetzt.“

      „Werde nicht fluzzig.“

      „Oh, wieder ein Wort aus deiner Jugend?“

      „Herr Roth meinte, daß du sogar höheren Jahrgängen Nachhilfe gibst.“

      „Ja und?“

      „Das ist ...“

      „Was ist damit? Du hast ja nicht mal richtig mitgekriegt, das ich eine Klasse übersprungen habe!“

      „Doch, das habe ich.“

      „Welche?“

      „Was?“

      „Welche Klasse?“

      „Siebte.“

      „Achte.“

      „Okay. Achte. Aber hast du jetzt schon mal daran gedacht, was du studieren willst? Zum Beispiel Betriebswirtschaft? Darüber wollte ich mit dir reden. Du wirst demnächst siebzehn ...“

      „Es geht um die Firma, was?“

      „Ja. Nein, nicht nur ... .“

      „Wegen der Mama dich verlassen hat.“

      „Sie hat ...“

      „Sie hat dich wegen deiner scheiß Firma verlassen.“

      „Hat sie das gesagt?“

      „Ja.“

      „Wann?“

      „Wie wann?“

      „Wann hat sie das gesagt?“

      „Als ich sie das letzte Mal gesehen habe.“

      „Und wann war das?“

      „Vor drei Monaten.“

      „Vor drei Monaten?“

      Frank sah ihn immer noch nicht an. Er war eigentlich damit beschäftigt, zwei American Sandwich Toastscheiben dick mit Quark einzustreichen und mit Tomaten und Käse zu belegen.

      „Du warst bei ihr?“

      „Ja.“

      „Wieso weiß ich nichts davon?“

      „Du weißt Vieles nicht.“

      Sein Vater hatte die Kühlschranktür geöffnet. Sie blieb offen, während er davor stand. Niemand würde eine Kühlschrank so lange offen lassen, schon aus dem Drill heraus, sie gleich wieder zuzumachen, um Energie