Er sagte das, ohne aber meine Entscheidung abzuwarten, faßte mich vielmehr am Arme, drehte mich um, deutete auf ein Haus mit einem großen Laden, über welchem in ellenhohen Buchstaben zu lesen war: »Store for all things«, und zog mich fort nach dem Eingang, gab mir einen Stoß, daß ich in den Laden und an ein offenstehendes Häringsfaß schoß, und schob sich dann schmunzelnd hinterdrein.
Die Firmenschrift enthielt keine Lüge. Der Laden war sehr groß und enthielt wirklich Alles, was man unter den hiesigen Verhältnissen nöthig haben konnte, sogar Sattel und Gewehre.
Die nun folgende Scene war einzig in ihrer Art. Ich glich geradezu einem Schulbuben, welcher mit seinem Vater vor der Jahrmarktsbude steht, seine Wünsche nur unter Zagen äußern darf und vielmehr das nehmen muß, was der erfahrene Vater für ihn aussucht. Old Death stellte gleich Anfangs die Bedingung, daß der Besitzer des Ladens meinen gegenwärtigen Anzug und auch den ganzen Inhalt meines Koffers mit an Zahlungsstatt anzunehmen habe. Der Mann ging gern darauf ein und schickte sofort seinen Storekeeper fort, den Koffer zu holen. Als derselbe ankam, wurden meine Sachen taxirt, und nun begann Old Death, für mich auszusuchen. Ich erhielt: eine schwarze Lederhose, ein Paar hohe Stiefel, natürlich mit Sporen, ein rothwollenes Leibhemd, eine Weste von derselben Farbe mit unzähligen Taschen, ein schwarzwollenes Halstuch, einen hirschledernen Jagdrock, ungefärbt, einen ledernen Gürtel, zwei Hände breit und innen natürlich hohl, Kugelbeutel, Tabaksblase, Tabakspfeife, Compaß und zwanzig andere nothwendige Kleinigkeiten, Fußlappen anstatt der Strümpfe, einen riesigen Sombrero, eine wollene Decke mit einem Schlitze in der Mitte, um den Kopf hindurch zu stecken, einen Lasso, Pulverhorn, Feuerzeug, Bowiemesser, Sattel, mit Taschen und Zaumzeug. Dann ging es zu den Gewehren. Old Death war kein Freund von Neuerungen. Er schob Alles, was neueren Datums war, bei Seite und griff nach einer alten Rifle, die ich jedenfalls gar nicht beachtet hätte. Nachdem er sie mit der Miene eines Kenners untersucht hatte, lud er sie, trat vor den Laden hinaus und schoß nach der Giebelverzierung eines sehr entfernten Hauses. Die Kugel saß.
»Well!« nickte er befriedigt. »Die wird’s thun. Dieses Schießeisen hat sich in famosen Händen befunden und ist mehr werth als aller Krimskrams, den man jetzt mit dem Namen Büchse beehrt. Ich calculire, daß dieses Gewehr von einem sehr tüchtigen Meister angefertigt worden ist, und will hoffen, daß Ihr ihm Ehre macht. Nun noch eine Kugelform dazu. Dann sind wir fertig. Blei können wir hier auch haben; so gehen wir nach Hause und gießen einen Kugelvorrath, vor welchem die da drüben in Mexico erschrecken sollen.«
Nachdem ich mir noch einige Kleinigkeiten, wie Taschentücher u. s. w., welche Old Death natürlich für ganz überflüssig hielt, ausgesucht hatte, mußte ich in einen kleinen Nebenraum treten, um mich umzuziehen. Als ich in den Laden zurückkehrte, betrachtete der Alte mich wohlgefällig.
Im Stillen hatte ich mich der Hoffnung hingegeben, daß er den Sattel tragen werde; aber das fiel ihm gar nicht ein; er packte mir die Geschichte auf und schob mich hinaus.
»So!« schmunzelte er draußen. »Jetzt seht einmal, ob Ihr Euch wirklich zu schämen habt! Jeder verständige Mensch wird Euch für einen sehr vernünftigen Gentleman halten, und was die unverständige Welt sagt, das geht Euch den Teufel an.«
Jetzt hatte ich nichts mehr vor Old Death voraus und mußte mein Joch geduldig nach dem Gasthofe schleppen, während er stolz nebenher schritt und es ihm jedenfalls heimlichen Spaß machte, mich als meinen eigenen Packträger in Thätigkeit zu sehen.
Am andern Morgen mietheten wir zwei Maulthiere, auf denen wir hinaus nach der Raft ritten, wo der Dampfer auf die Passagiere wartete. Die Thiere erhielten unsere Sättel aufgelegt, wodurch es glücklicherweise vermieden wurde, daß wir dieselben tragen mußten.
Der Steamer war ein sehr flachgehendes Boot und ganz nach amerikanischer Manier gebaut. Es befanden sich bereits zahlreiche Passagiere auf demselben. Als wir, nun allerdings die Sättel tragend, über die Planke schritten und an Deck kamen, rief eine laute Stimme:
»Bei Jove! Da kommen ein paar zweibeinige, gesattelte Maulesel! Hat man schon so Etwas gesehen? Macht Platz, Leute! Laßt sie hinab in den Raum! Solch Viehzeug darf doch nicht unter Gentlemen verweilen!«
Wir kannten diese Stimme. Die besten Plätze des mit einem Glasdache versehenen ersten Platzes waren von den Rowdies eingenommen, welche wir gestern kennen gelernt hatten. Der laute Schreier von gestern, welcher überhaupt ihren Anführer zu machen schien, hatte uns mit dieser neuen Beleidigung empfangen. Ich richtete mich nach Old Death. Da er die Worte ruhig über sich ergehen ließ, that auch ich so, als ob ich sie gar nicht vernommen hätte. Wir nahmen den Kerlen gegenüber Platz und schoben die Sättel unter unsere Sitze.
Der Alte machte es sich bequem, zog seinen Revolver hervor, spannte ihn und legte ihn neben sich hin; ich folgte aber seinem Beispiele und legte den meinen auch bereit. Die Kerls steckten die Köpfe zusammen und zischelten unter sich, wagten es aber nicht, wieder eine laute Beleidigung hören zu lassen. Ihre Hunde, von denen nun freilich einer fehlte, hatten sie auch heute bei sich. Der Sprecher betrachtete uns mit ganz besonders feindseligen Blicken. Seine Haltung war gebeugt, jedenfalls in Folge des Fluges durch das Fenster und der nachfolgenden nicht eben sanften Behandlung durch Winnetou. Sein Gesicht zeigte die noch frischen Spuren der Fensterscheiben.
Als der Conductor kam, uns zu fragen, wie weit wir mitfahren wollten, gab Old Death den Ort Columbus an, bis wohin wir bezahlten. Wir konnten ja dort weitere Passage nehmen. Er war der Ansicht, daß Gibson nicht ganz bis Austin gefahren sei.
Die Glocke hatte bereits das zweite Zeichen gegeben, als ein neuer Passagier kam –Winnetou. Er ritt einen auf indianische Weise gezäumten Rapphengst, ein prachtvolles Thier, stieg erst an Bord aus dem Sattel und führte sein Pferd nach dem Vordertheile des Deckes, wo für etwa mitzunehmende Pferde ein schulterhoher Bretterverschlag angebracht worden war. Dann setzte er, scheinbar ohne Jemand zu beachten, sich daneben auf die Brüstung des Schiffsgeländers. Die Rowdies nahmen ihn scharf in die Augen. Sie räusperten sich und husteten laut, um seine Blicke auf sich zu lenken, doch vergebens. Er saß, sich auf die Mündung seiner Silberbüchse stützend, halb abgewendet von ihnen und schien kein Ohr für sie zu haben.
Jetzt läutete es zum letzen Male; noch einige Augenblicke des Wartens, ob vielleicht noch ein Reisender kommen werde; dann drehten sich die Räder, und das Schiff begann die Fahrt.
Unsere Reise schien ganz gut verlaufen zu wollen. Es herrschte vollständige Ruhe an Bord bis Wharton, wo ein einziger Mann ausstieg, dafür aber zahlreiche Passagiere an Bord kamen. Old Death ging für einige Minuten an das Ufer, wo der Commissioner stand, um sich bei demselben nach Gibson zu erkundigen. Er erfuhr, daß zwei Männer, auf welche seine Beschreibung paßte, hier nicht ausgestiegen seien. Dasselbe negative Resultat hatte seine Erkundigung auch in Columbus, weßhalb wir dort bis La Grange weiter bezahlten. Von Matagorda bis Columbus hat das Schiff einen Weg von vielleicht fünfzig Gehstunden zurückzulegen. Es war also nicht mehr zeitig am Nachmittage, als wir uns am letzteren Orte befanden. Während dieser langen Zeit hatte Winnetou seinen Platz nur ein einziges Mal verlassen, um seinem Pferde Wasser zu schöpfen und ihm Maiskörner zu geben.
Die Rowdies schienen ihren gegen ihn und uns gerichteten Aerger vergessen zu haben. Sie hatten sich, sobald neue Passagiere anlangten, mit diesen beschäftigt, waren aber meist abweisend behandelt worden. Sie brüsteten sich mit ihrer antiabolitionistischen Gesinnung, fragten einen Jeden nach der seinigen und schimpften auf alle, die nicht ihrer Meinung waren. Ausdrücke wie »verdammter Republikaner«, »Niggeronkel«, »Yankeediener« und andere noch schlimmere flossen nur so von ihren Lippen, und so kam es, daß