Die Stadt unter dem Meere (Roman). Joseph Delmont. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joseph Delmont
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746745718
Скачать книгу
belauschte Unterhaltung zurückdachte.

      Maxl saß mit einigen Kameraden »Am Wasserfallhügel« bei der »Hexe« und hielt einem der Melancholie verfallenen Metalldreher eine Standpauke:

      »Hanswurst, damischer, du Mordsrindviech! Ja, den schaug an. Ja, was war denn dös? Oh Bluatsau! Tat der Hanswurscht woana, weil er nöt bei seiner Alten sei kunnt. Ja, Herrgottsakra! Bluatiger Heanadreck! Wart, i nim zerscht an Schmalzler, damit ’s mar net de Red verschlagt. Ja sei, grad sei g’juchtzt hab i, wie i g’hört hab, daß’s a Kommandierung gibt, wo ma koan Urlaub nit kriagt. Woaßt, i mag s’ scho, mei Alte, – aber manchmal muß i ihr scho oane in d’Letschen eini hau’n, damit s’ a Ruah gibt. A guts Wei is, aber sie gibt eahnder koan Fried, bal i ihr nöt oani einihau. Ja moanst, daß sie sich dös g’fallen lasset? Oh mei, gar koa Idee von oaner Gspur. Was s’ halt grad derwischt hat, hat s’ ma am Schädel g’haut. Sie is halt a bisserl gach, aber a guats Wei is. Wie i z’letzt furt ganga bin, hat s’ gwoant; i hab s’ tröst und do hat s’ ma, wie i scho in der Tür g’standen bin, was nachg’schrien. I hab mi umdraht, hab zurückg’schrien: ›Du mi a!‹ und dann bin i mit schwerem Herzen furtganga. – Juchhuuu! Du Mordshammel du, jetzt hörst sei glei auf z’groana oder i stirr dir oane ins Gletsche.«

      Mader vermochte sich schwer in die Psyche dieses Menschen hineinzufinden. Er konnte niemals an Maxl vorbeikommen, ohne an das belauschte Gespräch zu denken.

      Einmal war der Schrittenbacher zum Rapport befohlen und Mader war gezwungen, ihn abzukanzeln.

      Der Maxl stand mit todernstem Gesicht dabei. Als er abtreten sollte und schon an der Türe war, rief ihn Mader zurück.

      »Schrittenbacher – ich weiß, was Sie sich jetzt an der Türe gedacht haben!«

      »Kunnt scho sei, Herr Kapitänleutnant.«

      »Abtreten.«

      14

      Fast alle Fahrzeuge, die das Mittelländische Meer befuhren, hatten ihre Not mit den deutschen U-Booten.

      Man war nirgends mehr sicher. Sogar in dem Kriegshafen von Spezia sollten sie gesehen worden sein.

      In der ganzen Welt wurde von einer geheimen U-Boot-Basis im Mittelmeer gesprochen.

      Kein Mensch der Entente glaubte mehr, daß Pola oder ein anderer feindlicher Hafen die ganze Strecke versorgen könne.

      Ganze Geschwader der Gegner suchten die Küsten immer und immer wieder ab.

      Man vermutete die geheime Station zuerst an der Küste von Korsika, dann wurden die afrikanischen und die asiatischen Gestade genauest beobachtet.

      Nichts! Nichts!

      Italien ließ nichts unversucht. Sardinien, Sizilien, ja sogar die Küsten im Ligurischen Meer standen monatelang unter schärfster Bewachung.

      Alles blieb vergebens. Nichts wurde entdeckt.

      Niemand in Italien hatte eine Ahnung, daß sich im eigenen Lande eine unterirdische deutsche Werkstätte befinde, die Granaten und Torpedos herstellte. Kein Mensch vermutete, daß sogar ein kleiner Typ feindlicher U-Boote sich unter heimischer Erde im Bau befand und daß eine kleine Schar von Menschen in treuester Pflichterfüllung seit Jahren nicht mehr die Sonne sah und fern von ihren Liebsten weilte, die nicht wußten, wo sich Vater, Sohn, Bruder, Gatte oder Bräutigam aufhielten.

      Eine Gemeinde von Männern lebte mitten im Feindesland und darbte nach dem Licht des Tages.

      In der Heimat wurde allerlei von der geheimen U-Boot-Basis gemunkelt.

      Kein Mensch, mit Ausnahme der U-Boot-Besatzung und einiger Eingeweihter im Hauptquartier wie im Marine- und Kriegsministerium, wußte darum, und auch von diesen kannten nur die Kommandanten der U-Boote die Lage der Höhlen genau.

      15

      Der Sommer 1918 war vergangen. Mit Riesenschritten eilte der Herbst ins Land.

      Hertha von Zöbing stand vor einem Briefkasten an der Ecke von Graf-Adolf-Straße und Königsallee und schob nach kurzem Überlegen ihren Brief in die Öffnung. Langsam ließ sie den Deckel über den Schlitz fallen. Sie strich mechanisch mit der Hand über den Briefkasten und entfernte sich dann eiligen Schrittes.

      Nun nahm das Schicksal seinen Weg.

      Seit zwei Jahren hatte sie ihren Verlobten nicht mehr gesehen. Lange Briefe hatte sie Woche für Woche abgesandt und doch niemals Antworten auf die Fragen erhalten, die ihr Innerstes aufwühlten.

      Mader schrieb stets von Pflichtbewußtsein, von der Liebe zum Vaterlande, immer wieder von der Heimat, und daß er – erst nach Kriegsende zur Braut zurückkehren könne.

      Es waren, nach Herthas Ansicht, ausweichende Antworten.

      Sie verbiß sich in ihre Gedanken, und als Mader auf ihr letztes Schreiben offen mitteilte, daß er ihren Wunsch, der Offizierskarriere zu entsagen, nicht erfüllen könne, reifte in ihr der Gedanke, dem Verlobten sein Wort zurückzugeben.

      Der Entschluß wurde ihr nicht leicht. Acht Tage kämpfte sie einen schweren Kampf. Sie liebte Mader. Liebte ihn wie eine Frau, die zum ersten Male im Leben liebt. Aber nie könnte sie mit einem Manne zusammen sein, der sie stündlich an den grausamen Krieg erinnerte und dessen äußere Gewandung ihn als Krieger kennzeichnete.

      Sie lebte in dem Wahn, daß die Feinde keine Feinde wären, daß man »drüben« längst Frieden wünschte und daß nur die Häupter der Heimat den Krieg weiter führen wollten.

      Obwohl sie wenige Zeitungen las, konnte sie es nicht verhindern, bei Tisch von dem Dienstpersonal und anderen manches zu hören.

      Nun lag der »Feldpostbrief« im Kasten. Die Würfel waren gefallen.

      Vielleicht war es besser so. Sie würde nie einem anderen Manne angehören.

      Krüppel begegneten ihr. Ketten von Menschen, vor Bäcker-, Fleischer- und Gemüseläden in Geduld stundenlang harrend, sahen vielfach der elegant gekleideten jungen Dame haßerfüllt nach und riefen ihr häßliche Worte zu.

      Hertha ging rascher.

      Wer helfen könnte! Sie senkte den Kopf, als ob die Schuld am Kriege auf ihrem Haupte laste.

      16

      Das Volk hatte die Macht in seine Hände genommen und die Gewalt an sich gerissen.

      Jahrelange Entbehrungen waren die besten Helfer und Hetzer gewesen.

      Nur heraus aus der Misere. Nur wieder die Möglichkeit haben, ein bißchen menschlich zu leben.

      Die Macht in der Hand des Volkes ist ein gefährliches Spielzeug.

      Die Bestie Mob lauert jahrzehntelang auf solche Gelegenheiten. Die Führer wußten nicht, mit wem sie die Macht teilen mußten. Sie ahnten nicht, daß es die niedrigsten Instinkte waren, die mit ans Ruder wollten, die ein großes Wort mitzusprechen hatten und die sich das Heft nicht so schnell wieder aus den Händen winden ließen.

      Die ihr rieft, die Geister!!

      Sie waren nicht zu bannen.

      Auf einen derartigen Hexensabbath waren die Treiber nicht gefaßt gewesen. Nun hieß es mit der Horde Wölfe heulen, um nicht ganz verdrängt zu werden und um der Blutgier und dem grausamsten Elend, noch größer als es schon gewesen, nicht freie Bahn zu lassen.

      17

      Mader, der inzwischen zum Kapitän befördert worden war, befand sich seit Tagen in größter Unruhe.

      Die einfahrenden Kameraden brachten scheußliche Nachrichten. Unverbürgt. Aber etwas bereitete sich vor.

      Seit zwei Tagen war kein Boot eingelaufen. Eine Seltenheit.

      Fast jeden Tag waren sonst Boote in der »Stadt unter dem Meere« ein- und ausgefahren.

      Auch die Besatzung war beunruhigt. Häßliche