Bei den Motoren, in den Mannschaftslogis, bei den Reguliertanks und den Öltanks, überall horcht man auf die Befehle.
Möller beginnt einen alten Gassenhauer vor sich hinzusummen.
»Up de Reeperbahn
Dor is’n Ding passiert,
Dor hett ne olle Zeech
Mit ne Gans poussiert.«
Mader ruft Ulitz mit überlauter Stimme plötzlich ein Kommando zu.
Ulitz hat sich eben in Gedanken vorgestellt, wie er als erstickter Leichnam aussehen würde. Nein, ersticken möchte er nicht. Lieber vorher eine Kugel, solange noch die Kraft dazu vorhanden ist.
Steuerbord! Back! Back!
Schrill gehen die Klingelsignale.
Erschrocken hat Ulitz das Kommando gegeben.
Ein Knirschen und Reiben wird von Backbord außen hörbar.
Mader dreht langsam nach links. Das Knirschen hört auf.
Alles lauscht beklommen.
Die Mannschaften stecken ihre Köpfe zum Tiefensteuerraum hinein. Von hier aus bekommt man alle Nachrichten zuerst.
Kommando folgt auf Kommando. Mader hat jetzt den Ausweg entdeckt, einen breiten Tunnel mit langen Windungen, die Wände vom Wasser zerfressen.
Der Kompaß zeigt WSW.
Die Spannung im Boote ist aufs Höchste gestiegen.
Mader will noch keine Auskunft geben.
Vielleicht ist es ein anderer Weg.
Sein Auge leuchtet plötzlich auf.
Der Scheinwerferkegel ist länger geworden, das Wasser durchsichtiger.
Das Licht kommt von oben.
Das ist der Tag.
»Wir sind heraus!« schreit Mader Ulitz zu.
Im nächsten Augenblick geht der Ruf von Mund zu Mund. Die Spannung löst sich von den Gesichtern.
Willy Reimer, ein alter aktiver Diener, dem das Land nur auf acht bis zehn Tage, von Zeit zu Zeit, Vergnügen bieten kann, nimmt einen Schluck Wasser und vergißt vor Freude, das Achtelpfund Priem aus der rechten Backe zu nehmen.
Die Kommandos erfolgen seltener.
Bis auf zehn Meter Tiefe ist U.10 hochgegangen.
Mader will den Platz nicht verlassen. Ein großer Plan ist in seinem Kopfe gereift.
Er kennt jetzt den Weg und will ihn nochmals befahren.
Der alte Neptun wird helfen, und nun ist der Weg leichter zu finden.
Wieder taucht U.10 auf achtzehn Meter hinab.
Die Leute können es nicht glauben, daß ihr Kommandant nochmals in die Höhle zurück will.
»Wat sall dat?« fragt sich Möller.
Gewohnt, zu gehorchen, und im Vertrauen zu dem geliebten Führer, werden die Befehle ausgeführt.
Ganz langsam geht die Fahrt.
Zwölf Meter Tiefe.
Langsam tastend.
Die Einfahrt ist gefunden.
Die Positionslichter werden eingeschaltet.
Der große Scheinwerfer läßt seine Strahlenbündel durch die dunkle Flut gleiten.
Viel kürzer ist der Weg jetzt.
Periskop und die obere Positionslampe davor gehen hoch.
Beide brechen wie Streichhölzer plötzlich ab.
Die Ventile werden geschlossen.
Die Tauchtanks entleeren sich.
Das Boot steigt. Steht.
»Schröder!«
»Befehl – Herr Kapitänleutnant?«
»Schröder! Sie und Reimer bereiten Aluminium- und Weißphosphorfarbe. Dort, wo wir den Wasserspiegel wieder erreichen, über dem Ausgange des Unterseehohlkanals Zeichen machen! Groß! Mit Pfeil! Mehr Phosphor als Aluminium! Verstanden?!«
»Befehl, Herr Kapitänleutnant!«
Die Einsteigluken fallen zurück.
Die Positionslaternen bezeichnen den Platz, wo das Boot aus der Tiefe kam.
Schröder und Reimer ziehen das Faltboot hoch.
Der kleine Scheinwerfer spielt an der Rückwand des Felsens.
Mader behält einen senkrechten Spalt, der sich wie ein Hochgebirgskamm hinzieht, im Auge. Darunter ist der Tunnel.
Maxstadt wird in Taucherkleidung kommandiert. Schröder zurückbeordert.
Willy Reimer fährt mit einem anderen Matrosen auf den Spalt zu, auf dem der Scheinwerfer spielt.
Breite, weißleuchtende Pinselstriche ziehen sich an der feuchten Felswand herab.
Das große Beiboot ist flott. Schröder und Maxstadt in Taucherausrüstung, besteigen es mit der Taucherbegleitmannschaft. Das U-Boot dreht langsam bei. Die Luftpumpe beginnt zu arbeiten, der Sauger wird neben der Steuerungsanlage auf der Kommandobrücke klargelegt.
Reimer hat sein Malwerk vollendet. Die Farbe trocknet nur langsam auf der feuchten Wand. Der Strahl des Scheinwerfers wärmt die Stellen.
Das Beiboot hält an dem Spalt im Felsen. Das Wasser ist ruhig, und man zwängt den Bug des Bootes in den Spalt.
Die Luftpumpe für die Taucher arbeitet mit voller Kraft.
Schröder geht als erster in die Tiefe.
Alle Mann sind auf Deck und gespannt wartet man auf Schröders Signal zum Hochziehen.
Mader befiehlt, eine große leere Eisentonne auszupumpen und zu verlöten.
Schröder hat Signal gegeben und kommt hoch.
Nachdem ihm der Helm abgenommen, berichtet er:
»Zuerst fällt die Wand steil ab, dann folgen Einbuchtungen, und in vier Meter Tiefe kommt ein breites Plateau, ganz mit besonderer Muschelart bekrustet.« Schröder zeigt eine Muschel, die er losgebrochen.
»Unter dem Plateau beginnt der Tunnel. Messungen konnte ich nicht machen, da ein längeres Verweilen unten unmöglich war.«
Die Muschel hatte eine besondere Form. Sie sah wie eine ovale Frucht aus, war faustgroß und besaß in ihrem Innern zwei Kammern, jede von einem anders geformten Muscheltier bewohnt. Während in der kleineren Kammer die schleimigdicke Masse gelblich war, hatte die in der größeren eine grellrote Farbe.
Die aus der Eisentonne verfertigte provisorische Boje wurde mittels Ankerketten und Klemmen an der Felsspalte unter der bemalten Fläche fest verankert.
Jetzt kommt Maxstadt, der mittlerweile getaucht hatte, einen riesenhaften Seestern, der in allen Farben schillert und im Dunkeln am ganzen Körper phosphoresziert, in der Hand haltend, nach oben.
Kapitänleutnant Mader hat inzwischen Messungen veranstaltet und den Kompaß überprüft. Alles wird genau zu Papier gebracht.
U.10 taucht und findet diesmal seinen Weg leichter in die Außenwelt.
7
Im Marineministerium wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt.
Mader stand vor dem Marineminister und Obersten Chef der Flotte.
Der Plan des Kapitänleutnants war gigantisch. Seit dreiviertel Jahren schon zogen sich die Verhandlungen ergebnislos hin.
Endlich hatte