Der Irrtum der Wunschfee. Heidi Hartmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heidi Hartmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844273618
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sieht er zu, wie ich meinen linken Fuß von Schuh und Socken befreie. Als ich reingerufen werde, humpele ich der Schwester entgegen. Ich setze mich auf den Tisch, stelle meinen Fuß auf die Platte und bin nicht wirklich überrascht, einen kleinen Drachen neben mir zu sehen. Die Schwester richtet meinen Fuß aus und verschwindet, um auf den Knopf zu drücken. Kaum ist sie weg, stellt er seinen Fuß neben meinen, um sie zu vergleichen …

      Das geht so schnell, dass ich keine Zeit habe, irgendwie zu reagieren, und es piepst.

      Ich harre der Dinge, die nun kommen würden. Ganz sicher ist nicht nur mein Fuß zu sehen. Insgeheim überlege ich, ob ich irgendwie in Besitz dieses Röntgenbildes kommen könnte.

      Die Minuten verstreichen. Dann kommt die Schwester heraus und fragte, ob ich mich vielleicht bewegt hätte.

      „Nein, warum?“

      „Dann stimmt vermutlich etwas mit dem Gerät nicht. Wir machen mal noch eine Aufnahme. Wenn das Ergebnis das gleiche ist, müssen wir den Röntgenapparat austauschen.“

      Noch bevor sie verschwunden ist, flehe ich mein Drachenkind an, ruhig neben mir sitzen zu bleiben und sich nicht vom Fleck zu rühren.

      „Langweilig!“

      „Mag sein, aber wir werden sonst nicht fertig. Es sei denn, du willst ewig in dieser Höhle bleiben?“

      „Nein, ich bin müde. Kannst du mich tragen?“

      „Okay.“

      Er rollte sich ein und war binnen dreißig Sekunden eingeschlafen.

      Dieses Mal dauerte es nach dem Piep nicht lange und die Schwester kam raus. Die Aufnahme ist in Ordnung, ich kann mich wieder anziehen und zur Chirurgie gehen. Sie hat mir kaum den Rücken zugedreht, da nehme ich vorsichtig mein Drachenkind auf den Arm und humpele schnell in die Kabine zurück. Ich lege es auf die Bank, ziehe mich an und packe ihn kurz entschlossen in meine Jacke. Es schlief so fest, dass er den Rest meines Arztbesuches verpasst.

      Auch meinen Einkauf, die Wiederholung seines verpassten Frühstücks, bekommt es nicht mit.

      Als ich es zu Hause auf die Couch lege, öffnet es schläfrig ein Auge, sieht sich um und schien sehr zufrieden zu sein. Es holte tief Luft, schmiegte sich in die Kissen und döste noch ein wenig vor sich hin. Ich ging in die Küche und machte mich daran, sein Fresschen in mundgerechte Häppchen zu schneiden. Dabei fällt mir auf, wie selbstverständlich es in meinem Leben seinen Platz gefunden hatte.

      Ich stelle den Teller auf den Tisch und seine Nüstern nehmen sofort Witterung auf.

      Der Drache öffnet die Augen, ich sage: „Frühstück“ und stelle den Teller neben ihn.

      Vorsichtig beschnuppert er das Fleisch und nimmt mit langen Zähnen ein winziges Stück.

      „Was ist los?“

      „Ich koste …“

      „Machst du das immer so?“

      „Nein, nur wenn ich nicht weiß, was es ist.“

      „Das ist Steak vom Rind. Rindfleisch. Das war mal eine Kuh, nehme ich an.“

      „Es riecht aber nicht so.“

      „Es riecht nicht so?“

      „Nein.“

      „Riecht bei euch Rindfleisch anders?“

      „Darauf mein Drachenehrenwort!“

      „Hm, soll ich dir was anderes holen?“

      „Nein, ich versuche es ja noch.“

      Nun ist es ganz verschwunden und er kaut darauf herum. Seine Miene zeigt wachsendes Interesse und er kaut schneller. Schließlich schluckt er es hinunter.

      „Alles okay?“, fragte ich.

      „Ja, es ist gewöhnungsbedürftig und ganz sicher keine Kuh, aber man kann es essen.“

      Ich beschließe, nicht weiter darüber nachzudenken, und sehe ihm einfach nur zu. Er braucht nun nicht mehr sehr lange und mit einem Seufz-Schmatz beendet er seine Mahlzeit.

      „Bist du satt?“

      „Ich glaube ja.“

      „Du glaubst?“

      „Ja.“

      „Wann weißt du es denn genau?“

      „In ungefähr vier Stunden.“

      „Vier Stunden?“

      „Ja, wenn in vier Stunden mein Magen nicht knurrt, bin ich satt geworden.“

      Ich sehe auf die Uhr. „Dann ist es die sechste Stunde in Richtung des Mondes.“

      Er überlegt und stimmt mir zu. „Ich gehe zur Schule, ich kann schon rechnen!“

      „Das bezweifele ich nicht. Aber wenn dann dein Magen eventuell knurrt, sollte etwas zu essen da sein. Und ich bin mir nicht sicher, ob dir das halbe Kilo Schabefleisch und der Markknochen dann reichen. Das heißt, ich müsste noch mal los … Du kannst ja mitkommen.“

      „Hm …“

      „Keine Lust?“

      „Nein, wir Drachen sind nach dem Essen immer ziemlich faul.“

      „Eine kleine Gemeinsamkeit mit uns Menschen. Also was machen wir?“

      „Wir können ja nachher einmal nachsehen, was in deiner Vorratshöhle zu finden ist. Zur Not essen wir ja auch Gemüse und Obst.“

      „Zur Not?“

      „Wirklich nur, wenn nichts anderes zu finden ist!“

      „Also gut. Sollte gar nichts für dich dabei sein, gehe ich noch mal einkaufen. Das geht bis zur zehnten Stunde des Mondes.“

      „Im Dunkeln?“

      „Da gibt es Licht.“

      „Wir Drachen jagen nie in der Mondzeit.“

      „Warum nicht?“

      „Da schläft das, was wir jagen.“

      „Das nenne ich aber wirklich rücksichtsvoll.“

      „Wir können in der Dunkelheit nicht gut sehen, und wenn wir unsere Beute verfehlen, müssen wir ihr hinterherjagen. Das regt sie dann so auf, dass ihr Fleisch ungenießbar wird.“

      „Ich denke, ihr esst auch Gammelfleisch. Wie viel schlimmer könnte es schon sein?“

      „Der Unterschied ist gewaltig! Gammelfleisch ist delikat und hat eine leicht schleimige Konsistenz. Lässt man es ein Weilchen auf der Zunge liegen, glaubt man Leben in ihm zu spüren. Gaumenfreude pur! Im Abgang hat es den unverkennbar modrigen Geschmack längst vergangener Zeiten. Es ist ähnlich dem Duft der verbotenen Drachensümpfe.“

      Er blickt auf irgendeinen Punkt an der Wand und scheint ziemlich entrückt dem Hier und Jetzt zu sein. Dann schweigt er und seufzt. „Aber leider dürfen wir nicht zu viel davon essen, sonst bekommen wir Ausschlag von der übelsten Sorte. Das Wasser der Drachenblume kann ihn lindern, aber es liegt so tief in ihrem Kelch, dass man sich an ihren Blättern abstützen muss um nicht hineinzufallen. Und sie hasst, es berührt zu werden, reagiert zickig und ihr Wasser wird ein klebriger Brei. Zur Behandlung ist der dann nicht mehr geeignet.“

      „Wenn Gammelfleisch lecker ist, was ist dann bitte schön ungenießbar für euch?“

      „Bitter!“

      „Bitter?“

      „Ja, wir können bitter nicht ausstehen. Davon bekommen wir stumpfe Zähne.“

      „Ja, stumpfe Zähne kann ich auch nicht leiden. Wie viele Zähne hast du eigentlich?“

      „Das weiß ich gar nicht so genau.“

      „Hast du sie noch nie gezählt?“

      „Ist