Der Irrtum der Wunschfee. Heidi Hartmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heidi Hartmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844273618
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Markknochen.“ Frisst er überhaupt schon alleine oder muss ich es ihm vorkauen? Glücklicherweise fällt mir der Mixer ein, irgendwo ganz hinten im Küchenschrank muss er sein. Dankend nehme ich meinen Einkauf entgegen, eile zur Kasse und renne nach Hause.

      Außer Atem schließe ich die Wohnungstür auf. Ob er sich freut, mich wiederzusehen?

      Wenn nicht, ist das nicht ganz so schlimm, meine Freude reicht für uns beide! Alles andere würde hoffentlich mit der Zeit kommen. Vorsichtig öffne ich die Tür, es kann ja sein, dass er dahinter auf mich wartet. Aber nein. „So“, sage ich auf dem Weg ins Wohnzimmer, „ich habe tolles Fresschen für dich!“ Wie angewurzelt bleibe ich auf der Schwelle stehen. Im Nest sitzt, statt meines süßen, kleinen Drachen, ein Frosch! Mein Einkauf fällt zu Boden, als er mich anquakt. Auf meinem Tisch liegt eine Nachricht von der Wunschfee: „Der Irrtum tut mir sehr leid. Das Drachenkind war der sehnlichste Wunsch eines kinderlos gebliebenen Drachenpaares. Danke, dass du so gut auf ihn aufgepasst hast. Der Frosch ist für dich. Er stammt aus den Sümpfen von Drachenland und ist natürlich kein gewöhnlicher Frosch. Es ist der Erste aus dieser Gegend. Erfahrungsberichte liegen leider nicht vor. Wenn du dich entschließen solltest, ihn zu küssen, garantiere ich dir, es wird ein Mann sein, und wahrscheinlich ist er ganz nett anzuschauen. Nur, ob er das Fliegenfangen gänzlich sein lassen wird oder es ablegt, seine Backen zu blähen, wenn er in Stimmung kommt, kann ich dir nicht sagen. Um wie viel anders aber könnte es schon sein als bei den Männern deiner Welt?“

      Auch nach dem dritten Lesen bleiben die Worte gleich und niederschmetternd in ihrer Aussage! Mein Drachenkind ist weg, eingetauscht gegen einen, diesen Frosch da …

      All meine Fragen weichen zwei egoistischen Gedanken!

      Erstens: Ich will meinen Drachen. Zweitens: Es gibt da eine Arbeitskollegin, die bald Geburtstag hat und nicht mehr allein sein will …

      Wiedersehen …

      Tage später sitze ich beim Röntgen, weil ich mit meinem linken kleinen Zeh gegen ein Stuhlbein geknallt bin. Ich vertreibe mir die Warterei mit Lesen, bis mich jemand fragt:

      „Was machst du da?“

      „Ich warte darauf, aufgerufen zu werden. Aber was machst du hier?“

      „Ich dachte, ich schau mal vorbei. Schließlich konnte ich mich nicht von dir verabschieden, und das ist unhöflich.“

      „Wie konntest du mich denn finden?“

      „Ich bin ein Drachen!“

      „Nun, ich freue mich sehr, dich wiederzusehen. Ich war ziemlich traurig, als ich mit deinem Frühstück nach Hause kam, und du warst weg.“

      „Stattdessen saß ein fetter Frosch in meinem Nest, stimmt’s?“

      „Stimmt. Und ich war nicht begeistert.“

      „Was hast du mit meinem Frühstück gemacht, aufgegessen?“

      „Ich esse kein Fleisch.“

      „Dann habe ich ja nichts verpasst.“

      „Glaubst du denn, ich hätte dir Gemüse und Salat vorgesetzt?“

      „Na, wenn du nichts anderes isst?“

      „Ich hatte ein Steak vom Rind, ein halbes Kilo Schabefleisch und einen Markknochen gekauft. Für dich.“

      „Und was hast du damit gemacht? Etwa dem Frosch gegeben?“

      „Nein, ich habe es meiner Nachbarin gegeben. Die konnte etwas damit anfangen.“

      „Warum hast du es nicht behalten?“

      „Es würde schlecht werden.“

      „Na und?“

      „Dann fängt es an zu stinken.“

      „Auch kein Grund.“

      „Das heißt also, du nimmst es nicht so genau mit der Frische? Du würdest vergammeltes Fleisch essen?“

      „Das kann durchaus lecker sein.“

      „Dann könntest du vermutlich in dieser Welt recht gut überleben. Es gibt von allem genug.

      Also du bist nicht abgehauen?“, hakte ich noch einmal nach.

      „Natürlich nicht!“

      „Du gehst wieder nach Hause?“

      „Die Wanderin zwischen den Zeiten holt mich wieder ab.“

      „Die Wanderin zwischen den Zeiten?“

      „Ja, genau die.“

      „Und wann?“

      „Wenn die Ferien zu Ende sind.“

      „Schön, dann haben wir ja vielleicht genug Zeit, um uns besser kennenzulernen.“

      „Nun ja, in deiner Zeit ist das bis zur elften Stunde des Mondes.“

      „Habt ihr nur einen Tag Ferien?“

      „Nein, eine Woche.“

      „Aha.“

      „Mama, guck mal, die Frau da redet mit der Wand …“

      „Pst, sieh da nicht hin!“

      „Aber Mama!“

      „Pst!!!“

      Ups, ich habe ganz vergessen, wo ich bin, stehe auf, gehe zur Wand und tue so, als würde mich der gerahmte Druck interessieren. Ich flüstere:

      „Wenn das Mädchen sagt, ich rede mit der Wand, heißt das, sie kann dich nicht sehen?“

      „Ja, das kannst in dieser Höhle nur du.“

      „Okay, dann lass mich das hier zu Ende bringen und wir reden draußen weiter.“

      „Warum?“

      Stumm nicke ich in Richtung des kleinen Mädchens, das natürlich immer noch zu mir herüberschielt.

      „Aber du musst ja gar nicht laut mit mir reden. Ich kann deine Gedanken hören.“

      „Na ganz toll!“, platze ich heraus und habe nun die Aufmerksamkeit aller Patienten.

      Meinen Drachen amüsiert das sehr. Aufmerksam geht er zu jedem Patienten und betrachtet ihn genau. Süßer kleiner Kerl und vermutlich ein absoluter Rabauke, denke ich.

      „Das habe ich gehört“, murmelt er.

      „Hörst du absolut jeden Gedanken, den ich habe? Dann schwirrt dir garantiert bald der Kopf.“

      „Nein, nur wenn es mit mir zu tun hat.“

      „Da bin ich aber froh!“

      „Warum?“

      „Weil ich vermutlich den ganzen Tag denke …“

      „Den ganzen Tag?“

      „Ich glaube schon.“

      „Das ist aber anstrengend. Über was denkst du denn so nach?“

      „Jetzt zum Beispiel denke ich, hoffentlich bin ich bald dran, damit wir hier schnell verschwinden können. Auf dem Weg nach Hause besorge ich dir was zu essen und dann können wir es uns auf dem Balkon gemütlich machen.“

      „Was ist ein Balkon?“

      „Erinnerst du dich an meine Wohnung?“

      „Wohnung?“

      „Meine Höhle?“

      „Ja.“

      „An dieser Höhle gibt es einen Anbau, der nach draußen führt. Man kann von dort aus in den freien Himmel sehen. Ich habe dort zwei Stühle, einen kleinen Tisch und viele, viele Pflanzen.“

      „Aber dann könnte man uns ja entdecken!“

      „Ich denke, nur ich kann dich sehen?“

      „Ja,