SCHMITT happens – im Radio. N.F. Holstein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: N.F. Holstein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844236224
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einen gefährlichen Neigungswinkel als er sich stöhnend in eine bequeme Position wälzte. „Boah ey, du hast so Scheiße viel Geld, kannst du dir nicht mal vernünftige Sessel kaufen, auf denen man sich hinsetzen kann ohne dass es zu einer Turnübung ausartet?“

      Jörn hatte sich gleich drei der Liegesessel gekauft in schwarz, hellgrau und dunkelgrau, und sie zusammen mit einem passenden Sofa um mehrere, ebenfalls flache Beistelltische aus Glas gruppiert. An der Wand war ein überdimensionaler Flachbildschirm installiert, der so groß war, dass man auch aus der angrenzenden, offenen Küche noch verfolgen konnte, was gerade im Fernsehen lief. Nicht dass es wichtig gewesen wäre für Jörn, der sowieso nicht kochen konnte. Nicht einmal ein Rührei bekam er hin, ohne dass es anbrannte.

      Daher war er auch nicht unglücklich gewesen, dass Bernd ihn in seiner Wohnung mit Spaghetti Carbonara überraschte als er von Oma Annie zurückkam. Er hatte Bernd, kurz nach seinem Einzug in das Dachgeschoß in der Wielandstrasse, zu seiner eigenen Sicherheit einen Schlüssel zu seiner Wohnung gegeben. Bernd wohnte nur wenige Straßen entfernt und war Jörn ein Meister darin sich selber auszusperren. Das konnte besonders morgens um halb vier unangenehm werden, wenn er vor seiner Haustür stand, ohne Haustürschlüssel, und der Autoschlüssel leider IN der Wohnung lag. Der gutmütige Bernd nahm es nie übel, aus dem Bett geklingelt zu werden, auch nicht zu nachtschlafender Zeit, am Wochenende oder an Feiertagen.

      Ab und zu kam es aber auch vor, dass sein Freund sich nun selber hereinließ und wie eine junge Braut mit dem Essen auf ihn wartete, wenn er nach Hause kam. Bernd kochte phantastisch und noch dazu gerne. So wie heute.

      Nach dem Essen hatten sich beide einen Malt eingeschenkt und saßen nun auf den modernen Sesseln, die auf dem flauschigen grauen Veloursteppich besonders gut zur Geltung kamen – fand Jörn. „Du musst dich ja nicht auf einen Sessel setzen. Hol dir einen Stuhl vom Esstisch oder bleib zu Hause.“ Jörn, der sich auf dem Doppelsitzer lang ausgestreckt hatte, stöhnte wohlig und prostete seinem Freund pantomimisch zu. „Zum Wohl.“

      Bernd bemühte sich um Haltung, während er versuchte die Rückenlehne des Sessels wieder in die Senkrechte zu klappen. Sein Glas hatte er neben sich auf den Fußboden gestellt, in bedenkliche Nähe zu seinem rechten Fuß. „Vielleicht stellst du deinen Malt lieber auf einen der kleinen Tische? Die sind nämlich tatsächlich extra dazu da, um etwas darauf abzustellen.“ Versuchte Jörn es vorbeugend. „Um den Teppich mache ich mir keine Sorgen, den kann ich jederzeit erneuern lassen, aber der Malt den du da trinkst, ist ein Single Cask Malt, das ist ein 17 Jahre alter Hanyu und da kostet die Flasche knapp zweihundert Euro, mein Freund. Und es handelt sich um eine limitierte Auflage, den kann man nicht einfach so bei Lidl nachkaufen, wenn du verstehst...“

      Bernd hatte die Rückenlehne in der gewünschten Position arretiert, griff wieder nach seinem Glas und nahm einen tiefen Schluck. „Trifft ja keinen Armen, dann holst du dir eben irgendeinen anderen guten Tropfen.“ Er schmatzte anerkennend und trank gleich noch etwas von dem teuren Malt. „Wie geht es deiner Oma?“ Bernd und Oma Annie verband eine tiefe platonische Liebe. Bernd hatte sich eine Woche lang um Annie gekümmert als Jörn ein Seminar in Köln besuchen musste, dass sich nicht verschieben ließ. Jörn hatte trotz der vielen Freizeitaktivitäten seiner Oma kein gutes Gefühl dabei, sie tagelang allein zu lassen, und hatte seinen Freund als Vertretung zum täglichen Check up geschickt. Bernd hatte sich um schwerere Einkäufe wie Wasserkästen gekümmert, Annie Hühnersuppe gekocht und mit ihr Mieten, kaufen, wohnen und Das perfekte Dinner im Fernsehen angesehen. Nach dieser Zeit war Annie voll des Lobes für Jörns „feinen und freundlichen Freund“. Bernd erkundigte sich ständig nach ihrem Befinden und besuchte sie auch ab und an auf einen Kaffee, oder holte sie mit seinem Auto zu einem Spaziergang am Schlachtensee ab. „Der geht’s gut, die plant schon ihre nächste Reise mit dem Kegelverein. Trotzdem hat sie natürlich noch genug Energie mir nahe zu legen, jetzt endlich mal eine Frau fürs Leben zu finden, damit sie endlich Uroma wird.“

      „Aber das ist noch klar. Annie wird auch nicht ewig leben und du bist ja viel mehr, als einfach nur irgendein Enkel. Ihr zwei habt nur einander und da wünscht sie sich natürlich, noch zu sehen wie du jemanden findest, mit dem du alt werden willst, und träumt davon noch, mal was in den Armen zu halten, was ihr Hoffnung gibt, dass es ihrem lieben Enkel auch gut geht, wenn sie mal nicht mehr da ist.“

      „In welcher von Annies Zeitschriften hast du das denn gelesen?“ Jörn trank den letzten Schluck Malt aus seinem Glas und stand vom Sofa auf, um sich an der alten Kommode, die als Barschrank diente, ein neues Getränk einzuschenken. „Oma Annie ist fit wie ein Turnschuh, die wird mindestens so alt wie Jopie Heesters, da muss man sich nun wirklich keine Gedanken machen. Im Übrigen hat sie sich noch nie in mein Leben eingemischt und mich immer machen lassen, immer darauf vertraut, dass das schon alles seinen Weg nimmt. Bisher hat doch auch alles prima geklappt.“

      „Bis auf die Nummer mit den Weibern.“ Bernd streckte ihm sein inzwischen ebenfalls geleertes Glas entgegen, um Nachschub einzufordern. „Wenn du endlich mal anfängst, ehrlich zu dir selber zu sein, dann wirst du zugeben müssen, dass es nicht gerade übel wäre, wenn du eine Frau finden würdest, die sich um dich kümmert, die dich liebt und dein Leben bereichert. Vielleicht findest du ja sogar eine, die aussieht wie Ina.“

      Bernd schwärmte seit Jahren heimlich und aus der Ferne für die Sängerin Ina Müller. Er liebte diese Frau, ihre kernige Art und die ungeheure Lebensfreude und Energie, die sie verströmte. Natürlich hatte er Ina Müller nie persönlich getroffen, aber er hatte alle ihre Sendungen „Inas Nacht“ gesehen und auch alle ihre CDs gekauft, auch die von ihrem Duo Queen B. und auch die plattdeutschen, obwohl er da kein Wort von dem verstand, was sie sang. Wohlweislich bewahrte er die Scheiben in einem Schrank auf, den man abschließen konnte. Damit seine wenigen Damenbesuche sich nicht darüber lustig machten. Nur Jörn wusste von seiner Schwärmerei für die Blondine aus dem Norden.

      „Bernd, noch mal, lass diesen Psychoquatsch weg. Eine Frau, die mein „Leben bereichert“ – liest du neuerdings auch die Groschenhefte von Oma Annie? Ich brauch’ kein Mädchen, um zufrieden zu sein. Warmes Essen kochen mir mein Freund oder der nette Renato vom Italiener nebenan, ich hab so viel Geld, dass ich es in meinem ganzen Leben nicht ausgeben kann, ich bin gesund und brauche wirklich nicht irgendeine Frau, die sich in meiner schönen Wohnung auf Dauer breit macht, um mir zu sagen, was ich tun und was ich lassen, und wie viel Obst und Gemüse ich essen soll. Ich will in meinem Bett vor mich hinpupsen soviel ich will und selber entscheiden ob ich in seidener Wäsche schlafe oder in Baumwolle. Ich...“

      „Schon gut, Bruder. Ich habe es gecheckt. War ja auch nur so eine Idee von mir. Ich hatte mir vorgestellt, dass du dich nach all deinen Liebes-pleiten in der Vergangenheit jetzt einmal richtig auf das Projekt „Frau“ konzentrierst und auf Zukunft planst, so von wegen Familie mit Kindern und dem Leben einen Sinn geben und so. Aber wenn du tatsächlich damit zufrieden bist, wie es ist, dann habe ich die Situation falsch eingeschätzt. Sorry.“ Er nickte dankend und schnupperte an dem neu eingeschenkten Getränk.

      Jörn setzte sich wieder ihm gegenüber. „Wieso ist dir das Thema eigentlich so wichtig? Wir reden doch sonst nicht über Frauengeschichten und schon gar nicht über heiraten und Kinder kriegen.“

      „Ich weiß auch nicht, aber ich hab ja vergangenes Wochenende meinen Bruder in Schleswig besucht, der gerade Vater geworden ist. Und so ein kleiner Moppel, den man selber gemacht hat, das ist schon etwas Tolles. Der ist so winzig und so perfekt. Da ist alles dran, kleine Finger und ganz niedliche kleine Füße hat der. Ich werde Patenonkel,“ verkündete Bernd stolz.

      „Aber du bist doch sowieso schon der Onkel.“

      „Ja, aber als Patenonkel übernimmt man eine ganz andere Verantwortung, wenn den Eltern etwas passiert, dann springt man quasi als Ersatzvater ein und man sollte auch dafür Sorge tragen, dass Mutter und Vater das Kind im christlichen Sinne erziehen und...“

      Jörn richtete sich auf. „Nun mach aber mal halblang. Du bist doch seit Jahren nicht in der Kirche gewesen und hast dich auch einen Dreck drum geschert, was die da so erzählt haben, und nun willst du Patenonkel werden und am liebsten auch gleich Vater? Hast du mir irgendetwas unterschlagen? Gibt’s schon eine Verlobte im Leben von Bernd Zimmermann, die womöglich auch schon schwanger ist?“